Beiträge von Thazdingo im Thema „Ich sehe rot, ich sehe grau...“

    Ich bezog mich auf die Boardgamegeek-Bewertungen. Das sind immerhin 18.000 Bewertungen (beispielhaft bei Pandemic Legacy), wenn überhaupt irgendwas die weltweite Meinung abbildet, dann ja wohl dieses Ranking.

    Also von den Leuten, die ich in meinem Umfeld als Kenner- oder gar Vielspieler bezeichnen würde, haben über 90% noch nie etwas von BGG gehört. Das ist natürlich nur meine persönliche Erfahrung, zeigt aber dass so eine Plattform nicht automatisch die durchschnittliche Meinung einer Zielgruppe abbildet. Und weltweit schon gar nicht - US-Amerikaner sind doch auf BGG mit Abstand am stärksten vertreten, oder?


    Edit: @Klaus_Knechtskern war schneller :P

    Ist das verbürgt? Ich hätte größte Probleme, meinen Gegenheitsspielern 300 Titel im Jahr vorzulegen und mit ihnen eingehend zu testen. Ich halte das für absurd. Meiner Erfahrung nach kann man Gelegenheitsspieler nicht in der Form belasten. Für mich grenzt das an ein logistisches Wunder.Mich beschleicht ja der Verdacht, dass auch diese Auszeichnung eine Empfehlung von Experten, getestet von Experten für Halbinteressierte ist.

    Tom Felber hat das etwas genauer in einem Artikel erläutert:


    "Zur Planung meiner Spielabende habe ich ein System meines Journalisten-Kollegen Christian Egg übernommen. Jeden Monat lasse ich ein E-mail mit Datumsvorschlägen für Spielabende raus in die weite Zürcher Welt. Aufgrund dieser E-mails können sich die Leute dann bei mir anmelden. Die Liste der Adressaten umfasst gegenwärtig etwa 200 Individuen: vom nimmersatten Spielefreak, der täglich vor dem Frühstück drei Partien SANKT PETERSBURG in der Brettspielwelt absolviert, bis zur flüchtigen Bekannten, deren Spiele-Wissen nicht über MONOPOLY und DIE SIEDLER VON CATAN hinaus reicht und die sich vielleicht – wenn überhaupt – einmal im Jahr meldet.
    [...] Bei der Zusammenstellung der Spielgruppen achte ich besonders auf die Durchmischung. Es ist mir wichtig, die Spiele immer wieder in anderen Gruppenzusammensetzungen auszuprobieren. Oft lade ich Leute ein, die einander gar nicht kennen und sich noch nie gesehen haben. Zusätzlich spiele ich auch, wenn es meine Zeit erlaubt, möglichst oft an öffentlichen Spiele-Veranstaltungen oder in einem der zahlreichen Zürcher Spieletreffs oder -clubs."


    Eine logistische Herausforderung ist das allemal. Ob es ein Wunder ist darfst du beurteilen.


    Die Spiele, die für die Empfehlungslisten überhaupt in Frage kommen werden mindestens 10 bis 20 mal gespielt. Ich bin mir sicher, dass sie darauf achten das Spiel in den Mimimum 10 bis 20 Partien nicht nur mit Experten gespielt zu haben.

    Gerade die Unabhängigkeit ist ein Kernaspekt des Spiel des Jahres Vereins. Kein anderer Verein bemüht sich so sehr um Unabhängigkeit und Vertrauen in der Spielebranche und kein anderer Preis zieht das so konsequent durch wie das Spiel des Jahres. Und genau deshalb hat das Spiel des Jahres meiner Meinung nach auch das Vertrauen und die Reichweite die es heute hat.


    Unter dieser Präsmisse wurde das Spiel des Jahres ja schon gegründet und das ist - meiner Meinung nach - bis heute einer der zentralsten Punkte. Auch bei der Auswahl neuer potentieller Jurymitglieder.


    Und damit überhaupt keine Fragen aufkommen arbeiten alle Jurymitglieder des Spiel des Jahres auch noch ehrenamtlich. Jeder einzelne organisiert Spieleabend um Spieleabend, muss immer neue Mitspieler/Tester suchen, über 300 Spiele pro Jahr spielen - selbst die schlechten mehrmals -, jedes einzelne Spiel wird "bis zum Erbrechen" getestet und sie stecken hunderte von Stunden an Arbeit rein, nur um ehrenamtlich als Jury tätig sein zu dürfen...


    Und das alles um die Unabhängigkeit und damit das Vertrauen in den Preis zu gewährleisten. Ich wüsste nicht, wie man einen Preis unabhängiger gestalten könnte.

    Zur Info: Auf meine persönliche Anfrage an Kosmos, aufgrund meiner Bedenken, habe ich eine ebenso konkrete wie ausführliche Antwort erhalten, die mir klar macht, dass sich Kosmos (entgegen meiner ersten Annahme) eben doch erhebliche Gedanken um den Wegwerf-Faktor der EXIT-Spiele gemacht hat und sich Zeit nimmt, fernab von PR-Bla-Bla zu informieren.

    Super, vielen Dank für die Anfrage! Es freut mich, dass man sich Gedanken darüber gemacht hat - denn genau das ist denke ich der wichtige Punkt: das Bewusstsein dafür.


    Und das heisst eben für mich nicht, dass man sich überlegt ob es nicht noch grössere "Umweltsünden" gibt, egal ob im Brettspielbereich oder sonst im Privatleben. Da werden dann gerne Kaffeekapseln o.ä. angeführt. Interessanterweise gibt es aber in Kaffeeforen zur Umweltdiskussion von Kaffeekapseln von Nespresso ähnliche Argumente á la: "die ganze Diskussion hier ist albern, wenn man sich die echten Hebel in Sachen Ökobilanz ansieht."
    Ohnehin verstehe ich das Argument "wenn du Umweltaspekt A nicht hinterfragst, dann ist es auch nur Heuchelei Umweltaspekt B zu hinterfragen" nicht. Wer ist denn dann noch berechtigt irgendetwas zu hinterfragen, ohne dass ihm Heuchelei vorgeworfen wird?


    Dass das Thema gerade beim Spiel/Kennerspiel des Jahres auftaucht liegt einfach an der grossen Popularität und den grossen Erwartungen - auch bei den Leuten, die vermeintlich nicht zur Zielgruppe gehören


    Jedenfalls herzlichen Glückwunsch an Kosmos. Es freut mich, dass dieser Aspekt berücksichtigt wird und man das Möglichste tut diesen Nachteil auf ein Minimum zu reduzieren.

    So, um Euch Öko-Tanten eins auszuwischen, werde ich jetzt die zwei noch ungespielten Exemplare wegwerfen, ungeöffnet! Die anderen Escape Games gefallen mir ja (wie geschrieben) eh besser, also weg damit! Auf den Müllberg! Das ist wahres Legacy!

    :lachwein:
    Lade noch ein paar Freunde oder den Mann von der Müllabfuhr dazu ein und ihr habt ein Gesellschaftsspiel. :D

    Und woher weißt du, dass die Jury das nicht getan hat? Vielleicht hat sie sich ja genau überlegt, dass sie die EXIT-Spiele nicht nominiert/prämiert hätte, wenn viel Plastik drin gewesen wäre!? Und vielleicht kam sie zu dem Schluss, dass die Spiele aufgrund ihres 99,99% Papier-Anteils eben noch innerhalb eines gewissen Rahmens liegen, den sie für vertretbar hält?

    Das würde mich ja schon freuen. Dann bin ich wohl einfach noch auf der Suche nach dem Statement. Vielleicht finde ich es ja noch, oder es kommt noch die nächsten Tagen. Vielleicht auch nicht.


    Edit: Bevor Thygra wieder eingreift: Die Jury muss dazu kein Statement abgeben. Aber sie kann das.

    Natürlich MUSS ein Spiel nicht ausgezeichnet werden, das man nach einmaligem Spielen wegwirft, aber es KANN aben ausgezeichnet werden. Die Jury hat sich auf die Fahne geschrieben, außergewöhnlich gute Spiele zu prämieren. Das hat sie bei EXIT getan. Die Jury hat sich nicht auf die Fahne geschrieben, ökologisch unbedenkliche Spiele zu empfehlen. Vielleicht findet sich ja noch jemand, der einen entsprechenden Award einführt. Das wäre dann aber eben ein anderer Award, nicht dieser hier.

    Natürlich kann die Jury tun und lassen was sie möchte. Auch eine Oscar-Auszeichnung, ein Nestlé Creating Shared Value Prize oder ein Greenpeace-Foto-Award darf auszeichnen wer als auszeichnungswürdig erachtet wird.


    Das heisst aber nicht, dass man das nicht diskutieren kann.

    Gegenfrage: Was sollte eine Brettspiel-Jury höher gewichten, den Spielspass und die Kreativität eines Konzeptes oder die ökologisch-politische Korrektheit eines Produkts?

    Ich fände es schön, wenn eine Jury, die über diese Marktmacht verfügt, sich - in einem gewissen Rahmen - über beides Gedanken machen würde. Aspekte wie Ökonomie, Political-Correctness, Artwork, Verfügbarkeit etc. werden ja auch mit einbezogen. ?(
    Das soll ja keine Komplettkalkulation werden. Sondern einfach zu überlegen, ob das noch in einem vertretbaren Rahmen liegt. Ich habe wie gesagt auch nichts gegen Legacy-Spiele an sich, finde aber dass mit einem Haufen Karten, den man anschliessend nicht weiterreichen kann, für eine Stunde Spielspass irgendwo eine Grenze überschritten wird.

    Falls letzteres, dürfte gemäss deines Argumentes wohl kein einziges in China hergestelltes Spiel jemals wieder mit einem Pöppel ausgezeichnet werden (Stichwort Arbeitsbedingungen & Umweltschutz auch bereits vor Ort) - ob es dann, einmal hier angekommen, nach einer Partie und einem Monat oder zehn Partien und 5 Jahren der Papiersammlung übergeben wird, macht letzten Endes weder einen chinesischen Arbeiter noch einen chinesischen Fluss glücklicher.

    Natürlich lässt sich jeder Umweltaktivist totargumentieren. Nicht einmal der grösste Hippie kauft all sein Hab und Gut aus vegan-regionalen fairtrade Bio-Produkten. :D Kann er ja auch gar nicht.


    Die Welt ist halt so wie sie ist. Und so einfach lassen sich Veränderungen ja auch nicht bewerkstelligen. Ich bin aber dennoch der Meinung, dass so etwas ab einem gewissen Grad auch bedacht werden sollte. Und da finde ich einen (zeitlich gesehenen) minimalen Spielspass für ein Produkt, was dazu konzipiert wurde direkt danach weggeworfen zu werden irgendwie komisch. Ich frage mich einfach ob das so sein muss ...

    Ich für mich weiss, dass mich da was grundlegendes an den Exit-Einmalspielen stört. Das ist nicht der Preis. Gebe für weniger nachhaltige Sachen wie Essen mehr aus. Den Kern meiner Ablehnung finde ich noch schwierig zu greifen, auch weil ich das dauerhafte Verändern bei Legacy-Spielen zwar ungewohnt aber völlig ok finde. Ist wohl eher dieses Wegwerfen-Müssen nach dem als kurz empfundenen Einmal-Erlebnis.

    Mir geht es ganz genau so. Irgendwie missfällt mir der Gedanke ein Spiel zu kaufen, welches ich nach 1-2 Stunden wegwerfen kann. Wenn ich es wenigstens an jemand anderen weitergeben könnte, damit es nochmal gespielt werden kann... Und auch ein Legacy-Spiel, welches 15 mal gespielt wird, löst bei mir eine andere Reaktion als ein EXIT-Spiel aus. Vielleicht auch einfach deshalb, weil die meisten Spiele wohl nicht 15 mal gespielt werden, bevor sie komplett einstauben. Man hat das Produkt/die Ressourcen wenigstens noch sehr gut ausgenutzt und damit die Spieler eventuell sogar dazu angereizt ein Spiel öfter zu spielen, als sie es normalerweise tun würden. Ein gutes Ressourcen-Spielspass-Verhältnis, wenn man so will :D


    Und auch ein EXIT-Spiel darf natürlich existieren und darf auch gekauft werden. Ich glaube aber, dass sich noch andere Käufer daran stören würden die bedruckte Cellulose nach einer Stunde Spielspass direkt wegschmeissen zu müssen. Deshalb kann ich die Auszeichnung auch nicht ganz nachvollziehen.

    Ich vermute, dass die Verlage hier einfach ein frisches Konzept ausprobiert haben und dieses erfolgreich war. Natürlich haben die Exit-Games etwas von einmaligem Event-Charakter. Aber muss das unbedingt so schlecht sein? Zumal es ja tatsächlich zu mind. 90% Altpapier ist, wenn nicht noch mehr.


    Ich seh das Ganze auf jeden Fall nicht als Konkurrenz zur herkömmlichen Spielen, die bald wie Heuschrecken über alles herfallen sondern als Ergänzung zum bestehenden Establishment.

    Ich sehe das auch nicht als Konkurrenz zu herkömmlichen Spielen und sehe auch, dass es ein neues kreatives Konzept ist - welches sich nur in ein paar Spielen durchsetzen wird. Aber eben eines, dass mir irgenwie missfällt. Und die Auszeichnung wird die Auflage solcher/dieser Spiele nochmal deutlich steigern.


    PS: Wie bekomme ich denn beim Zitieren eines Beitrags den in jenem Beitrag zitierten Beitrag weg? :P Also in diesem Fall ravns (leeres) Zitatfeld aus Staublunges Zitatfeld.

    Aber erstens brauche ich das nicht jedem mit Schaum vorm Mund auf die Nase binden (ich kaufe mir das Zeugs einfach nicht und gut ist's) und zweitens finde ich das bei der Exit-Reihe im Vergleich zu Legacy-Spielen der 50-bis-100-Euro-Kategorie (Seafall, Charterstone, ...) noch halbwegs okay. Bei ~12 EUR wären meine Hemmungen, ein Wegwerf-Spiel zu kaufen, noch überwindbar, wenn das Spiel entsprechend gut wäre.

    Hier werden zwei komplett unterschiedliche Aspekte durcheinander geworfen.


    Der Aspekt, den ravn und Cappuccino ansprechen, zielt vor allem auf die Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein ab - also der ökologische Aspekt. Ob ich das Spiel persönlich eventuell sogar gut finde, es ein gutes Preis/Leistungsverhältnis hat, oder das ein besonders kreatives Produkt ist spielt eigentlich keine Rolle. Müssen denn heutzutage Spiele ausgezeichnet werden, die speziell dafür designt sind nach ein Mal spielen wieder weggeschmissen zu werden?
    Natürlich findet man immer grössere Übeltäter, ja man kann das Produkt danach noch recyclen und ein Brettspiel ist immer ein Luxusartikel und benötigt zur Herstellung Ressourcen und Energie. Aber muss man das denn noch durch das spezielle Design unterstützen?


    Den Aspekt den (unter anderem) du ansprichst ist eine rein ökonomische Kaufentscheidung. Bietet mir das Spiel genug Spiel für mein Geld? Das ist eine rein persönliche Entscheidung, eine Überlegung, die den ökologischen Aspekt komplett ausser Acht lässt.