Beiträge von MetalPirate im Thema „Sind Verzögerungen bei Crowdfunding-Kampagnen normal?“

    Es ist ja auch die Frage, wie das kommuniziert wird. Bei Roxley wird in jedem Update immer der komplette Projektzeitplan mit Terminen, Zeitpunkten und Prozent-Erledigt-Angaben mitgeliefert. Da denkt man sich: macht mal, passt schon, ihr habt das schon im Griff. Selbst wenn dann ziemlich offensichtlich Zeit mit dem Design von Pokerchips verdaddelt wurde, sorgt das für kaum mehr als ein paar hochgezogene Augenbrauen bei denen, die eigentlich gar kein Interesse an den Pokerchips Add-Ons haben.


    Das Gegenteil sind Projekte, wo es zwei Monate kein Update gibt, im Comments-Bereich gibt's immer mehr Nachfragen, ein Projekt-Mitarbeiter schreibt bei den Kommentaren irgendwann sinngemäß "wenn alles gut geht, halten wir den Termin" oder "wir versuchen das noch zu schaffen" (man beachte das "versuchen"!) -- und zwei Wochen später kommt dann das nächste Projektupdate, wo es heißt, dass sich das Projekt um drei Monate verzögert. Das sind dann die Macher, die es schwer haben, von mir nochmal Geld im voraus zu bekommen, wenn sie ihr nächstes Projekt starten.

    Einige etablierte Firmen aus dem Crowdfundingsektor mit mindestens 5+ früheren Projekten, teils deutlich mehr, waren mit ihren Lieferungen immer oder zumindest fast immer pünktlich. Neben den bereits oben genannten Red Raven Games müsste man z.B. auch Stonemaier Games nennen. Unerwartete Probleme mit Streiks, Zoll, Bränden Im Lagerhaus und ähnlichem sind natürlich immer möglich, aber es ist anscheinend doch irgendwie möglich, im Normalfall pünktlich zu sein. Es ist möglich, keine unnötigen Risiken einzugehen (Musterbeispiel: völlig ungetestete spontan entstandene Stretch Goals), die unvermeidlichen Risiken vernünftig abzuschätzen und bei Zeitpuffern zu berücksichtigen, zusätzliche Absicherungen in der Planung drin zu haben (Pre-Production-Copy anfordern und auch wirklich richtig gründlich prüfen) und vieles mehr.


    Dass viele Crowdfunding-Macher eher schlampig arbeiten und mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre selbst gesteckten Ziele reißen, immer und immer wieder, das liegt eben auch daran, dass sie nicht gründlicher arbeiten wollen, weil sie denken, dass es so ja auch ausreichend wäre. Und an dieser Stelle stört es mich dann manchmal massiv, wenn allzu viel Verständnis von Backer-Seite geäußert wird. "Och, alles kein Problem, drei Monate drüber ist doch völlig normal." Nee, eben nicht! Normal ist, dass man eine Planung so macht, dass sie im Normalfall auch funktioniert. Wenn nicht, sollte man gute Gründe vorbringen können, warum es nicht geklappt hat, und außerdem plausibel darlegen, dass man innerhalb der eigenen Möglichkeiten alles versucht hat, die alten eigenen Versprechungen an die Backer bzgl. Liefertermin zu halten.


    Ich bin nicht naiv und weiß auch, dass am Ende des Tages ein gewisser Anteil der Kampagnen 1-3 Monate zu spät kommen wird. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass nicht als "normal" zu akzeptieren oder gar schön zu reden, wie manche Backer, die die Macher dann dafür loben nur drei Monate Verzögerung verursacht zu haben, im Vergleich zu irgendwelchen anderen Projekten, die ein Jahr später waren. Arghhh! Ein "andere sind noch schlechter" ist grundsätzlich immer eine verdammt schlechte Rechtfertigung für Fehler, aber beim Lesen so mancher Backer-Kommentare platzt mir da echt der Kragen! Eine ordentliche Projektplanung mit Einhaltung des Liefertermins kann und sollte man genauso erwarten wie ordentliche Spielregeln oder vernünftige Kommunikation mit den Backern während des Projekts. Crowdfunding ist Vertrauenssache, und wenn diese Erwartungshaltung nicht erfüllt wird, dann kriegt der Macher von mir auch kein Geld mehr für seine nächste Kampagne, so einfach ist das. Wir Backer sollen schließlich neun Monate oder mehr im Vorraus viel Geld für unbekannte Spiele zahlen. Dafür dürfen wir auch etwas erwarten.

    Über den gesamten Brettspielsektor und alle Crowdfunding-Macher gemittelt, muss man Verzögerungen wohl normal nennen. Bei den von mir unterstützten Projekten war dagegen fast alles pünktlich. Wenn man darauf achtet, wie planvoll der Macher seine Kampagne organisiert hat, wie sehr ein "ich fühle mich meinen Backern verpflichtet" durchkommt und wie frühere Projekte des gleichen Machers gelaufen sind, dann kann man das Risiko für größere Verzögerungen (oder Schlimmeres) ganz deutlich senken. Positives Beispiel: Red Raven Games. Zwei mal pünktlich, alles andere zu früh, nie zu spät (bezogen auf sämtliche Kampagnen von denen, nicht nur die von mir unterstützten). Im Schnitt einen Monat früher geliefert. Da unterstützt man dann natürlich gerne wieder eine neue Kampagne.