Monsters Menace America - A Game of Mayhem and Mass Destruction

  • Um eine Sache gleich klarzustellen: Dies ist keine Rezension. Ich wollte den folgenden Beitrag als Aufarbeitung der gestrigen Partie ursprünglich im Wochenthread posten; dann aber hatte ich während des Schreibens plötzlich so viel Spaß an der Sache, dass der Beitrag unverhofft immer länger und länger wurde. Abgesehen davon, kann man nach einer Partie kaum von einer richtigen Rezension sprechen. Eigentlich ist dies hier eher eine allgemeine Abhandlung über Spiel- und Designphilosophie in Form eines nicht zielgerichteten Brainstormings geworden, das Monsters Menace Amerika als Anknüpfungspunkt benutzt, und in welches der ursprüngliche Spielbericht dann irgendwann nicht mehr passen wollte, weshalb ich ihn sukzessive löschen musste.


    Ich weiß nicht, ob das, was übrigblieb, wirklich lesenswert ist, aber ich stelle das Ergebnis hiermit einfach mal zur Verfügung.



    Monsters Menace America - A Game of Mayhem and Mass Destruction


    Selbstverständlich kann jeder einzelne von uns jederzeit problemlos damit aufhören, sich andauernd Brettspiele einzukaufen. Jaja, ist schon klar. Wer sich aber ganz insgeheim doch ein klitzekleines Problemchen in Hinblick auf den betriebenen Zeit- und Geldaufwand für sein Hobby eingestehen möchte, und unauffällig doch nach einem Spiel sucht, das ihn von seinem Verhaltensmuster entwöhnt, der kann es ja einmal mit Monsters Menace America probieren. Ich kenne da ein paar richtig eisenharte Eurogamer, die man mit einem solchen Spiel geradezu traumatisieren könnte. Das Spiel ist nämlich kompletter Müll. Lupenreiner, kompromissloser Ameritrash. Wer also mit dieser Richtung schon mal so gar nichts anfangen kann, der lese hier besser nicht weiter. Ich meins ernst.


    Der erste oberflächliche Eindruck ist eigentlich ist schon so unfassbar geil, dass ich dieses Ding vor einiger Zeit praktisch blind gekauft habe. Alleine schon der Titel: "Monsters Menace America - A Game of Mayhem and Mass Destruction". Mann, das klingt doch mal nach was! Dagegen solche Langeweiler-Namen wie "Istanbul" oder "Sankt Petersburg" oder [ hier den Namen einer Stadt oder Insel einfügen ]...? Der Titel kann so jedenfalls mühelos konkurrieren mit anderen grandiosen Namensgebungen wie "Road Kill Rally", "Chainsaw Warrior", "Car Wars" oder "Zombicide". Auf dem Cover zertrampelt ein gigantischer Dino mit blutunterlaufenen Augen gerade den Space-Needle-Tower von Seattle, während er einen Personenzug als Nunchaku gebraucht. Um ihn herum wuseln Panzer und Düsenjäger durch Explosionswände, und im Hintergrund ebnet ein wandelnde Riesenaugapfel mit aus ihm herausschießenden Energieblitzen die Landschaft ein... Woohooo!


    In der Schachtel haben wir selbstverständlich Plastikspielfiguren. Zum einen wären da die sechs zur Verfügung stehenden Monster einschließlich dem auf dem Cover abgebildeten Augapfelmutantending, von dem wir anhand des Monsterbogens erfahren, dass es "Zorb" heißt, aus dem Weltraum kommt, nämlich vom Planeten (Achtung!) Opticus Omega, dass es den Kriegsschrei "zrEEor" von sich gibt und in der Area 51 mit radioaktiver Strahlen behandelt wurde, was seine leicht abnorme Riesengröße bedingt. Außerdem haben einen Haufen Panzer, Flugzeuge, Cruise Missiles, Raketenwerfer und Atom-U-Boote. Letztere allerdings leider nicht als Plastikfigur. Sehr Schade.


    Wir haben also schon mal: den passenden Titel, Amerika im Krieg, Plastik-Monster, Plastik-Panzer... was fehlt uns noch im Ensemble der Grundeigenschaften des genreechten Ameritrash-Spiels? Genau. Würfel! Kein AT-Spiel ohne Würfel! Davon hat es leider nur mickrige drei Stück im Spiel, aber die sind dafür schön giftgrün-goldig, gerade so, als ob sie auch ein bisschen zu lange in der Area 51 mit radioaktiven Strahlen behandelt worden wären.



    So, und jetzt?


    Jetzt übernehmen wir als Spieler je ein Monster und versuchen im Folgenden, Amerika möglichst rabiat kaputtzumachen. Warum, weiß kein Mensch. Sobald Amerika kaputt ist, hauen wir uns noch gegenseitig auf den Sack, bis nur noch einer übrig bleibt. Warum, das weiß auch kein Mensch. Das war's....halt nein, das Militär! Jeder von uns steuert aus ebenso unerfindlichen wie wunderbaren Gründen auch noch jeweils einen Teil des Militärs, und hetzt es den anderen Monstern auf den Hals. Dabei erforscht und baut das Militär im Laufe des Spiels Riesenmonstereinheiten wie Captain Collosal (der dann als Plastikfigur aufs Spielbrett kommt), während auch die Monster immer infamer werden und bei Beschuss zuweilen unverhofft mutieren.



    Meinung


    Ich habe einmal ein Interview mit Uwe Rosenberg gehört, in dem dieser sinngemäß sagte, es sei ein Grundprinzip seiner Designphilosophie, die Spieler etwas aufbauen zu lassen, weil dies im Spieler ein gutes Gefühl erzeuge. Good Vibrations für alle, sozusagen. Das mag schon sein, bei IWdZ geht es mir auch so; aber manchmal -- eigentlich ziemlich oft, wenn es um Brettspiele geht -- sehe ich das total anders: Ich will lieber Dinge einreißen. Ja, ich gebe es zu: Ich bin der Typ, der sich gerne auch mal Videos von Hochhaussprengungen ankuckt. Ich habe einfach Spaß an Krawall- und Kampfspielen. Ich lasse gerne Panzer in der Gegend herumfahren und Monster Städte zertrampeln. Von daher ist dieses Spiel genau mein Ding. Grundsätzlich.


    Das Spiel grottenschlecht, total hirnlos und zugleich unglaublich geil. Selbstverständlich muss jeder Spieler immer seinen Kriegsschrei ausstoßen, wenn er eine Stadt vernichtet, und keinesfalls sollte man vergessen, beim Abfeuern einer Rakete "wwwusch!" zu sagen und "KA-WUMM!" beim Einschlag. Ein bisschen Taktik steckt auch darin. Es ist nicht weltbewegend viel, doch gerade genug, um über die ca. 1,5h zu unterhalten. Viel wichtiger ist natürlich, den führenden Spieler immer geschlossen zu attackieren. Bei dieser Spielweise levelt sich das Spiel immer wieder aus und bleibt spannend. Man kann das als gemobbte Anführer mit der richtigen Taktik etwas abmildern, aber insgesamt darf man so ein Spiel nicht ernst nehmen.


    Bei dieser Gelegenheit will ich einmal einen größeren Bogen schlagen zu einer kurzen Sammlung grundlegenden Unterschieden der Prioritäten beim Spieldesign. Ich würde sagen, mit unserem deutschen Familienspiel und dem daraus erwachsenen German Game (nicht aber der modernen schweren Euros) sehen wir in aller Regel folgende Zielsetzung verfolgt: Das Spiel soll für jeden spielbar sein, in der Familie also vom Kind bis zu den Großeltern. Das Thema soll dem Spieler ermöglichen, intuitiv die Regeln zu verstehen und darf keinesfalls anstößig sein. Interaktionen sollten immer konstruktiv sein und keinesfalls Aggressionen erzeugen.Das moderne Eurogame spricht dagegen eher den Denker und Stratege an, der gerne immer und allzeit die Kontrolle über den Spielablauf behalten möchte, der ausgefeilte Mechanismen schätzt (und zuweilen einen kuriosen Mechanismen-Fetisch entwickelt), der Glückselemente, Königsmacherei und Leaderbashen verabscheut und die Herausforderung des intellektuellen Kräftemessens liebt.


    All das kann man von Monsters Menace Amerika nicht erwarten. Weder kann es den Familienspieler, noch den Eurogamer ansprechen, vom Wargamer ganz zu schweigen. Das Spiel ist sehr einfach, glückslastig, kompromisslos destruktiv und natürlich konfrontativ. Das Thema ist anstößig, weil gewaltverherrlichend (oder zumindest gewaltverharmlosend), und spricht dabei doch fast niemanden außer minderjährige Jungs ab dem Alter von vielleicht 10 oder 12 an, und um an diesem Spiel Spaß zu haben, muss man es womöglich aus so spielen wie ein Kind in diesem Alter. Ich wünschte, es hätte so ein Spiel schon gegeben, als ich noch in diesem Alter war... Für den durchschnittlichen erwachsenen Spieler ist das Spiel zu primitiv und infantil, auch in Bezug auf die grafischen Gestaltung mit ihren einfachen Zeichnungen und grellen Farben. Ich achte sehr auf solche Dinge, und auch in dieser Beziehung ist MMA einfach kindisch. Das macht mir nicht viel aus, aber wie bereits gesagt: Man muss man MMA schon als Beer-and-Pretzel-Game verstehen, denn selbstverständlich fallen auch mir auf Anhieb mindestens fünf andere Spiele ein, die von der Grundausrichtung her betrachtet in eine ähnliche Richtung gehen, aber taktisch/strategisch wesentlich interessanter und somit ernst zu nehmen sind.


    MMA ist einfach Trash. Waschechter Ameritrash mit der Betonung auf "Trash". Sofern man nicht mehr zur vermeintlich ursprünglichen Zielgruppe minderjähriger Jungs gehört, spielt man ein solches Spiel irgendwo letztlich aus demselben Grund, aus dem man sich grottige Kung-Fu-Filme aus den Siebzigern, oder natürlich japanische Monsterfilme a la "King Kong - Frankensteins Sohn" anschaut: Weil sie schrottig, aber sympathisch sind. Was im Filmbereich ein "B-Movie" ist, ist im Brettspielbereich ein Spiel wie dieses. MMA gehört in die selbe Kategorie wie ein Flying-Frog-Spiel mit seiner unterirdisch schlechten Soundtrack-CD und den schrecklichen Photoshop-Grafiken. Cooles Thema, stimmungsvoll, unterhaltsam, klischeebehaftet, mechanisch und dramatisch eher durchwachsen, aber unverwässert und liebenswert.


    Für eine BGG-10 ist das also leider nicht genug. Abgesehen von der fehlenden Tiefe muss ich diesem ansonsten großartigen Spiel leider auch noch einige Sympathiepunkte dafür abziehen, dass die Cruise Missiles der Marine und der Air Force nicht mit Atombomben bestückt sind. Das ist sehr schade, denn das Spiel fühlt sich so einfach nicht komplett an. So bleibt nach dieser ersten Partie leider nur eine BGG-6

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

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  • Ich find's richtig schade, dass es keine lokalisierte Variante von diesem Spiel gibt. "Monster-Amok Deutschland" - das wäre cool. Naja, es wird eh nicht passieren, weil unsere heimischen Verlage ja offenbar keinerlei Sympathien für solche überragenden Spiele wie MMA zu haben scheinen, aber ich hätte echt einen Heidenspaß daran, mit einen nuklearen Dino aus dem All München zu plätten.


    Ich glaube, wenn ich ein bisschen Erfahrung in diesem Sektor hätte, dann würde ich so etwas tatsächlich mal als Crowdfunding-Projekt anpacken. :)

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • Du würdest eine dt. Lokalisierung wollen für ein BGG Spiel der Note 6?

    Was spricht dagegen? Ich hab das Spiel zwar noch nicht gespielt, aber es gib ja durchaus Sachen, die eigentlich nur so lala sind, aber trotzdem hin und wieder total gut. Kennst du noch die alte Serie "Der Clown"? Da ist immer alles explodiert, die Gebäude wurden nur aus dem Fenster verlassen und Cobra 11 hat sich wie ein Nachmittagsprogramm gefühlt. Total doof alles. Aber super! Die Mumie ist eigentlich auch so ein Film, der ziemlich mies ist. Aber ich finde ihn immer, wenn ich ihn sehe (selten), wieder höchst unterhaltsam.Von daher finde ich es absolut richtig, sich für ein Spiel, dem man vielleicht nur ein BGG 6 geben würde, eine deutsche Lokalisierung zu wünschen :)


  • Entschuldigt mich, aber ich muss kurz Pacific Rim anschauen...

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

  • Ich find's richtig schade, dass es keine lokalisierte Variante von diesem Spiel gibt. "Monster-Amok Deutschland" - das wäre cool. Naja, es wird eh nicht passieren, weil unsere heimischen Verlage ja offenbar keinerlei Sympathien für solche überragenden Spiele wie MMA zu haben scheinen, aber ich hätte echt einen Heidenspaß daran, mit einen nuklearen Dino aus dem All München zu plätten.

    Die Verlage haben keine Sympathie für Spiele mit denen sie Geld verlieren; deswegen machen sie keine Lokalisierung.

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Entschuldigt mich, aber ich muss kurz Pacific Rim anschauen...

    Ein sehr sehenswerter, liebenswert gemachter Film. Von Geeks für Geeks. Wer Godzilla mag wird Pacific Rim lieben. Es soll ja ein zweiter Teil rauskommen *)
    @Bierbart: Richtig toll geschrieben. Falls du mal wieder in der Gegend bist, bring es doch mit ;)