Beiträge von ravn im Thema „10.07.-16.07.2017“

    Am Freitagabend in entspannter Dreierrunde:


    London Dread : Günstig gebraucht ungespielt auf BGG gekauft, nachdem ich hier im Forum in einem Wochenthread darüber gestolpert bin. Ich erhoffte mir da irgendwas zwischen Eldritch Horror, Villen des Wahnsinns 2nd Edition und ein wenig Holmes & Watson. Der Spieleinstieg ist nicht wirklich einfach, denn das beiliegende Regelheft lässt leider einige Details aus und versteckt wichtige Informationen in Beispielboxen. Mit den Regelnachfragen auf BGG und ein paar Post-it-Zettelchen konnte ich das allerdings ausgleichen. Und einmal verstanden und die wichtigen Details erinnert, ist der Spielablauf gar nicht so schwierig, eher ungewöhnlich.


    Wir befinden uns im viktorianischen London. Das Böse schleicht umher und wir stellen uns kooperativ dem entgegen. Erinnert ein wenig an Jack the Ripper, Lovecraft Romanen und Sherlock Holmes vom Setting. Die Grundstimmung ist düster. Vor uns entfaltet sich eine Story, die es zu lösen gilt. Vier davon liegen dem Spiel bei. Da es aber ausreichend Varianz im Aufbau und Ablauf gibt, sowie Auswahl bei den Gegnern und die Story an sich nur einen thematischen Rahmen ist, aber die eigentliche Spielmechanik die Partie trägt, kann man die einzelnen Stories auch mehrmals spielen. Klar kennt man die Grundzüge der Geschichte und deren Kapitel dann, aber die spielerische Herausforderung bleibt bestehen und gestaltet sich in jeder Partie ausreichend anders - soweit ich das, nach nur einer Partie, meine zu erkennen. Der Vergleich zu Eldritch Horror passt hier gut und wird nicht der Letzte bleiben.


    Begleitende Apps sind aktuell in und auch hier wird die Spielatmosphäre dadurch verstärkt. Die App dient zugleich als Timer und liest Einleitung und Endkampf sowie den hoffentlich erfolgreichen Ausgang der Story auf englisch vor. Dazu gibt es Hintergrundgeräusche aus den Strassen und Gassen von London. Wer mag, kann diese Textabschnitte aber auch im Begleitheft selbst vorlesen. Im laufenden Spiel gibt es allerdings noch sogenannte Plotkarten, die man nach und nach pro Spielkapitel aufsucht und zu lösen versucht. Die Kartenrückseite hat dann einen Textabsatz und gliedert sich dann auf, jenachdem wie gut man diese Plotkarte bestanden hat. Das wird leider nicht vorgelesen und zuerst dachten wir, dass unsere Appversion da irgendwie fehlerhaft wäre, weil ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass alle Textpassagen im Spiel durch die App vertont sind. Etwas schade, wie bei Villen des Wahnsinns 2nd Edition, aber geht auch so.


    Das Spiel selbst ist in drei spielmechanisch sehr verschiedene Abschnitte aufgeteilt. Zunächst haben wir in der Planungsphase kooperativ 12 Minuten Zeit, um die ausliegende Stadtkarte von London mit seinen vier Stadtteilen und insgesamt 24 verdeckt liegenden Karten zu erkunden. Wir sind auf der Suche nach Plotkarten, die uns in der Story und im Spiel voranbringen. Also drehen wir gemeinsam so lange Karten auf, bis wir alle Plotkarten des aktuellen Kapitels gefunden haben. Man könnte zwar auch schon die Bewegungsschritte des eigenen Charakters in Absprache mit den Mitspielern planen, aber so lange nicht völlig klar ist, welche Stadtviertel wir in welcher Plotkarten-Reihenfolge aufsuchen sollten, macht das Planen wenig Sinn.


    Wenn wir später noch Planungsaktionen übrig haben und uns zutrauen, weitere Bedrohungen zu schaffen, könnenn wir immer noch weitere Karten aufdecken. Wir sind da völlig frei. Thematisch gesehen, schnappen wir Gerüchte in der Stadt auf und bekommen Hinweise auf Orte. Das sind dann die aufgedeckten Karten. So liegen dann nachher Plotkarten, Bedrohungen und Verbündete (wenn wir nicht in 4er-Vollbesetzung spielen) offen aus und wir wissen, wo was auf uns wartet. Rein spielmechanisch haben wir aber bisher nur gemeinsam Karten umgedreht, während die Zeit abläuft.


    Um die Partie und das aktuelle Kapitel zu gewinnen, müssen wir alle ausliegenden Plotkarten finden und in der richtigen Reihenfolge aufsuchen. Um den Endkampf zu gewinnen, sollten wir zudem mögichst viele der bedrohlichsten Bedrohungskarten bestanden haben, während uns Verbündetenkarten dabei helfen. Dazu haben wir unsere Planungsuhr mit zwölf eingestanzten Vertiefungen, die jeweils 2 Stunden abdecken. Zudem hat jeder von uns zwölf Pappmarker mit den Ziffern 1 bis 6 doppelt. Auf der Rückseite ist jeweils ein Richtungspfeil. Damit bewegen wir uns planerisch durch die Stadt. Von Stadtviertel zu Stadtvierel mit den Richtungspfeilen und auf Orte innerhalb des Stadtviertels mit den Ziffern.


    So könnte ich um 6 Uhr morgens die ausliegende Ortskarte 6 im Westteil aufsuchen, dananch die Ortskarte 4 um 8 Uhr, wechsel dann per Pfeil in den Norden um 10 Uhr und besuche dann um 12 Uhr die Ortskarte 4 dort. Schon habe ich einen Drittel meiner zwölf Aktionen verplant und dabei nur drei der ausliegenden 24 Orte besucht und alle meine Marker mit der Ziffer 4 benutzt. Möchte ich jetzt im Süden oder Osten die Ortskarte 4 aufsuchen, geht das schlicht nicht, es sei denn, ich nutze den gemeinsamen Pool an Planungsziffern, die allerdings direkt wieder das allgemeine Bedrohungslevel erhöhen.


    Man sollte sich also absprechen, wer wann welche Ortskarte aufsuchen wird, um möglichst viele Karten abzudecken. Schwierig wird es dazu noch, weil wir die Plotkarten in aufsteigender Reihenfolge besuchen müssen und das je nach Plotkarte erst ab einer bestimmten Tageszeitspanne möglich ist. Rein spielmechanisch haben wir aber bisher nur Plättchen auf unserere Planungsuhr verteilt. Auf dem Spielplan hat sich noch nichts bewegt und an Aktionen ausgeführt haben wir auch noch nichts. Um die Übersicht zu behalten, haben wir farbkodierte Marker, die wir auf Orte legen können, die wir planen, aufzusuchen. So wissen unsere Mitspieler und wir ebenso, dass wir diesen Ort nicht nochmals aufsuchen sollten und ob der später ohne Hilfsmittel oder mit Einsatz von Karten des gemeinsamen Nachziehstapels, durch Gegenstäde oder durch unsere Einmalfähigkeit erledigt werden soll. Verbindlich sind diese Marker allerdings nicht, nur eine Planungshilfe. Das alles unter Zeitdruck von maximal 12 Minuten. Wer die Herausforderung mag, spielt mit 10 oder gar 8 Minuten Planungszeit. Und diese Zeit ist arg kurz, weil Karten wollen aufgedeckt werden, die Plotkartenreihenfolge erkannt, Verbündete gefunden und die bedrohlichsten Bedrohungen ausfindig gemacht werden.


    Auf den Karten erkennen wir ein thematisches Bild und begleitenden Stimmungstext, aber dafür haben wir kein Auge und keine Zeit in der Planungsphase. Stattdessen interessieren die aufgedruckten Symbole in ihrer Anzahl und Art, der Wert der benötigten Symbolsumme und der Bedrohungswert der Karte, wenn wir diese ignorieren oder dort versagen. Unsere Charaktere haben ebensolche Symbole, eingesammelte Verbündete ebenso. Auf Gegenstandskarten gibt es weitere Symbole und wir können später in der Aktionsphase nachzuziehende Karten nutzen, die nochmals Symbole zeigen.


    Bringen wir unseren Charakter später in der Aktionsphase an einem Bedrohungsort und können ausreichend viele passende Symbole vorweisen, haben wir die Bedrohung besiegt. Anstatt den Bedrohungswert der Story bei einer Niederlage zu erhöhen, kann uns diese Symbolkarte sogar nachher helfen, auf anderen Bedrohungen passende Symbole zu sammeln. Bei Plotkarten funktioniert das vergleichbar, wir ziehen aber vorab eine personalisierte Charaktereigenschaftskarte mit Bonussymbolen und sammeln durch passende Symbolübereinstimmungen Würfel an. Die Anzahl der Würfelerfolge ergibt dann die aufgedruckte Belohnung oder die Bestrafung je nach Plotkarte und bringt zudem die Story weiter voran.


    Das alles passiert in der Planungsphase theoretisch durchgedacht in unserem Kopf. Wir erkennen Bedrohungen und Symbolübereinstimmungen, können uns zur selben Uhrzeit an einem Ort treffen, um Symbole zu kombinieren und hoffen, dass wir später ausreichend gut würfeln, passende Karten nachziehen und nichts übersehen haben. Für Thema und Stimmung bleibt in der Planungsphase keine Zeit. Da geht es rein spielmechanisch zu. Symbole erkennen und gemeinsam zwölf Züge im voraus abgestimmt planen.


    In meiner Erstpartie mit dem ersten Szenario, das nur aus einem Kapitel Planungs- und Aktionsphase mit seinen fünf Plotkarten besteht, war die Zeit arg knapp. So knapp, dass wir uns ein paar Extraminuten gegönnt haben, weil wir die Pausenfunktion der App übersehen hatten, um spielmechanische Fragen zu klären. Deshalb ist eine gute Spielerklärung vorab wichtig, denn jeder muss sich auf seine Mitspieler verlassen können, dass die Planungsphase in ihren Auswirkungen verstanden wurde. Ansonsten gibt es später in der Aktionsphase ein böses Erwachen, wenn so gar keine Symbole und Orte und Reihenfolgen passen wollen. Ging bei uns aber dann doch recht gut - eventuell auch dank der Extrazeit.


    Danach wird es entspannter und ohne Zeitdruck. Die Storyphase beginnt, welche die eigentliche Aktionsphase ist, denn erst hier arbeiten wir unser Planung Uhrzeit für Uhrzeit nacheinander ab und schauen mal, was alles passiert. Allerdings ist das keine rein passive Phase, sondern wir entscheiden aktiv, ob und welche Gegenstände wir einsetzen wollen, ob und wie oft wir vom gemeinsam aufgebauten Kartenstapel nachziehen wollen, um fehlende Symbole doch noch zu bekommen. Ausserdem kann die Reihenfolge wichtig sein, wer seine Aktion zuerst ausführen will und was beisteuert, wenn man zusammen an einem Ort steht. Das will situativ besprochen werden. Zudem sollte man sich wirklich die Zeit nehmen, um jetzt die Stimmungstexte der Karten zu lesen, die man aufsucht. Denn ansonsten reduziert man das Spiel doch arg auf seinen mechanischen Kern der passenden Symbole. Neue Gegenstände bekommen wir meist durch besonders gut gemeisterte Plotkarten und können dann später entscheiden, ob wir den Gegenstand nur nutzen wollen oder komplett verbrauchen und aus dem Spiel nehmen. Die Verbrauchen-Aktion ist besser, aber eben nur einmalig.


    Am Ende der Storyphase wissen wir dann, wie stark der Bedrohungslevel ansteigt. Denn jede nicht aufgedeckte Karte auf dem Spielplan erhöht den um zwei. Aber jede aufgedeckte und eben nicht bestandene Karte kann den um zwei bis fünf steigen lassen. Das ist das Risiko in der Planungsphase. Wenn wir jetzt zu viele der bedrohlichsten Bedrohungskarten ünrig gelassen haben, weil nicht dorthingekommen oder deren Symbolsumme nicht erreicht, kann der Bedrohungslevel erheblich ansteigen. Sollte der irgendwann die 50er-Marke erreichen, dann ist vorzeitiges Spielende. Wir hatten den am Ende der Storyphase so bei 21. Ein recht gutes Ergebnis, zumal niemand von uns verletzt oder geistig destabilisiert wurde, was die Bedrohung nochmals erhöht und erhebliche Nachteile im Endspiel bedeutet, denn da ist man mit einer zweiten Verletzung oder Verwirrtheit aus dem Spiel und kann seinen Mitspielern nicht mehr helfen.


    In der Story 2 bis 4 fernab des Einstiegsszenarios folgt ein weiteres Kapitel, bevor es zum Endspiel geht. Diese Kapitel sind sozusagen nochmalige Planungs- und Storyphasen und erzählen die Story durch weitere Plotkarten weiter und haben auch ein eigenes Kartendeck für die auszulegenden Bedrohungskarten. Im Nachhinein kann ich nach einer ersten Probepartie nur empfehlen, direkt Story 2 zu spielen, eben sobald einer das Spiel verstanden und ausreichen gut einer neuen Runde erklären kann. Denn mit nur einem Kapitel ist das Spiel recht kurz und der Aufbauaspekt des gemeinsamen Kartenstapels durch besiegte Bedrohungen und die Entscheidungen, wann man davon nachziehen sollte, um andere Bedrohungen zu schaffen, hat ansonsten einen zu kurzen Spannungsbogen. Ebenso wird dann auch die Entscheidung schwieriger, ob man Gegenstände direkt verbrauchen oder nur benutzen, um diese im nächsten Kapitel und auch im Endspiel erneut zu nutzen. Das Einstiegsszenario ist gut, um das Spiel kennenzulernen, allerdings zeigt es eben nicht das komplette Spiel in seinen Möglichkeiten einer zweistufigen Entwicklung über die zwei Kapitel.


    Bleibt das Endspiel. Der Endgegner bringt Sonderregeln mit und vorab wollen drei Herausforderungen bewältigt werden. Diesmal jeder für sich, wobei jeder vorab entscheiden muss, ob er sich der Herausforderung weiter stellt oder sich bis zum Endgegner zurückzieht. Denn wer zwei Verletzungen oder Verwirrtheit ansammelt, scheidet vorzeitig aus und kann im Endgegnerkampf nicht mehr helfen. Wieder gleichen wir Symbolsummen ab und sammeln damit Würfel an. Kennt wir schon, ist hier ein Mix aus Bedrohungs- und Plotkarten von der Spielmechanik. Vorab wird der in den Storyphasen angesammelte Kartenstapel noch untereinander aufgeteilt und dient als Handkarten, mit denen wir die drei Herausforderungen auskommen müssen. Je mehr Würfel wir für den Endgegnerkampf so ansammeln können, desto besser. Denn da wird der aktuelle Bedrohunglevel in benötigte Würfelerfolge umgerechnet, die gemeinsam erreicht werden wollen. So spitzt sich die Story auf einen Wurf zu - aus möglichst vielen Würfel und Gegenstände, die eventuell einen Wiederwurf oder automatischen Erfolg erlauben und sehr selten sind.


    Wir haben also in den Planungsphasen die Grundlage gelegt, um in den Storyphasen möglichst viel Erfolgspotential aufzubauen, die wir dann im Endspiel auf eine Würfelanzahl verdichten, um den Würfelwurf über Sieg und Niederlage entscheiden zu lassen. Das ist bester Amitrash in Verknüpfung mit ausreichend guter Spielmechanik. Glück spielt mit, sei es bei nachgezogegen Gegenständen, nachgezogenen Symbolkarten, der zufällig gezogenen Charaktereigenschaft bei Plotkarten und Herausforderungen oder den geforderten Würfelerfolgen. Deduktion ist nicht vorhanden, die Story bleibt vorgegeben, gibt den Rahmen der Handlung und kann nur in vorgegebenen Bahnen zum guten oder nicht ganz so guten verändert werden. In Summe ein Eldritch Horror mit Planungskomponente unter Zeitdruck und sich entwickelnder Story, die teils durch die App vorgelesen wird. Mir gefällt es, auch weil es mit Anlehnung an bekannten Spielen ein ganz anderes Spielerlebnis bietet. Und das alles in einer überschaubaren Spielzeit von zwei Stunden. Also kein 4h+ Epos wie Villen des Wahnsinns 2nd Edtion.


    Die Erweiterung zu London Dread ist für ESSEN 2017 angekündigt. Soll das Endspiel verändern und verbessern - einige Stimmen bei BGG stören sich an den Würfeln beim Endboss, für mich gehört dieses zugespitzte Spielelement einfach dazu. Klar kann man in einer Dreierpartie auch mit 5+5+5 angesammelten Würfeln keine geforderten 5 Erfolge würfeln - bei uns war es mit 3-0-4 Erfolge denkbar knapp - aber dann ist das eben so. Hier ist für mich der komplett zurückgelegte Weg das eigentliche Spielspass-Erlebnis und nicht, einzig darauf konzentriert, ob man in den letzen 60 Sekunden des Spiels beim Endboss gut würfelt. Wer so etwas generell nicht mag, ist eventuell schlicht nicht die Zielgruppe oder kann auf diverse Endspiel-Varianten, bei BGG veröffentlicht, zurückgreifen. Nur aus einem Amitrash-Game wird damit auch kein Eurogame. Aber gibt ja ausreichend Alternativen.


    Cu / Ralf