Beiträge von ravn im Thema „Ich sehe rot, ich sehe grau...“

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich das Missionieren rund um die Welt der Spiele für beide Seiten nur lohnt, wenn ein gewisses Grundinteresse vorhanden ist. Wenn keinerlei Interesse an Spielen besteht, versuche ich auch niemanden davon zu überzeugen. Gibt noch genügend andere Freizeitaktivitäten. Ich sehe mich aber auch nicht als Missionar, warum auch? Aber erst letztens hat mich ein Arbeitskollege nach einem Spiel für seinen Sohn und sich gefragt und konnte da ich meine Erfahrung weitergeben, konkrete Empfehlungen aussprechen und von anderen Sachen eher abraten. Kam an, werde ich aber nicht forcieren. An die Juryliste der ausgezeichneten Kinderspiele habe ich da allerdings nicht gedacht, war mir gedanklich zu weit weg.

    @ShotgunPete : Falsch zusammengefasst und zudem aus dem Zusammenhang falsch zitiert.


    Ich habe diverse Exit-Spiele gespielt von dem Noris 1. Abenteuer mit der Decoderbox bis zum Live-Exit-Room auf der SPIEL 2016 in Essen. Das Live-Spiel fand ich nervig, weil mir nicht klar war, was man jetzt alles machen durfte und was nicht. Eigentlich sinnige Sachen durften wir nicht, andere mir unsinnig wirkende Sachen mussten wir machen. Das zusammen mit zu vielen Personen auf zu engen Raum war für mich eher Stress statt herausfordender Spielspass. Das Noris-Abenteuer zu dritt gespielt war Hektik pur gepaart mit viel zu kleinen Objekten, die man erkennen sollte und Hilfsmittel, die man genau in Augenschein nehmen, damit aber aus dem Fokus der Mitspieler nehmen musste. Die Rätsel waren zudem eher gewöhnlich und der Zeitdruck nervig.


    Deshalb konnte und kann ich mit dem Konzept der Exit-Spiele wenig anfangen. Aus selbsterlebter Erfahrung. Das Kosmos-Exit-Spiel habe ich vor wenigen Stunden in entspannter Zweierrunde gespielt. Wir haben zwar einen Timer mitlaufen lassen, aber als wir das erste Mal darauf geschaut haben, war gefühlt wesentlich weniger Zeit vergangen als wirklich abgelaufen. Spricht für beste Unterhaltung. Am Ende haben wir uns etwa 3 Stunden Zeit gelassen, die Rätsel wirklich auszukosten, auch weil wir bis auf eine Denkblockade-Situation auch völlig auf Hilfekarten verzichtet hatten, dafür aber auf sehr spannende eigene Ansätze und Lösungsmöglichkeiten kamen, die uns nicht immer direkt zum Ziel geführt haben, aber trotzdem in der gemeinsam Tüftelei Spass gemacht haben.


    In einer grösseren Runden voller Hektiker, die sich wohlmöglich noch aufteilen, um ein optimales Ergebnis zu erreichen in minimaler Zeit und sich gegenseitig Material vor der Nase wegschnappen, wäre diese Spielatmosphäre nicht möglich gewesen. Das Kosmos-Exit-Spiel hat es aber ermöglicht, es so zu spielen, wie wir wollten. Genau das finde ich gut - war also die Kombination aus passender Spielrunde und passendem Grundkonzept des Spiels. Weil hier konnten wir die Rätsel eines nach dem anderen bequem in die Mitte legen und mit Papier und Stift bewaffnet brainstormartige Notizen der gemeinsam diskutierten Lösungswege machen. Ohne uns selbst unter Zeitdruck zu setzen. Erstaunlich, was für Zusammenhänge und Muster man dabei erkennen kann. Wäre so mit dem Noris-Spiel und ebenso im Live-Exitroom nie möglich gewesen. Ob wir damit Exit-Spiele anders als andere spielen? Mir doch egal, solange es uns in der Runde Spass macht!


    Die "schöne neue Brettspielwelt" sehe ich aber in Teilen weiterhin, eben weil ich weiterhin der Meinung bin, dass es von der Jury und ebenso vom Kosmos Verlag versäumt wurde, den Punkt des Wegwerfspiels und die damit verbundene Bedenken offensiver zu thematisieren und zu erklären, warum hier Material vernichtet werden muss, damit das Spiel so funktionieren kann wie es funktioniert und dass sich der Verlag um Nachhaltigkeit bemüht mit Produktion in Deutschland unter entsprechenden Auflagen und mit der Verwendung von nachhaltig produzierten Rohstoffen. Hier hätten die Beteiligten viele (meiner) Missverständnisse rund um das Konzept schon im Vorfeld ausräumen können. Nur anscheinend vertrete ich da eh eine Minderheitenmeinung, so dass andere Themen rund um das Kennerspiel höher in der Öffentlichkeitsarbeit priorisiert und thematisiert wurden. Kann ich ebenso mit leben, auch weil ich niemanden meine Meinung überstülpen will, sondern diese diskutieren möchte. Aber ebenso hätte ich persönlich eher direkt bei den Beteiligten nachfragen sollen, um nicht hier über die zu reden, sondern direkt mit denen. War ein klarer Fehler von mir. Da war die Reaktion von Kosmos auf meine Anfrage vorbindlich und sicher nicht selbstverständlich. Hat meiner eigenen Meinung neue Perspektiven gegeben und die verändert, ebenso wie einige der Diskussionsbeiträge hier, wie weiter oben im Thread ausführlicher ausgeführt.


    Zudem möchte ich festgehalten wissen, dass ich nie behauptet habe, die Exit-Spiele seien spielerischer Schrott. Würde ich nie so pauschal sagen, eben auch weil ich viele in meinem Umfeld kenne, denen solche Spiele unter Zeitdruck enormen Spass mache. Nur für mich sind die nix. Ausnahme eben, wenn man die in dem für mich passenden Rahmen spielt und das gespielte Kosmos-Spiel ermöglichte nicht nur das, sondern unterstützte es auch durch die Art der Präsentation der Rätsel.


    Das nächste Mal mal bitte etwas genauer lesen und differenzieren anstatt sinnverkürzend zu pauschalisieren. Erspart mir dann auch eine Menge Klarstellungen. ;)

    Vorhin "Exit - Die verlassene Hütte" gespielt und jetzt verstehe ich, warum es Kennenspiel des Jahres geworden ist. Absolute Empfehlung von der spielerischen Seite, weit mehr als Rätselheft-Rätsel und wäre so auch nicht mit unzerstörtem Material möglich gewesen. Wer wie ich, bisher mit Exit-Spielen wenig anfangen konnte, auch wenn die im Umkreis gerne gespielt und hochgelebt werden, einfach mal selbst spielen (und die 7 bis 9 Euro investieren) in kleinerer Runde (2 bis 3 Spieler) und seine Meinung überprüfen. Denn die Exit-Spiele von Kosmos spielen sich doch anders auf einer sehr kreativen Art und Weise. Ein verdientes Kennerspiel des Jahres!

    @Lazax en Spiele B und C für schlecht zu halten. Da muss man ganz sicher die Nominierung auch als Auszeichnung verstehen.

    In mancher Anzeige und auf mancher Spieleschachtel sehen mir die Nominierten und der Sieger arg ähnlich aus. Zuerst springt mir der Pöppel ins Auge, während der Nominiert-Text fast überlesen werden kann. Absicht diese Ähnlichkeit?

    Ein Spiel wie First Class, in dem man als Erstspieler von einem erfahrenen Mitspieler erinnerte drei Mal auf dem Punkterundkurs überrundet wird, hat eh ein ganz eigenes Problem. Zu einer Zweitpartie konnte ich mich nach diesem "traumatischen" Erstkontakt dann nicht mehr durchringen, auch weil es ausreichend befriedigendere Spielealternativen gab. Vorteil für erfahrene Spieler gut und schön, aber so extrem war dann doch nicht mehr schön. War dann eher spannend, ob wir nicht noch ein viertes Mal überrundet werden würden.

    Wieso findest du von dir zitierte Argument bedenklich?

    Nicht "bedenklich" sondern wie vom mir geschrieben und so gemeint "bedenkenswert" im Sinne von, es lohnt sich, diesen Aspekt zu bedenken in seinen Überlegungen.


    Dieses Beispiel ziegt aber gut, wie schnell man missverstanden werden kann. ;)

    Also mir persönlich ging es darum, mein Unwohlsein mit der von der Jury als Spielkonzept ausgezeichneten Spielereihe anzumerken, zu diskutieren und dadurch tiefer zu ergründen. Als Ergebnis kann ich für mich festhalten, dass sich das Thema eher auf einer emotionalen Ebene abspielt, teils schwierig zu greifen ist, Vergleiche ebenso schwierig sind und Verallgemeinerungen sowieso. Das Argument "eigentlich ist es doch egal, ob ein Spiel für immer ungespielt im Schrank oder wenigstens einmal gespielt dann in der Altpapiertonne landet" fand ich bedenkenswert, ebenso dass man sich bewusst machen sollte, welchen Ressourceneinsatz gewöhnliche Brettspiele haben.


    Vermisst oder übersehen habe ich hingegen, ob sich die Spiel des Jahres Jury mit diesem Aspekt beschäftigt hat. Aber nur, weil es nicht öffentlich nachzulesen ist, heisst es nicht, dass es nicht stattgefunden hat. Da hat mir die Nachfrage, die Antwort und das Gespräch mit dem Kosmos Verlag gezeigt, dass sich hinter den Kulissen eine Menge mehr Gedanken gemacht wird, nur dass eben nicht alles immer und überall offensiv kommunziert wird.

    Zur Info: Auf meine persönliche Anfrage an Kosmos, aufgrund meiner Bedenken, habe ich eine ebenso konkrete wie ausführliche Antwort (und ein anschliessendes Telefongespräch) erhalten, die mir klar macht, dass sich Kosmos (entgegen meiner ersten Annahme) eben doch erhebliche Gedanken um den Wegwerf-Faktor der EXIT-Spiele gemacht hat und sich Zeit nimmt, fernab von PR-Bla-Bla zu informieren. Da die E-Mail an mich ging und ich nicht im Namen von unknowns nachgefragt habe, werde ich hier nicht zitieren, sondern nur die Eckpunkte in Kurzform in meinem Worten benennen.


    - Verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung durchdacht, auch ein Spiel mit digitaler Unterstützung
    - Das Material auch verbrauchen zu können, hat den Autoren kreative Freiheiten ermöglicht, die ansonsten nicht möglich gewesen wären
    - Bewusst kleine Boxen
    - Verwendung von FSC-zertifizierten Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft
    - Die Herstellung erfolgt komplett in Deutschland
    - So angelegt, dass die Möglichkeit besteht, das Spiel vor dem Verbrauch zu kopieren => Hier habe ich derweil die Bestätigung aus meinem Umfeld bekommen, dass das so funktioniert
    - Spieleschachteln werden weiterbenutzt, z.B. zur Aufbewahrung von Haushaltsgegenständen



    Wer ebensolche Bedenken hat, einfach selbst beim Verlag anfragen. Bringt am Ende mehr, mit jemanden zu reden, als mit anderen über den.

    Ging diesem mutigen Schritt zu einem "Einwegspiel" eine Diskussion im Verlag voraus? Wie groß war der interne Widerstand?
    "Als wir das Konzept der EXIT Spiele auf einer Programmkonferenz vorgestellt haben, waren alle davon überzeugt. Es gab keinerlei Diskussion oder Widerstände.
    Interview: EXIT Das Spiel - Kosmos-Redakteuer Ralph Querfurth


    Damit habe ich keinerlei weitere Fragen. Thema erledigt für mich. Lasst uns einfach weiter unkritische Konsumenten sein, die nix hinterfragen.

    Da interpretierst du etwas völlig anders als ich. Wenn die Jury 3 Spiele nominiert, dann ergeben diese eben NICHT eine "Reihe", sondern nur eine "Liste" von üblicherweise 3 sehr unterschiedlichen Spielen. Die Jury will ja generell mit den 3 nominierten Titeln erreichen, dass diejenigen Menschen, die alle 3 Nominierten kaufen, eine Mischung unterschiedlicher Spiele erhalten.

    Der Sammelgruppe ist "Kennerspiel des Jahres". In dieser Reihe sticht dieses Jahr "EXIT - Das Spiel" heraus, während Terraforming Mars und Räuber der Nordsee für mich eher im selben Genre der mittelkomplexen Eurogames mit Thema angesiedelt sind mit ihren typischen Eurogame-Mechanismen wie Workerplacement bzw kartengesteuert sowie Ressourcenmanagement und Auftragserfüllung, wenn auch in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Das kooperative Puzzle-Deduktions-Rätsel-Spiel "EXIT - Das Spiel" ist da weiter von den beiden anderen Spielen entfernt als Terraforming Mars und Räuber der Nordsee untereinander auseinanderliegen.



    Wenn der Anspruch ist, eine Mischung unterschiedlicher Spiele abzudecken, ist das dieses Jahr im Kennerspiel-Bereich weniger als im SDJ-Bereich gelungen. Im SDJ-Bereich wäre dieses Jahr "EXIT - Das Spiel" wohl besser aufgehoben gewesen, während die Empfehlungsliste zum Kennerspiel des Jahres mit Captain Sonar, Grimoire des Wahnsinns, Les Poilus und Great Western Trail die wirkliche Bandbreite der fortgeschrittenen Spiele abdeckt.

    Und wie du sagst: Sollte dieses einmalige Erlebnis wirklich vielen Käufern sauer aufstossen, werden die sich schon bemerkbar machen. Du könntest ja sonst den Anfang machen und Kosmos um ein Statement bitten?

    Gute Idee. Mache ich gerne und frage da mal freundlich interessiert an.

    Wenn ich die ausgezeichneten Exit-Spiele von Kosmos nicht als Spiel betrachte, sondern eben als Einmal-Spielerlebnis, das in einem Spielekarton verkauft wird und sich somit zwar auch optisch unter den Gesellschaftsspielen einreiht, aber im Kern eine ganz eigenes Genre darstellt, passt es für mich. Wenn man die aber in einem Atemzug mit Spielen wie Terraforming Mars oder Räuber der Nordsee nennt und einreiht, wie es die Jury mit der Nominierung zum Kennerspiel getan hat, dann sträuben sich bei mir weiter die Nackenhaare.


    Auf der einen Seite haben wir ein einmaliges Spielerlebnis, mit zeitlich eng begrenzter Nutzungszeit und bewusster Entscheidung, dass ich es bei richtigem Gebrauch nach dieser Einmalnutzung auch wegwerfe. Das rückt die Exit-Spiele von Kosmos für mich in Richtung der Ecke der Rätselhefte, nur das die eben weniger Ressourcen für eine längere Nutzungszeit benötigen, aber auch einfallsloser sind aufgrund ihrer Begrenzung.


    Die Exit-Spiele sind somit also eher eine Pralinenschachtel der Spielerlebnisse: Der Materialaufwand ist irgendwie notwendig, das Genusserlebnis aber zeitlich sehr begrenzt, wenn auch hochwertig. Danach bleibt im Vergleich zum kurzen Genusserlebniss viel Müll übrig. Niemand würde gekaufte Industrie-Pralinen aber mit einer vollwertigen selbstgekochten Mahlzeit gleichsetzen. Beides kann man aber unter dem Oberbegriff Essen fassen.


    Wäre die Exit-Reihe somit besser bei einem Sonderpreis der Jury aufgehoben gewesen, auch um eben zu zeigen, dass hier ein ganz neues Genre ausgezeichnet wird? Oder geht es nur um den spielerischen Kern und das benötigte Material ist rein Mittel zum Zweck, weil nicht das Spiel an sich, sondern das Spielerlebnis, das dieses Spiel bieten kann, den gemeinsamen Nenner bildet?


    Was aber bleibt, ist für mich das zumindestens bedenkenswerte Signal, was von dieser Auszeichnung ausgeht: Es ist völlig ok, wenn ich das gebrauchte und damit verbrauchte Material eines Spiels nach dem mir gebotenen Einmal-Spielerlebnis wegwerfe. Da hätte sich Kosmos wenigstens grün waschen können, indem der Verlag so 50 Cent pro Spiel für die Aufforstung heimischer Wälder spendet und das eigene Spielergewissen wäre völlig beruhigt gewesen. Aber anscheinend braucht es heutzutage in unserer konsumgetriebenen Ex-und-Hopp-Mentalität selbst das nicht mehr. Einzig schade finde ich, dass der Wegwerf-Aspekt bisher in keinster (mir bekannter) Veröffentlichung der Spiel des Jahres Jury erwähnt wurde und die Chance ergriffen wurde, den in seiner (eventuell gar nicht vorhandenen) Bedeutung einzuordnen.

    Ich meine, die Diskussion kratzt gerade erst an der Oberfläche und kann noch Potential für lesenswerte Meinungen und Perspektiven bieten. Wer nur an seiner eigenen Meinung interessiert ist, braucht ja nicht mitlesen, weil die kennt er ja längst. ;)


    Ich für mich weiss, dass mich da was grundlegendes an den Exit-Einmalspielen stört. Das ist nicht der Preis. Gebe für weniger nachhaltige Sachen wie Essen mehr aus. Den Kern meiner Ablehnung finde ich noch schwierig zu greifen, auch weil ich das dauerhafte Verändern bei Legacy-Spielen zwar ungewohnt aber völlig ok finde. Ist wohl eher dieses Wegwerfen-Müssen nach dem als kurz empfundenen Einmal-Erlebnis.


    Genau deshalb bin ich auf andere, abweichende oder bestätigend ergänzende Meinungen gespannt.

    Kann es sein, dass Kosmos als Verlag ganz bewusst auf das Wegwerf-Konzept gesetzt hat bei seinen Exit-Spielen? Es zumindest in Kauf nimmt. Ansonsten hätte sie es ja auch anders machen können als Vorgabe an die Autoren.


    Kann mir keiner erzählen, dass mit ein wenig Kreativität nicht auch mindestens genauso fordernde Rätsel möglich gewesen wären, ohne Material dauerhaft so zu verändern, dass man es kein zweites Mal gebrauchen kann. So ist aber sichergestellt, dass ein Exit-Game genau nur einmal gespielt werden kann. Wer es selbst spielen will, kann nicht darauf hoffen, dass es jemand aus dem Bekannten-Freundeskreis weitergibt, es muss neu gekauft werden.


    Hier wurden Einweg-Brettspiele für 60 bis 90 Minuten Vergnügen erdacht und die versammelte SDJ-Jury klatscht dem Wegwerf-Konzept Beifall. So also sieht heutzutage das Kulturgut Spiel aus. Muss ich das gut finden? <X


    (Dabei geht es mir gar nicht um das Müllaufkommen im Vergleich mit riesigen Stanzbögenresten und mächtigen Kühlschrank-Verpackungen und McDonalds-Müll, der dann natürlich immer extra so gewählt ist, nur damit die Exit-Spiele im Vergleich noch irgendwie besser wegkommen können. Sondern mir geht es um die eigentliche Denke, die hinter so einem Exit-Game-Konzept steht. Ein Konzept, das auch noch prämiert, ausgezeichnet wird. Diese Denke finde ich bedenklich im wahrsten Wortsinne. Spiele als Wegwerfprodukte. Spielkonzepte, die Konsummüll sind nach nur einer kurzen Partie. Sozusagen die Spiel gewordenen Einwegbecher der Kaffee-to-Go-Kultur. Gefällt mir persönlich nicht und zum Glück kann ich das in diesem Land auch problemlos so aussprechen. Und jeder kann ebenso anderer Meinung sein. Akzeptiert.)

    Brettspiele mit Selbstzerbröselungsfaktor sind damit Tür und Tor geöffnet. Wenn heutzutage schon Wegwerf-Spiele auch wegen ihres Spielprinzips ausgezeichnet werden, dann dürfen die Spiele von morgen gerne auch eine begrenzte Nutzungsdauer mitbringen: Je nach gestaffeltem Kaufpreis löst sich die Pappe nach x Wochen oder y Monaten auf, zerspannen die Holzpöppel und verbleicht die Spielregel zur Unkenntlichkeit. Zurück bleibt eine unförmige Masse. Das ehemalige Brettspiel kann dann mit bestem Gewissen ins Altpapier entsorgt werden, belastet nicht als Altlast die Spielesammlung und schafft zudem neuen Platz im Regal.


    Einmal die Schutzfolie aufgerissen, ist der Zerfallscountdown gestartet. Die Uhr tickt. Wer dann nicht zügig spielt, ist selbst Schuld. Kennt man ja vom Joghurt im Kühlschrank. Erst im Angebot gekauft, dann eingelagert und vergessen und doch nicht konsumiert. Egal, wird dann eben aufgebläht weggeworfen und neu gekauft. Ganz normal, weil so gelernt.


    Derweil jubelt der Neuheiten-Junkie, denn mit der begrenzten Haltbarkeit und eingeschränkter Nutzungsdauer gibt es endlich keine alten Spiele-Schinken mehr, die doch irgendwann mal wieder gespielt werden sollten. Der Handel frohlockt, weil die Freaks ständig Nachschub brauchen, fleißig konsumieren und den Rubel rollen lassen. Die Verlage und Autoren werden endlich gerecht entlohnt, weil sich niemand mehr an seinem 30 Jahre alten Spieleschatz klammern kann, während der Cent-pro-Spielpartie-Faktor längst gegen null strebt. Der Sumpf des Gebrauchtmarktes ist trocken gelegt. Spiele weitergeben, gar verschenken? Nur mit Blick auf die Restlaufzeit, denn wer will schon Müll mit nach Hause tragen, weil der nächste Spieletreff erst am Wochenende ansteht.


    Schöne neue Brettspielwelt. Wenigstens können wir sagen, dass wir in der Stunde Null der neuen Brettspiel-Zeitrechnung dabei waren. Hinter vorgehaltener Hand wird derweil von aussterbenden Spiele-Rentnern über das Damals philosophiert, als es noch Spielesammlungen gab, man Schachtel auf Schachtel hortete und alles irgendwie besser war. Stirnrunzelnd reiße ich die Schutzfolie meiner Spieleneuheit auf und lächle im Konsumrausch. Ein Rausch, der noch 13 Tage, 23 Stunden und 57 Sekunden anhalten wird. Danach bin ich davon befreit. Alles ist gut und kann auch nicht besser sein.