Beiträge von yzemaze im Thema „„Wenigspieler“ vs. Regelwerk und Regelverständnis“

    Robustheit halte ich insbesondere dann für wichtig, wenn sich ein Verlag mit seinen Spielen auf SdJ-Niveau und darunter bewegt. Die Regeln müssen für die entsprechende Zielgruppe schlicht und ergreifend leicht verständlich und wenig fehlerträchtig sein, weil das Spiel sonst ruckzuck in der Ecke landet. Eine derart negative Erfahrung motiviert den Kunden sicher nicht dazu, beim nächsten Spielekauf - so dieser denn überhaupt stattfinden wird - noch einmal zur selben Marke zu greifen. Ravensburger scheint in dem Punkt vieles richtig zu machen, denn schließlich kaufen viele Leute nahezu blind Spiele mit dem blauen Dreieck, weil sie schon als Kind damit gute Erfahrungen gemacht haben.

    Je weiter man den Anspruch steigert, desto eher dürfte mangelnde Robustheit verzeihlich sein, da man bei komplexen Spielen mit komplizierten Regeln naturgemäß eine andere Klientel anspricht. Diese ist zum einen deutlich geübter darin, Regeln zu lesen, korrekt zu interpretieren und fehlerfrei umzusetzen, zum anderen fällt - wie oben schon angesprochen - auch eher auf, wenn etwas nicht rund läuft und die folgende Fehlersuche dürfte meist erfolgreich verlaufen.


    Siedlers wahrscheinlich größter Erfolgsfaktor ist die Interaktion. Die soziale Komponente nimmt derart großen Raum ein, dass das Regelkorsett in der Tat in den Hintergrund rücken kann. Meines Erachtens sorgt insbesondere dieser Umstand auch für eine gewisse Robustheit, denn wenn jemand aufgrund eines Regelfehlers Vorteile erlangt, kann er ja so oder so von den anderen entsprechend sabotiert werden ;)

    Dummerweise, je nach Freundschaftsbande und Verständnis und Emotionen der Anwesenden, kann man mit korrektem Anwenden der Regeln und der Hinweise darauf, selbst zum Außenseiter werden... ..."hab' Dich doch nicht so", "das haben wir immer so gemacht", "wir stimmen jetzt darüber ab, wie wir es jetzt machen" - das letzte Zitat führte übrigens überraschenderweise dazu, dass ich als führender Spieler von allen abgestraft wurde und faktisch nicht mehr am Spiel teilnahm.

    Ok, in so einem Fall hätte ich wohl das letzte Mal mit den entsprechenden Leuten in dieser Konstellation gespielt - sofern denn die Sachlage absolut klar wäre und absolut sicher ist, dass ich mich mit der Regelauslegung nicht vertan habe. Wenn z. B. ein Beitrag des Autors bei BGG oder eine FAQ nicht reicht, um jemanden von der korrekten Auslegung zu überzeugen, bin ich echt raus. Ob ich mich als „Regelnazi“ unbeliebt mache, interessiert mich sowieso nicht.

    In oben geschilderter Runde gab’s jedenfalls keine Probleme und schon gar nicht hitzige Diskussionen. F weiß ganz gut, mit meiner oftmals ausgeprägten pedantischen Ader umzugehen (und mich notfalls auch einzubremsen), und M ist kein Muttersprachler und hat sich daher weitestgehend rausgehalten. Beide haben akzeptiert, dass ich über Expertenwissen verfüge. Dass F trotzdem in der Regel nachgelesen hat, lag auch daran, dass ich in manchen Punkten nicht überzeugend genug war. Meine letzte Partie am Tisch hatte ich 2004 gespielt und das Regelheft hatte ich auch länger nicht gelesen. Mit 2k Partien und Turniererfahrung war ich mir zwar bzgl. der Regeln auch in Details sicher, kann aber trotzdem nicht sagen „steht auf Seite x in Absatz y“.

    in keinem Spiel der Welt würde man die Karte, deren Besitz wichtig ist, unter den Stapel mischen

    Von „mischen“ war nicht die Rede ;)

    Es kann auch gut sein, dass ich’s falsch verstanden habe und die Karte auf einen Ablagestapel sollte. Ich habe da nicht weiter nachgehakt. De facto wäre das auch für die meisten Partien egal, denn schließlich werden eher selten alle 25 Ereigniskarten gekauft.


    Ist UNO nicht einfach Mau Mau, das auch immer ein wenig anders gespielt wird (zum Beispiel darf Aussetzen mit eigener Ausetzkarte gekontert werden oder nicht).

    Was genau ist jetzt deine Frage?

    Gibt es bei beiden verdammt viele Varianten durch Hausregeln? Ja klar.

    Ist der Grundstock an Regeln nahezu identisch und UNO eigentlich nur eine Variante von Mau-Mau? Ja klar.

    Nur um mal zu erläutern, was ich oben meinte:

    Die +4 bei UNO darf nur gespielt werden, wenn man die Farbe nicht bedienen kann. Man kann dabei aber auch bluffen. Wer mag, kann das anzweifeln. Als Strafe gäbe es 2 Karten auf die Hand.

    Desweiteren erhält man am Ende jeder Runde Punkte für die restlichen Handkarten der Mitspieler:

    Für +2, Richtungswechsel und Aussetzen je 20 Punkte, für Farbwunsch und +4 je 50 Punkte sowie für alle anderen Karten den Wert. Gespielt wird bis 500. (vgl. offizielles Regelwerk)

    Das ist dann doch irgendwie deutlich anders als jegliche mir bekannte Mau-Mau-Hausregel.

    [...] oft liegt es einfach daran, dass Kleinigkeiten ÜBERlesen werden. Mit Verständnis hat das m. E. wenig zu tun. Diese Leute sind oft im Berufsleben höhere Angestellte und wenn man ihnen die Regel zeigt, sind die durchaus in der Lage, solche Regeln zu verstehen. So wie sie andere, viel komplexere Vorgänge auch begreifen.

    Das trifft jedenfalls auf F zu.


    Allerdings ist auch die Interpretation von Regeln nicht immer leicht, wie das Beispiel der zwei Straßen an meiner Siedlung vorbei zeigte. In der mir vorliegenden Regelversion [©1995, 9/9/01 produziert?] ist es so formuliert: »Eine neue Straße muss immer an einer eigenen Straße, Siedlung oder Stadt angelegt werden.« So stand es iirc auch in der Version, die uns bei dem oben geschilderten Spiel vorlag. Daraus ergab sich dann die Diskussion, ob eine eigene Straße an eine eigene Straße angelegt wird, wenn auf der Kreuzung dazwischen eine fremde Siedlung steht. Bei einem Spiel wie Siedler bekommt der Verlag davon natürlich früher oder später Wind und spätestens bei einer überarbeiteten Neuauflage werden FAQ eingearbeitet. In der aktuellen Regelversion lautet die Passage folgerichtig »Eine Straße darf nur an eine Kreuzung angelegt werden, an die eine eigene Straße, Siedlung oder Stadt grenzt und auf der keine fremde Siedlung oder Stadt steht.«

    Es ließen sich bestimmt ähnliche Beispiele für derartige Regelklarstellungen finden, natürlich auch bei anderen Spielen mit mehreren Auflagen über Jahre hinweg. Insofern hilft auch da nur, bessere Regelwerke zu schreiben und so viele Blindtests wie möglich machen zu lassen, um schon vor Veröffentlichung Problempunkte feststellen und beheben zu können.


    Bzgl. tradierte Regeln:

    Ich habe letztes Jahr mal die Regeln zu UNO gelesen, weil meine Tochter es unbedingt spielen wollte und ich mir bei einigen Punkten natürlich nicht sicher war, wie es tatsächlich gespielt werden sollte. Es war eine Offenbarung. Nimmt man die korrekten Regeln als Maßstab und spielt exakt danach, ist es nämlich mitnichten so grottenschlecht, wie es in den Erinnerungen der meisten Spieler abgespeichert sein dürfte.

    Jup, tradierte Regelwerke sind oft die Wurzel des Übels.

    Ich wollte eigentlich noch erfragen, ob sie das Spiel tatsächlich selbst anhand der Regeln erlernt haben, habe es aber versäumt. U. a. anhand der Ausgabe (von 1998) tippe ich aber auf mindestens damals mal selbst gelesen. Jedenfalls haben sie das Regelwerk in der geschilderten Form schon mehrfach weitergegeben. Das Bewusstsein für die daraus entstehenden Probleme ist aber vorhanden: „Das müssen wir dann beim nächsten Urlaub [bei der Familie] korrigieren.“ fiel auch irgendwann.

    Eine Partie Siedler von Catan gab den Anlass zu diesem Thread. Insbesondere vor dem Hintergrund der Lektüre von These: App kann Regelstudium ersetzen?! möchte ich einfach mal schildern, was alles schief gehen kann - wohlwissend, dass das gerade bei diesem Beispiel für die meisten ein uralter Hut ist.

    Fazit von F: „Ok, es hat uns ja bisher auch immer Spaß gemacht. Aber wenn man es richtig nach den Regeln spielt, ist es ja gar nicht so glückslastig. Dann ist ja schon viel Strategie dabei. Das spielen wir jetzt immer so. Beim nächsten Mal müssen wir das auf jeden Fall wiederholen. Mal sehen, ob wir dich dann schlagen können“ Bingo, das ist die richtige Einstellung :)

    Mein Fazit: Siedler ist komplizierter (und auch komplexer), als viele denken und es gibt einige Details, die das Spiel ziemlich versauen können, wenn sie falsch gespielt werden. So ein Realitätsabgleich hat echt was für sich, weil er die Sinne für solche Problematiken mal wieder schärft, wenn man sonst hauptsächlich mit erfahrenen Spielern unterwegs ist.


    Im Kontext des eingangs erwähnten Threads liegt für mich die Schlussfolgerung aus den gewonnenen Erkenntnissen auf der Hand: Egal auf welchem Wege man es versucht, man wird nie alle erreichen können und es wird immer Menschen geben, die eine Anleitung nicht zu 100 % korrekt umsetzen werden. [Selbst hier unter erfahrenen Spielern gibt’s ja immer wieder Regelfragen.] Dabei ist es mehr oder minder unerheblich, ob sie von einem Menschen, per Papier, App, Video-Tutorial oder sonstwas geliefert wird. Je nach Güte der Umsetzung und Komplexität des Inhalts wird der Grad natürlich deutlich schwanken. Also ändert das Medium auch überhaupt nichts am Ziel, möglichst vielen Empfängern möglichst viel des Regelwerks so zu vermitteln, dass sie möglichst viel Spaß mit dem jeweiligen Spiel haben. Um das zu erreichen gibt es viele Wege: Übersichtlichere Papierregelwerke, bessere Graphiken, eindeutige(re) Piktogramme, Blindtests, gute Apps und Tutorials etc. Wenn sich dabei zeigt, dass z. B. mit (interaktiven) Apps mehr Leute weniger Fehler einbauen als mit herkömmlichen Papierregeln, dann sollten die Verlage genau diesen Weg weiter beschreiten (und natürlich weiterhin gute schriftliche Anleitungen bereit halten). Die diversen Versuche der letzten Jahr(zehnt)e angefangen bei Audio-Anleitungen auf Schallplatte (Kassette, CD etc.) über Prof. Easy und Comic-Anleitungen bis hin zu Video-Tutorials und Apps für Smartphones zeigen ja, dass die Verlage sich genau dieses Knackpunktes sehr bewusst sind und nichts unversucht lassen, um die Regelhürde so niedrig wie möglich zu gestalten. Noch ist die eierlegende Wollmilchsau nicht gefunden.