Beiträge von ringo84 im Thema „Wie wichtig ist Euch das thematische Gewand eines Spiels?“

    Weil gerade zwei Beispiele angesprochen wurden, die in meinen Augen komplett gegensätzlich Thema umsetzen:


    Bei Food Chain Magnate macht sehr vieles, was man im Spiel macht, richtig Sinn, wenn man sich als Leiter einer Restaurant Kette sieht. Ich mache Werbung, das bringt Kunden. Ich brauche Personal, um Gerichte her zustellen. Ich konkurriere mit den Mitspielern durch Attraktivität approximiert über Lage und Preis, aber auch nur wenn Nachfrage erfüllt ist. Zur Simulation fehlen natürlich noch einige Dinge, wie dass nur Gehälter Geld kosten oder das Werbung unabhängig von meiner Marke ist, aber die vorhandenen Mechanismen setzen einfach vieles thematisch sehr gut um.


    In Kanban hingegen macht für mich fast gar nichts Sinn. Wer bin ich eigentlich? Ein Arbeiter, ein Manager, ein Ingenieur? Erst irgendwelche Pläne besorgen, dann in einem minispiel Autoteile. Produktion der Autos ist dann ein anderes Minispiel mit einer abstrakten Begrenzung, welche Teile verwendet werden dürfen (nicht was vorher verwendet wurde, aber zuerst das was im Modell weiter entwickelt wurde). Dann rutschen erstmal andere Autos auf die Teststrecke, wo ich sie testen kann um sie in meine Garage zu stellen. Höhepunkt sind dann die abstrakten Meetings, in denen man anscheinend abstimmt, was denn das Unternehmen eigentlich will und von seinen Mitarbeitern verlangt. Dazu noch überall abstrakte Expertise Leisten, die weniger Mittel zum Zweck als vielmehr selbst Punkte Lieferant sind. Naja, das ist alles so crazy, da hätte eigentlich Willy Wonkas Schokoladen Fabrik als Thema besser gepasst und jeder spielt eine Gruppe Umpalumpas.


    Ich lasse mich gerne korrigieren, das so Auto Produktion abläuft, aber ich kann mir das wirklich nicht vorstellen. Wem es reicht, dass Grafik ein Thema umsetzt und jede Aktion irgendwas darstellen soll, was zu dem Thema passt, der findet das thematisch. Bei komplexen Spielen benötige ich aber deutlich mehr Verzahnung zwischen den Mechanismen und was sie darstellen sollen.

    Was mir zum Thema noch einfällt: ein schlecht aufgesetztes Thema finde ich noch schlechter als gar kein Thema. Wenn das Thema schon schwach ausgeprägt ist, dann muss es wenigsten halbwegs passen. Null Thema oder schwaches Thema ist bei mir absolut neutral. Genug andere Stärken und das Spiel kann trotzdem super sein. Aber es gibt tatsächlich Spiele, die holen bei mir im Bereich Thema sogar Minuspunkte, auch wenn's schwer ist. Beispiele:

    • Die Paläste von Carrara (Kramer+Kiesling / HiG): Meiner Meinung nach ein ziemlich unterschätztes Spiel. Toller Grundmechanismus und enormer Wiederspielwert (mit den Expertenregeln) ... aber warum zur Hölle muss man bei einem eh schon enorm aufgesetzten Thema sowas ausgelutschtes und generisches wie Häuserbauen in der Toskana der Renaissance nehmen, wenn es thematisch hinten und vorne nicht passen will. Schwarze, rote, blaue, grüne, weiße, gelbe Marmorsteine verbauen? Häh?

    Im Vergleich dazu macht dann so ein komplett aufgesetztes Null-Thema bei Heaven & Ale zumindest mal nichts falsch.

    Ich habe jetzt nicht so ganz verstanden, weshalb Bierbrauen jetzt ein in den Hintergrund tretendes Nullthema ist und Bauen in der Toskana wiederum dir das Spiel Gefühl versaut.


    Naja, ich kenne es ja auch von mir, dass man sich das manchmal nicht erklären kann, weshalb einen dad Thema packt oder nicht. Beispielsweise finde ich das kooperative Herr der Ringe von Knizia sehr thematisch. Klar, die Mechanismen sind eher abstrakt, aber das Gefühl, dass man zusammen arbeiten muss, oder wie einem Gandalf aus der Patsche hilft oder man sich mit den letzten Karten durch Mordor schleppt, finde ich unglaublich packend.

    Ich kann sehr gut mit abstrakten Spielen leben, so wie aktuell #Azul oder #Photosynthesis oder alte Spiele von Leo Colovini und viele Kartenspiele. Da reicht es mir, dass das Thema zur Illustration dient und gut ist. Falls dem ein oder anderen Mechanismus damit noch ein Namen gegeben werden kann, ist auch prima. Ich würde aber sagen, dass soclh abstrakte Spiele von den Mechaniken nicht zu komplex sein sollten (also nicht Unmengen von Regeln, die sich durch fehlende thematische Brücken nicht gut merken lassen).


    Ich mag aber auch ganz gern Thema und dass man eine Person oder Vereinigung repräsentiert, die ein konkretes Ziel hat (was durchaus durch Siegpunkte abstrahiert ist). Dann sollten aber auch ein großteil der Mechaniken in diesem Thema Sinn machen wie zum Beispiel das Anpflanzen oder die Tiervermehrung in Agricola. Wenn Zugreihenfolgemechanismen oder irgendwie Zufall durch Kartenstapel oder Würfel thematisch nicht ganz begründet sind, ist das auch kein Problem. Wenn die Mechanismen für mich richtig Sinn machen, dann finde ich die Spiele auch bei reduzierter Illustration ziemlich thematisch. Splotter Spiele sind da ein gutes Beispiel, allen voran The Great Zimbabwe (ich finde das Spieziel und die dazu aufgebaute Ökonomie einfach logisch und damit thematisch).


    Problematisch finde ich aber alle Spiele dazwischen, die einiges an Regeln haben und ein Thema was eher nur zur Illustration dient. Dann hat irgendein Mechanismus einen bestimmten Namen, aber ich sehe überhaupt keine Verbindung zur "echten Welt" und finde die Abstraktion völlig unnachvollziehbar. Manchmal ist die Mechanik trotzdem gut genug, dass man es gerne spielt, manchmal ödet mich das Spiel dann nur noch an. Ich bin nicht der größten Fan von Stefan Feld Spielen, da bei denen (für mich) sehr häufig der zentrale Mechanismus schon komplett keinen Sinn ergibt und Komplexitätsgrad zu hoch ist um das Spiel als abstrakt anzusehen, wie beispielsweise Trajan mit dem zentralen Mankala-Mechanismus und darum drum herum eine Ansammlung von Minispielen.