Beiträge von Gead im Thema „Ich sehe rot, ich sehe grau...“

    So ziemlich JEDES Spiel, dass ich ausgepackt habe, hatte mehr Papier- und Pappmüll in Form von Stanzbögen, als ein EXIT-Spiel.

    Genau das ist mit Konsumgesellschaft gemeint. "Man" kann sich den (anfallenden) Müll leisten und nimmt ihn für gewöhnlich gar nicht mehr zur Kenntnis. Ein funktionierendes Recycling-System ist da eine gute Sache, insofern man sich darauf verlassen kann. Trotzdem sollte es erlaubt bleiben, sich über die Müllvermeidung und/oder -reduzierung Gedanken zu machen. Bedenken zu äußern, ohne mit Häme überschüttet zu werden. Meist geschieht das aus der eigenen Perspektive. Das ist naheliegend, aber auch bequem.


    Vielleicht hilft es, wenn man das Phänomen mal aus der Perspektive derjenigen betrachtet, die sich 1-mal Spielen und dann Entsorgen (müssen) nicht leisten können oder wollen. Es ist erfreulich und schont nicht nur den Geldbeutel, wenn man in einer Biblio-, Media- und Ludothek Bücher, Filme und Spiele ausleihen kann. Ein Verleih dieser Spiele ist mit einem Exit-Spiel aber leider nicht praktikabel, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, denn jede Ausleihe käme einer Neuanschaffung gleich. Angenommen, eine Ludothek hat die finanziellen Mittel und ist gewillt, die jetzt ausgezeichneten Exit-Spiele jedem, der es mal unverbindlich ausprobieren möchte, zum Ausleihen zur Verfügung zu stellen. Bei einer Leihdauer, die für gewöhnlich eine Woche beträgt, würden da im Vergleich zu einem Spiel, das beliebig oft wiedergespielt (und nicht nur wiederverwertet) werden kann, im Laufe eines Jahres ein Vielfaches mehr an Müll zusammenkommen.


    Zugegeben, das war jetzt eine eher theoretische Herangehensweise. Realistischer ist folgender Fall. Mir persönlich gefällt das Spielprinzip und das damit ermöglichte Spielerlebnis (noch habe ich keines der Spiele gekauft und ausprobiert), und ich möchte auch die nächsten Rätselabenteuer erleben - und kann es mir leisten -, dann potenziert sich der Müllberg mit jeder weiteren Box.

    Vom Papierverbrauch dürfte ein Exit Spiel (geschätzt) mit einer Standard-Tageszeitung gleich ziehen...

    Eine einzige Tageszeitung könnte (theoretisch) von unendlich vielen Menschen gelesen werden, bevor sie "in die Tonne wandert".

    „Fesselnd! Herausfordernd! Verblüffend! Das perfekte Spielprinzip (…)“


    Ich bin gerne bereit, zu glauben, dass diesen Spielen diese Attribute zustehen und sie diese Versprechen als kooperatives Erlebnis auch einlösen. Das schaffen beileibe nicht so viele Spiele, und das halte ich für empfehlenswert. Damit passen die Exit-Spiele, in dieser auf einmaliges Erleben verdichteten Form, in die Zeit. Spaß versus Langeweile: 1 zu 0.


    Eine Erfahrung zu machen, kann erfüllend sein. (Kurze Gedankenpause.)


    Das zugrundeliegende Prinzip ist für alle an der Entwicklung und Produktion des Spiels Beteiligten lukrativ. Für jedes Spiel, das gespielt wird, muss einer aus der Spielgruppe zahlen. Es begründet damit einen Gegentrend zur Umsonst-Mentalität. Ist also ökonomisch perfekt (und das meine ich jetzt gar nicht ironisch). Die Rohstoffe sind praktisch zu 100% wiederverwertbar. Das ist ökologisch nahezu perfekt. Noch perfekter wäre es nur, gar nichts zu produzieren. Doch das würde bedeuten, gar nichts zu spielen. Dann lieber wenigstens einmal. Zudem bieten die Spiele aufgrund ihres (Achtung, Ironie!) Selbstzerstörungsmechanismus einen perfekten Schutz gegen geistigen und materiellen Diebstahl. Spielen, ohne dafür zu bezahlen, das ist so gut wie ausgeschlossen oder zumindest unpraktisch (und nicht im Sinne der Erfinder).


    Was mich an der Begründung der Jury irgendwie stört, ist, das als „das perfekte Spielprinzip“ zu bezeichnen. Denn zum perfekten Spielprinzip fehlt dem einzelnen Spiel m.E. ein elementarer Bestandteil: die Wiederspielbarkeit. Dieses Manko wird auch nur unzureichend durch die gleichzeitige Auszeichnung der drei Spiele der ersten Staffel verdeckt. Die Entscheidung der Jury, ein Spielprinzip ohne jeweiligen Wiederspielwert auszuzeichnen, verursacht bei mir daher sehr gemischte Gefühle. Als wissbegieriger und Neuem aufgeschlossener Mensch würde ich gerne zumindest ein Spiel der prämierten Staffel ausprobieren wollen. Gar nicht so einfach. Wenn es niemand sonst tut, müsste ich dafür aber eines kaufen und bevor ich entscheiden kann, ob es mir gefällt, ist es bereits zerstört. Das missfällt mir. Noch.


    Nochmal die Jury zitiert:
    „Die vielfach innovativen Rätsel(…)“


    Es ist eine schöpferische Leistung, dass die Rätsel das Spielmaterial in die Lösung mit einbeziehen. Auf diese Idee(n) muss man erst mal kommen und das finde ich bemerkenswert. Übertrage ich dieses Konzept in die Realität, dann verblasst dieser originelle Kniff bereits ein wenig, wenn ich den vorher schon weiß. Zerstören ist erlaubt und notwendig. Und das steht ja bereits in der Spielregel. Ich könnte mich also nicht rausreden, das nicht vorher gewusst zu haben. Wörtlich verstanden, ist an diesen Rätseln hauptsächlich der äußere (wirtschaftliche) Zwang innovativ, für ein erneu(er)tes Spielerlebnis, zur nächsten Schachtel mit einem anderen Abenteuer zu greifen. Mögliche Erkenntnis aus der obigen Gedankenpause: um „neue“ Erfahrungen zu machen. Irgendwie logisch.


    Darf (das) Spielen eines Spiels nicht länger Sinn ergeben und (wiederholt) zum Ziel führen?


    Doch, darf es. Gibt ja genügend andere Spiele. Nur eben diese(s) nicht. Lediglich die Bewertung der Rätselleistung nach dem Exit (1 bis 10 Sterne), lässt das einmalige Erlebnis nachhaltig erscheinen und ist somit das Einzige, was nach dem Ge- und Verbrauch des Spiels in Händen und Erinnerung bleibt. Damit hebt es sich von solchen Rätselheften ab, die kein Wertungssystem haben. Der Sinn des Spiels (bzw. das Spielprinzip "Einwegrätsel" als das Kennerspiel des Jahres zu bezeichnen) bleibt trotzdem fragwürdig. Denn, war das Ergebnis schlecht, bietet das Spielprinzip leider keinerlei Möglichkeit, es bei genau diesem einen Spiel besser zu machen. Eine Verbesserung der Leistung ist unmöglich und das Ziel, die Bestmarke (10 Sterne) zu erreichen, bleibt damit für immer unerreichbar. Wäre es nicht vielleicht kreativer (im Sinne von besser) gewesen, wenn die Spieler selbst entscheiden könnten, ob sie die Rätsel unter destruktiver Zuhilfenahme des Spielmaterials lösen (= den kurzen Weg zum Spielziel wählen), oder lieber auf eine andere, konstruktivere Weise dorthin gelangen möchten? Die Lernkurve als Weg zum Ziel ...


    Doch sei's drum. Bei aller (un)berechtigten Kritik, lässt sich meinen Worten leicht entnehmen, dass ich bisher keines der Spiele selbst ausprobiert habe. Da nichts die persönliche Erfahrung wirklich ersetzen kann, werde ich bei passender Gelegenheit wohl einen Versuch wagen. Oder mich zum Kauf zwingen. Um herauszufinden, ob das perfekte Spielprinzip, wie von der Jury behauptet, tatsächlich (und auch für mich nachvollziehbar) bereits gefunden ist. Oder nicht.