Beiträge von ravn im Thema „Sands Of Time: Material, Qualität, Verlagspolitik“

    Herbert : Bestätigt meine Ersterfahrung mit Sand of Time. Im Kern ein tolles Spiel, das aber gewisse Einstiegshürden hat, die man überwinden muss.


    Und weil es der Verlag nicht vorab geleistet hat, muss man da selbst Eigeninitiative zeigen oder mit dem Status Quo zufrieden sein. Die von Spielworxx betitelte "außergewöhnlichen (Spiele-) Delikatesse" wird das Spiel für mich aber erst, wenn man da selbst nachbessert, damit das Spiel wirklich "nicht nur sättigt, sondern den Genießer verwöhnt" (O-Ton Spielworxx-Webseite).


    Aber als 18xx- und CoSim-Spieler bist Du eh andere Einstiegshürden gewohnt. Ich hoffe hingegen weiterhin auf eine verbesserte Zweitauflage eines anderen Verlages, spiele die Erstauflage aber gerne mit, auch damit sich die Einarbeitungszeit während der Erstpartie über diese eine Partie hinaus gelohnt hat.

    Mehr als ein Jahr ist vergangen und Sands of Time wurde seit dem nicht mehr erwähnt - weder hier noch im Wochenthread habe ich Spielberichte dazu gelesen. Restexemplare gibt es im europäischen Spielehandel für unter 45 Euro inklusive Versand. Bei BGG liegt der Wertungsschnitt bei 6,6 und die meisten Wertungen zwischen 6 und 8. Dazu das Complexity-Rating von 4,27 von maximal 5. Ein Erfolg sieht wohl anders aus. Da ich das alles aber vor meiner gestrigen Partie nicht wirklich kannte und auch den Forenthread hier sowie die Regelfragen dazu nicht weiter mitgelesen habe, bin ich ganz unvoreingenommen in unsere Dreierpartie gestartet.


    Nur dank mühevoller Vorarbeit des Erklärers war uns der Einstieg überhaupt erst möglich. Die Originalregel schien in etlichen Punkten ungenau oder falsch oder missverständlich, aber auf jeden Fall umständlich formuliert. Die offiziellen Spielhilfen dazu wieder Spielworxx typisch zu geschwätzig und zu aufgebläht, um als Spielhilfe zu taugen, während der Kern des Spiels, die Aktionen, dort überhaupt keine Erwähnung finden. Wer das Spiel erklären und erstspielen will, muss sich da durchbeissen wollen und eine Menge Zeit und eigene Arbeit invenstieren, um die Hürden zu meistern, die der Verlag hier aufgebaut hat.


    Um es direkt und ungeschönt zu sagen: Dieses Spiel hat diese redaktionell ungenügende Leistung von Spielworxx nicht verdient. Was hier abgeliefert wurde hinkt an so vielen Stellen, die bei einem Verlag, der mehr Zeit und redaktionelles Handwerk in das Spiel gesteckt hätte, nicht passiert wäre. Stellt Euch vor, das Spiel wäre bei Frosted Games oder Hans im Glück erschienen und stellt dann die redaktionelle Aufarbeitung der abglieferten Leistung von Spielworxx gegenüber.


    Ich persönlich finde es absolut schade, dass dem Käufer und Spieler die Arbeit aufgebürdet wird, die eigentlich eine Redaktion vorab leisten sollte. Besonders weil das Spiel mit ein wenig mehr Rundschliff mit Fokus auf Zugänglichkeit und Spielbarkeit so viel besser hätte sein können. So mussten wir uns den Zugang zu diesem Spiel arg mühsam erarbeiten und selbst nach der wirklich guten Regelerklärung blieben bei mir viele Fragezeichen im Raum und viele Details schon längst wieder vergessen. Eben weil einem das Spiel an kaum einer Stelle hilft, diese Details zu erinnern.


    Die Aktionskarten sind Motor des Spiels. Mit denen agiert man die meiste Zeit im Spiel. Warum dann diese im Kleinformat drucken? Und dann noch den Ergeiz haben, den Kartennamen zweisprachig aufzudrucken und bei den Aktionen selbst auf Text zu verzichten und stattdessen eine Symbolsprache zu verwenden, die unverständlich bis ungenügend ist? Aus den meisten Aktionskarten kann ich ohne eigene Kurzübersicht nicht erschliessen, was ich genau damit machen kann und welche Details ich dabei beachten muss. Stattdessen muss ich mir das alles merken oder immer wieder neu nachschlagen.


    Auf den Gebäudeplättchen stehen nicht deren Funktionen. Hier hat man dann ganz auf die funktionelle Symbolsprache verzichtet und sich nur auf zu sammelnde Symbole Harfen oder Springbrunnen beschränkt. So liefert die Universität genau zwei zu sammelnde Symbole. Mehr nicht und hat auch keine Sonderfunktion. Die Stadtmauer liefert auch zwe Sammelsymbole, bietet aber eine ganze Menge mehr an Sonderfunktionen. Davon ist auf dem Gebäudeplättchen nichts zu erkennen. Auch das muss man sich merken oder nachschlagen. Warum nicht diese Sonderfunktionen durch einfache Icons für Bonus im Kampf (Faustsymbol + Zahlenwert) bei der Stadtmauer oder Bonus bei Siegpunkte (Siegpunktsymbol + 1) bei Wunder aufdrucken?


    Das Holzmaterial ist schlicht zu gross in Bezug auf die Bauern und Soldaten, die man in eine Provinz stellt. Zusammen mit diversen Gebäudeplättchen wird das schnell eng und unübersichtlich. Da der Spielplan kaum grösser umzusetzen wäre, muss also das Holzmaterial in der Grösse schrumpfen und das wäre hier problemlos möglich gewesen. Nur halb so gross hätte locker gereicht und wäre weiterhin noch handhabbar genug.


    Der Papp-Abakus mit seinem 1er- und 5er-Werten ist spielerischer Müll. Ich bekomme 7 Getreide und 6 Gold. Gebe ich nun 3 Weizen aus, muss ich den 5er-Marker zurückschieben und den 1er-Marker um zwei Felder vorschieben. Intuitiv ist anders und fehleranfällig zudem auch noch. Das hätte eine gute redaktionelle Betreuung merken und abändern müssen. Dazu wird mit Getreide eine Bezeichnung eingeführt, bei der ich direkt an gelb denke. Im Spiel ist Getreide aber eher als grüne Pflanze dargestellt, irgendeine undefinierte Nahrung, weil gelb schon durch das Gold besetzt war. Warum dann an dem Begriff Getreide festhalten, wenn der so nicht darstellbar ist?


    Hat man alle diese Hürden überwunden und sich damit abgefunden, dass hier so viele Chancen verschenkt wurden, es dem Spieler einfacher und intuitiver zu machen, bleibt ein Spiel übrig, das mich durchaus fasziniert hat. Da wir alle zeitgleich unsere zwei Aktionen planen, wird die Downtime gut minimiert. Da ich aber im Spiel mehr Zeit damit verbringen musste, Details in diversen Spielhilfen und Übersichten nachzuschlagen, wird dieser Vorteil leider wieder aufgefressen und eine Partie dauert dann für das Gebotene doch wieder zu lange. Zumal genau diese Aktionsauswahl bestimmt, wie ich im Spiel agiere. Wer da nur halbverstanden agiert oder Details übersieht, weil die schlicht nicht durch die Symbolsprache abgebildet werden, gerät ins Hintertreffen. Denn im spielerischen Kern von Sands of Time arbeiten wir auf die drei Wertungen hin, um dann dort möglichst viele und möglichst hohe Zielkarten zu erfüllen. Die eigenen Aktionen sollten also alle darauf abgestimmt sein, diesen Zielen über mehrere Spielrunden näherzukommen.


    Ich kann nur hoffen, dass ein redaktionell besser aufgestellter Verlag das Spiel für eine Zweitauflage aufgreift und überarbeitet erneut herausbringt. Die Chancen dazu stehen aber eher schlecht, denn das Spiel ist durch die schlecht spielbare Erstauflage so gut wie verbrannt. Aktuell macht es für mich nur Sinn, dieses Spiel auf den Tisch zu bringen, wenn man auch gewillt ist, es in selber Runde mehrmals in schneller Folge zu spielen. Nur dann lohnt sich der Erkläraufwand und die Einarbeitung während der ersten Partie, die man als reine Kennenlernpartie sehen sollte. Bleibt es allerdings bei dieser Kennenlernpartie oder die einzelnen Partien liegen zu weit auseinander oder man hat wechselnde Spielerrunden, finde ich die vom Verlag aufgebauten Hürden, das Spiel spielen zu können, als zu hoch. Andere Verlage und andere Spiele machen es da weitaus besser und zugänglicher, so dass ich solche Art von Spielen eigentlich nicht mehr brauche. So ist Sands of Time zwar nicht als Spiel, aber in der aktuell präsentierten Form, leider überflüssig und eine vertane Chance. Schade um das Spiel selbst, weil unsere Partie habe ich durchaus als spannend, interaktiv und schön konfrontativ erlebt.

    Mal ernsthaft rückblickend auf die Veröffentlichungen von Spielworxx und man sollte wissen, was einen erwarten wird: Ein Ein-Mann-Verlag, der zusammen mit Grafiker und Spielautor eine Spielidee soweit marktreif macht, dass sich die Erstauflage komplett verkauft und das Spiel später von grösseren Verlagen in verbesserte Zweitauflage erscheint. Wie weit verbessert, liegt dann an den jeweiligen Verlagen und welche Philiosphie der Gewinnmaximierung die so fahren.


    Erwartet Ihr hier wirklich Alea oder HiG-Regelqualität? Stattdessen bekommt man eher spezielle Spiele, die einem zusagen können oder auch nicht, die aber alle Optimierungspotential im Regelwerk, Detailgestaltung, Spielübersichten und Symbolik haben. Oder kennt jemand ein Spielworxx-Spiel was in allen aufgezählten Punkten wirklich perfekt war?


    Aber was solls? Es reichte fast immer, um die Erstauflage abzuverkaufen und bei einigen Titeln ebenso, um Verlage zu finden, die eine Zweitauflage produziert haben. Also alles richtig gemacht. Wer mehr verlangt, muss auf eine Zweitauflage hoffen (wie bei Gentes Deluxe) oder selbst nachbessern (mit eigenen Kurzregeln und Übersichten).