Frisch aus dem Silvester-Kurzurlaub zurück, da kann ich meine beinahe eingestaubte Tastatur mal wieder bemühen.
Auch für mich hat ein gut balanciertes Spiel nichts mit Punktegleichheit zu tun. Spiele wie #GaiaProject , #EinFestfürOdin oder auch ein #Azul sind für mich gut ausbalanciert. Das bedeutet für mich eben nicht, dass wir am Ende gleichauf liegen aus Siegpunktesicht, sondern dass jeder Spieler die gleichen Ausgangsbedingungen hat, um das Spiel am Ende für mich zu entscheiden.
An den oben erwähnten Spielen kann mand as gut festmachen. Natürlich gibt es auch Spiele, in denen jeder Spieler die gleichen Aktionen in gleicher Anzahl zur Verfügung hat, da erübrigt es sich aber von Haus aus über Disbalance zu disktutieren. Gaia Project bietet verschiedene Rassen, welche jeweils andere stärken aufweisen und sich unterschiedlich spielen. Asymmetrie ist hier das Schlagwort, die Balance wird durch den Spielplan und die rassespezifischen Aktionen/Vorteile erhalten. Es ist demnach wichtig, die eigenen Stärken auszuspielen und die Schwächen geschickt zu vermeiden oder zumindest nur selten eine suboptimale Aktion durchzuführen. Natürlich kann der Spielplan, sofern er zufällig aufgebaut wurde, die eine oder andere Rasse und/oder Strategie begünstigen, jedoch nicht in dem Ausmaß, dass es zum Nachteil eines Spielers oder einer Spielerin ist. Wäre dem der Fall, dann müsste man hier von einem nicht ausbalancierten Spiel sprechen. Finden jedoch alle Rassen für sich passende Ausgangsvoraussetzungen vor (was in einem balancierten Spiel der Fall ist, selbst bei modularem Aufbau des Spilebretts), dann Entscheidet das Können der Spieler. Hier gewinnt nicht autmatisch die Rasse, die mit 3 Minen gestartet ist, sondern die, welche die verfügbaren Aktionen möglichst geschickt verzahnt hat. Im Idealfall hat man hierbei auch die Mitspieler im Blick, kann deren Züge erschweren oder Aktionen komplett verhindern und durch strategisches Platzieren Boni erhalten.
Am Ende einer Partie kann es hier vorkommen, dass ein Spieler abgehängt wurde und weit abgeschlagen auf die höheren Werte der Siegpunktleiste schielt. Wenn dieser Spieler aber merkt, dass er durch eigene Fehler viele Punkte verschenkt hat, womöglich sogar noch versteht, was in diesen fehlerhaften Runden besser hätte sein können, dann ist das Spiel für mich balanciert. Der Verlierer hat sich selbst geschlagen und wurde nicht vom Spiel benachteiligt. Nach dem Ende der Partie tritt ein Lerneffekt ein und bei gleichem Aufbau und gleicher Rasse wird dieser Spieler in der nächsten Partie deutlich weiter vorne liegen. Das fühlt sich dann genauso verdient an wie die Niederlage, auch wenn Siegen am Ende des Tages mehr Spaß macht.
Ein Fest für Odin biete gleiche Voraussetzungen. Jedem Spieler stehen identische Heimatpläne, gleich viele Wikinger und auch die selben Aktionen zur Verfügung. Die Aktionen variieren im Ertrag und können blockiert werden, jedoch gibt es zu jeder Zeit eine ähnlich sinnvolle Alternative. Es gibt einen optimalen Zug, diesen wird man aber nur selten von den Mitspielern geschenkt bekommen. Man muss während der gegnerischen Züge umdisponieren, verliert dadruch aber nicht das Spiel. In diesem Beispiel sind Spieler augenscheinlich erstmal bevorteilt, wenn sie die Startaktion inne haben. Würde der Startspieler nicht wechseln, dann könnte man von einem nicht ausbalancierten Spiel sprechen. Der Startspieler wird aber druch das Setzen der Wikinger bestimmt. Derjenige, der zuletzt setzt, ist im nächsten Halbjahr Startspieler. Es gilt also abzuwägen, welche Aktionen ich mit wie vielen Arbeitern zu welchem Ertrag nutze und ob ich möglichst schnell alle optimalen Felder besetzen möchte oder mir die Position des Startspielers wichtig ist. Ein Fest für Odin entscheidet sich über effizientes Nutzen der Aktionen, aber vorallem durch geschicktes Bepuzzeln des Heimatplanes. Hier gibt es unterschiedliche, valide Herangehensweisen und die Balance des Spiels ruht darin, dass der/die Spieler trotz unterschiedlicher Aktionsverfügbarkeit und -auswahl am Ende gewinnen können. So kann auch der Dauervierte gewinnen, auch wenn er logisch betrachtet aufgrund seiner späten Aktion die geringste Chance auf einen Sieg des Spiels hat.
Azul ist schon durch seinen Puzzleaspekt dem Fest für Odin ähnlicher als dem Gaia Project. Das Spielerbrett ist auch hier identisch, ob in der Grund- oder Fortgeschrittenenvariante. Aufgeführt habe ich es aber deshalb, da für mich nicht nur großen und langwierigen Spiele diese Balance innewohnt. Mittlerweile dürften die meisten von Azul gehört haben und wissen, dass es ein regeltechnisch einfaches und sehr kurzweiliges Spiel ist. Der Startspieler kann auch hier mit der ersten Aktion eine für ihn möglichst ideale Fabrik/Scheibe wählen und ist dadurch im Vorteil. Startspieler zu sein ist prinzipiell etwas Gutes, jedoch ist Startspieler sein auch immer mit einem Minuspunkt in der vorausgegangenen Runde verbunden. Dadurch wird der Vorteil etwas abgeschwächt und man nimmt in seinem Zug nicht selbstverständlich den oder die ersten Steine aus der Mitte, sondern nur dann, wenn es für einen auch Sinn macht. In den Runden nach der Aktion des Startspielers kann es dann dazu kommen, dass genau diese erste Aktion zum Nachteil wird. Mitspieler schnappen passende Teile weg, verhindern die Wertung am Ende der Runde oder verursachen sogar die Aufnahme von Minuspunkten. Azul ist sehr gut balanciert und trotzdem gab es bei uns teils extreme Wertungsdifferenzen von 40 Punkten und mehr. Auch hier geht es darum, die verfügbaren Optionen abzuwägen und die zu dem Zeitpunkt beste Wahl zu treffen, ohne dabei die restlichen Teile oder mögliche Aktionen der Mitspieler aus den Augen zu verlieren.
Balancierte Brettspiele belohnen gute Spieler, führen zu Wertungsdifferenzen und lassen durch diese die eigenen Fehler erkennbar werden. Ein Spiel weist dann ähnliche Punktstände auf, wenn sich Spieler auf Augenhöhe begegnen, sie sich auf das Spiel und mögliche Assymetrien einlassen und im Rahmen ihrer Aktionsmöglichkeiten das Optimum zu erreichen versuchen. Genau dann sind Brettspiele auch befriedigend, denn ich weiß, wieso ich am Ende stehe wo ich stehe.
Waten Spiele mit einem Catch-Up-Mechanismus auf und sind deshalb alle Spieler im gleichen Siegpunktesegment vertreten, dann ist das Spiel für mich nicht ausbalanciert, sondern höchst unmotivierend. Im Zweifelsfall denke ich, dass ich eine gute Partie gespielt habe, jedoch habe ich nur aufgrund eines nicht ausbalancierten Spiels gewonnen. In diesem Fall werde ich mich nicht verbessern und auf kurze oder mittlere Sicht den Spaß am Spiel, im schlechtesten Fall am Spielen selbst verlieren. Wenn eine Person, die ein Spiel kennt und dessen Aktionen optimal verzahnt, am Ende gegen einen blutigen Anfänger verliert, der nicht wusste was er macht und vielleicht mehr darauf bedacht war, dass er die Chipstüte leert und deren Inhaltsstoffe studiert, dann ist das ein extremst unbefriedigendes Gefühl.
Ausbalancierte Spiele geben den Spielern nicht immer die selben Werkzeuge in die Hand, aber sie wahren die Chancengleichheit. Die Siegpunkte sind am Ende der Verdienst für eine gute oder schlechte Partie und können dementsprechen (stark) variieren. Bei einem ausbalancierten Spiel ist eine Niederlage lehrreich und befriedigend.
Zum Abschluss möchte ich noch etwas aus meiner Sicht wichtiges sagen: Gewinnen ist schön, aber nicht alles. Natürlich ist es befriedigend, wenn man auf der Siegpunktleiste immer weiter nach vorne rutscht, aber manchmal kann man auch in der Niederlage zufrieden sein und sich über das Spiel freuen. Da macht es dann auch keinen Unterschied ob ich mit 5 oder 20 Punkten verliere. Es ist sogar so, dass ich bei einer knappen Niederlage enttäuscher bin als bei einer herben Klatsche. Balancierte Spiele fördern das glaube ich, da ich meines eigenen Glückes Schmied bin. Doch selbst bei ausbalancierten Spielen kann es mal dazu kommen, dass man sich aufgrund einer extrem unwahrscheinlichen Konstellation benachteiligt fühlt oder dies sogar ist, aber ist das dann nicht gerade auch die Herausforderung noch mehr um den Sieg zu kämpfen?