Ist der Gemischtwarenmarkt zu stark?
Eigentlich mag ich keine Diskussionen über vermeintlich übermächtige Strategien und die damit mitschwingende Unterstellung, dass die Autoren oder Redakteure das Spiel nicht ausreichend getestet haben, um es wirklich auszubalancieren. Eben weil laut meiner Erfahrung meist eine Art Gruppendenke einsetzt, bei der bestimmte Aktionsfolgen bevorzugt werden und deshalb übermächtig wirken.
In den Anmerkungen der Spielanleitung heisst es: "Geld generiert ihr vor allem über Märkte, die ihr in eure Provinz baut und später wiederholt nutzen könnt." Klingt logisch. Wenn ich mir die Marktaktionen anschaue, dann gibt es den Gemischtwarenmarkt und den "Waren einer Sorte"-Markt.
Der Eine-Sorte-Markt hat mehr Potential, Geld abzuwerfen, weil ich bis zu 6 gleiche Märkte in meiner Provinz ausliegen haben kann und dann im Extremfall 6x3 = 18 Geld kassiere. Bis dahin ist das allerdings ein weiter Weg. Eher wird man diese Marktart bei 2-3-4 gleichen Märkten in seiner Provinz nutzen und dann 4 bis 12 Geld bekommen können. Das Ganze hat aber zwei Nachteile. Erstens muss man sich auf eine bestimmte Marktsorte festlegen und minimiert damit für sich die Auswahl an Provinzplättchen, die man bauen möchte. Zumal die Würfelfarbe und die Wegstrecke auch noch passen sollte. Zweitens benötigt man nicht nur einen Arbeiter, sondern auch noch einen Würfel mit entsprechend hoher Augenzahl für die Marktwertung.
Der Gemischtwarenmarkt kann hingegen nur maximal 9 Geld abwerfen, sofern man es vorab schafft, 3 verschiedene 3er-Märkte zu bauen. Es gibt allerdings auch Provinzplättchen, die 2x 2er-Märkte zeigen und mit denen braucht man nur 2 Bauaktionen, um in Kombination mit einem einzelnen 3er-Markt-Plättchen über diesen Gemischtwarenmarkt mal eben 2+2+3 = 7 Geld zu bekommen. Dazu braucht es keinen Würfel, sondern nur einen Arbeiter. Da man die Würfel u.a. für Bauaktionen braucht, kann man so schnell und effektiv an Geld kommen. Einfacher als über den Eine-Sorte-Markt. Dazu hat dieser Markt im Laufe des Spiels das Potential, dann doch 8 oder sogar 9 Geld abzuwerfen, wenn man später noch 3er-Märkte baut.
Es gibt im Spiel nur zwei Arten von Einsetzfeldern, die keine Würfel benötigen: Terasssen, bei denen man mit einem Arbeiter einen Würfel bekommt. Und dann eben der Gemischtwarenmarkt, der bis zu 9 Geld abwirft. Die Terassen sehe ich als Notfallfeld an, weil immer wenn man mit einer Aktion nur einen Würfel bekommen kann, gibt es potentiell immer bessere Aktionen, bei denen man Würfel und noch anderes Zeugs bekommen könnte. Nur einen einzigen Würfel zu bekommen, empfinde ich als Tempoverlust bei einem Spiel, das ein Wettrennen und Geld und Ruhmespunkte ist.
Warum also benötigt der Gemischtwarenmarkt keinen Würfel? Und warum sollte man in seiner Spielweise nicht auf diesen Markt setzen?
In meinen bisher (nur) vier Partien in vier unterschiedlichen Spielrunden mit mir als einzige Konstante war in drei Fällen der Spieler erfolgreich, der auch auf diesen Gemischtwarenmarkt gesetzt hatte, um damit schnell und einfach Geld zu kassieren. Das waren alles Partien mit den Basisregeln ohne die offiziellen Varianten. Von der Stärke der Gemischtwarenmärkte erzählten zudem alle (!) Mitspieler, die das Spiel schon mehrfach gespielt hatten. Somit scheint es eine einfach zu spielende Strategie zu sein, auf Gemischtwarenmärkte zu setzen, damit Geld zu generieren, schnell den vierten Arbeiter freizuschalten und dann über den Fluss und/oder aufgewertete Gebäude seine Ruhmespunkte zu machen, so dass sich die beiden Marker auf der linken Spielplanseite treffen. Man also 2/3 der Strecke über Geld und 1/3 der Strecke über Ruhmespunkte macht. Da Geld aber 2 Schritte im Vergleich zu Ruhm benötigen, ist das eher ein 4:1 Verhältnis Geld zu Ruhmespunkte.
In der letzten Partie versuchte ein Mitspieler eine reine Baustrategie über schnell aufgewertete Gebäude, um fast nur Ruhmespunkte zu sammeln und mit seinem Geldmarker auf der rechten Spielplanseite zu verbleiben, um gerade eben den Arbeiter dort abzugreifen. Das sah anfangs wie ein Start-Ziel-Sieg aus, auch weil er zunächst genau die Art an Gebäuden aufwertete, die kein anderer Mitspieler haben wollte, so dass dort die Konkurrenz minimal war. Weil mal eben 2x 4 = 8 Ruhmenpunkte zu sammeln über Gebäudebau, das war schon heftig. Allerdings brauchten diese Provinzplätten viele und zudem hohe Würfel, so dass er ständig ein Nachschubproblem an Würfel hatte, was ihn schliesslich ausbremste. Umso mehr, als Mitspieler dann auch seine Gebäudeart bauten und nicht immer seine bevorzugten Gebäudetypen auslagen.
Ich konnte ihn mit meiner gemischten Stratgie aus Gemischtwarenmarkt für Geld, Fluss für Ruhmespunkte und Sonderträge auf meinen Provinzrändern um einen Punkt schlagen, in dem ich das Spiel beenden konnte und er als nachziehender Spieler zwar ebenfalls seine Marker begegnen lassen konnte, aber eben um einen Punkt weniger überkreuzt. In meiner Mischstrategie habe ich gezielt anders als meine Mitspieler gespielt, um immer wenn möglich Geld einzusparen. Wenn andere zunächst gebaut haben, habe ich eben lieber kostenlos den Fluss genutzt. Zudem immer nur Aktionen gewählt, bei denen ich kurzfristig wieder Würfel bekommen konnte als Nebeneffekt. So muss ich nur ein einziges Mal ein Würfel gegen zwei Würfel tauschen - notgedrungen, um ein bestimmtes Gebäude bauen zu können. Zudem jede Runde den Gemischtwarenmarkt genutzt, nachdem ich zwei Märkte und meinen vierten Arbeiter zusammenhatte.
Wie sind da Eure Erfahrungen? Eventuell direkt auf die Expertenvariante ausweichen oder vorschnell eine Hausregel einführen, dass der Gemischtwarenmarkt zwar keinen Würfel, aber Würfelaugen in der Höhe der genutzten Märkte (1-2-3) verbraucht. So dass man bei voller Nutzung mindestens einen 4er-Würfel auf einen 1er-Würfel herunterdrehen müsste. Eventuell wird dieses Einsetzfeld dann auch noch umkämpfter, weil man damit (dann als einziges) die Augenzahl eines Würfels verändern kann, was in Kombination mit Karma einen enorm flexibel macht.
So oder so weiterhin ein für mich faszinierendes Spiel. Habe nur ein wenig die Befürchtung, dass das Railroad Revolution Syndrom einsetzt, bei dem eine Strategie so einfach und robust zu spielen ist, dass diese meist zum Spielsieg führt. Und somit das Spielgeschehen auf diese eine Strategie verflacht.