Beiträge von MetalPirate im Thema „Wie wichtig ist Euch das thematische Gewand eines Spiels?“

    Du sagst, das Thema muss Deine Handlungen "einkleiden", ihnen einen Sinn geben. Das stimmt natürlich, geht bei mir aber viel weiter - im Sinne des oft beschriebenen "Erlebens".

    Ich glaube, da hast du quasi nebenbei einen sehr wesentlichen Punkt herausgearbeitet, wie unterschiedlich "Thema" von den Eurospielern auf der einen Seite und den Ameritrash-Spielern auf der anderen Seite verstanden wird. Sinngebende Einbindung vs. Hauptsache Erlebnis. In beiden Fällen muss man auf die Frage des Threadstarters "ja, klar, Thema ist wichtig!" antworten ... und doch meint man ganz andere Sachen damit.

    Bei einigen Spielen geht sogar thematisches völlig verloren, weil es nicht richtig gestützt wird.

    Zum Beispiel bei Village. Da haben die farbigen Würfel theoretisch sogar Bedeutungen... Ich meine, braune Würfel sind Glaube, und dann gibt es noch Wissen, Handwerk, usw... Nur ist diese Bedeutung nicht wirklich präsent und letztlich sammelt man nur farbige Würfel.

    Volle Zustimmung. Bei sowas haben dann Autor/Verlag zwei Möglichkeiten: thematischen Bezug stärken oder komplett weglassen, wie bei Dilluvia Project, wo die farbigen Würfelchen noch nicht mal irgendeine drangeklebte thematische Bedeutung haben. Sind einfach weiße Würfel, wofür das steht, soll einen nicht interessieren. Das kommt dann denjenigen entgegen, die eh kein Thema wissen wollen ( Baseliner nannte oben 60%; das halte ich für meine Mitspieler für deutlich zu hoch, aber ja, solche Leute kenne ich auch), aber bei mir gibt's dafür dann Minuspunkte. Will ich nicht.

    ringo84 : Bei Heaven & Ale ist das Thema noch halbwegs unverbraucht und mit ein bisschen Phantasie kann man es sich noch passend hinbasteln. Man braucht verschiedene Zutaten, die muss man anbauen, und am Ende entscheiden Güte des Braumeisters und Menge der Zutaten. Okay. Bei Paläste von Carrara passen für mich Raddrehen, Steinekauf und Bauen für mich weniger zusammen, die verschiedenen Gebäudetypen haben thematisch keinerlei Relevanz, die Wertung hat nichts mit dem Thema zu tun (mal Geld, mal Ruhm, im Wechsel je nach geforderter Mindestfarbe der Bausteine?!) und selbst wenn man sich auch das noch passend hinbastelt, bleibt zusätzlich noch das ausgelutschtere Thema, das null Aufforderungscharakter hat. Nicht mißverstehen: ich halte Carrara für ein sehr gutes Spiel, aber mit ein paar kleinen oberflächlichen Änderungen (und etwas mehr Glück, z.B. nicht nur einem einzigen, viel zu kleinen englischsprachigen print run) hätte das noch deutlich erfolgreicher sein können.

    Was mir zum Thema noch einfällt: ein schlecht aufgesetztes Thema finde ich noch schlechter als gar kein Thema. Wenn das Thema schon schwach ausgeprägt ist, dann muss es wenigsten halbwegs passen. Null Thema oder schwaches Thema ist bei mir absolut neutral. Genug andere Stärken und das Spiel kann trotzdem super sein. Aber es gibt tatsächlich Spiele, die holen bei mir im Bereich Thema sogar Minuspunkte, auch wenn's schwer ist. Beispiele:

    • Die Paläste von Carrara (Kramer+Kiesling / HiG): Meiner Meinung nach ein ziemlich unterschätztes Spiel. Toller Grundmechanismus und enormer Wiederspielwert (mit den Expertenregeln) ... aber warum zur Hölle muss man bei einem eh schon enorm aufgesetzten Thema sowas ausgelutschtes und generisches wie Häuserbauen in der Toskana der Renaissance nehmen, wenn es thematisch hinten und vorne nicht passen will. Schwarze, rote, blaue, grüne, weiße, gelbe Marmorsteine verbauen? Häh?!
    • Steam Time (Dorn / Kosmos): Auch ein sehr schönes Spiel, schöner Mechanismus, skaliert auch toll auf unterschiedliche Spielerzahlen ... und dann ist da so ein dämlicher Steampunk-Krempel mit irgendwelchen komischen Raumschiffen und wilden Zeitreisen drangebaut. Passt nicht, war aber zur Entwicklungzeit gerade zufällig der angesagteste heiße Scheiß, deshalb dem Ganzen übergestülpt. Neee...
    • Crusaders (Jaffee / TMG): Das, was sich der gewöhnliche Ami unter Kreuzzügen so vorstellt, dabei mit null Interesse, das Ganze wenigstens halbwegs historisch korrekt zu machen, selbst wenn's leicht möglich gewesen wäre. Dass Kreuzritterorder diverser Jahrhunderte zusammengeschmissen werden: okay, geschenkt, künstlerische Freiheit. Aber dass auf einer Europakarte gespielt wird, die am Anfang der heutigen Türkei endet, also nicht mal Jerusalem drauf, tut mir leid, das geht einfach nicht, egal wie lose man Thema Kreuzzüge sieht. Nicht wenn die Karte eh kaum mehr als Hintergrund ist. Dann muss wenigstens das passen.

    Im Vergleich dazu macht dann so ein komplett aufgesetztes Null-Thema bei Heaven & Ale zumindest mal nichts falsch.

    Thema ist wichtig, aber nicht alles. Gewisse Schwächen, thematisch oder anderswo, verzeihe ich locker; es dürfen halt nicht zuviele sein. Ich schaue schon mehr auf die Stärken als auf einzelne Schwächen. Wenn aber ein Thema gar nicht vorhanden ist (abstrakte Spiele) oder nur dünn aufgepinselt ist, dann muss eben der gesamte Rest am Spiel stimmen. Sonst wird man immer ein anderes, besseres Spiel aus dem Regal holen.


    Außerdem spiele ich gerne auch mal komplexere Euro-Spiele. Sachen mit hohem "weight" auf BGG. Solche Sachen brauchen meiner Meinung nach auch zwingend ein gewissen Maß an Thema, denn ohne thematische Motivation kann bzw. will man sich gar nicht die dafür notwendige Regelmenge merken, und vernünftig erklären geht dann ohne Thema schon mal gar nicht.