Euphoria: Einfluss der Glückselemente?

  • Moin,


    nach zwei Partien Euphorie (einmal zu fünft und dann zu dritt) ein paar Beobachtungen:


    Euphoria ist im Kern ein Wettrennen, seine 10 Sterne als Erster ablegen zu können. Dabei bietet das Spiel diverse Spielmechansimen, um diesen Prozess zu optimieren, damit man schneller oder auch effektiver als die Mitspieler agieren kann. Die möglichen Wege sind vielfältig, drehen sich im aber meist um das Sammeln von Spiel-Elementen und deren Umwandlung in andere Spiel-Elemente. Mal ganz abstrakt geschrieben. Motor des Ganzen ist ein Workerplacement-Mechanismus, bei dem man gerne möglichst vermeiden möchte, Spielzüge mit dem Zurückholen der Worker in den eigenen Einsetz-Vorrat zu verschwenden.


    Dabei gibt es allerdings Glückselemente, die ich nach diesen zwei erlebten Partien als erheblich bis entscheidend empfunden habe:


    - Wer Paschs würfelt, kann mehrere Würfel in seinen Zug einsetzen und damit auch mehrere Aktionen in seinem Zug machen, wo normal nur eine Aktion erlaubt ist
    - Wer gleiche Artefaktkarten zieht, der spart ein Drittel seiner Artefaktkarten ein, wenn man die umwandelt (2 gleiche statt 3 beliebige)
    - Wer nicht zu hoch würfelt, der braucht auch nicht zu befürchten, dass er einen Worker-Würfel wieder abgeben muss
    - Die Rekrutenkarten sind in ihren Funktionen unterschiedlich stark, mal helfen die direkt bei der zusätzlichen Stern-Ablage, andere Karten geben hingegen nur eine Grundrohstoff
    - Ob man von Mitspielern an Würfel-Positionen verdrängt wird (was gut ist) oder nicht, hat man selbst nicht in der Hand und entscheiden alleine die Mitspieler
    - Einige Malus-Effekte von Märkten, an denen man nicht beteiligt ist, setzen auf bestimmte Zahlenwerte beim Auswürfeln seiner Worker, um dann negativ zu wirken
    - Wenn man alleinig eine andere verdeckte Rekruten-Fraktion als die Mitspieler hat, muss man alleine sehen, diese Karte irgendwann man umdrehen zu können und kann da nicht auf Mitspielerhilfe hoffen, weil man selbe Teilziele verfolgt


    Entscheiden dieses Glücksfaktoren in der Summe eventuell sogar eine Partie? Zumindest wenn alle Mitspieler die (nach einer Partie überschaubaren) Grundprinzipien der Möglichkeiten verstanden haben und auch bemüht sind, möglichst effektiv zu spielen. Wie lief es bei Euch? Könnt Ihr das bestätigen oder seht Ihr es komplett anders? Eventuell verschiebt sich der Blickwinkel ja auch noch mit mehr Spielerfahrung?


    Aktuell weiss ich noch nicht so recht, was ich von dem Spiel halten soll. Es ist eine Mischung aus Eurogame-Elementen mit Amitrash-Atmosphäre und Glücks-Komponenten und wandelt damit irgendwo zwischen beiden Welten. Für ein reines Eurogame hat es zu viele unwägbare Glückskomponente. Für ein reines Amitrash-Spiel vermittelt es den Eindruck von zu viel eigenen Entscheidungseinfluss. Die angegebenen 60 Minuten Spielzeit haben wir dabei locker übertroffen (gut zwei Stunden zu fünft und 90 Minuten zu dritt)


    Cu / Ralf


    PS: Insgesamt fand ich das Spiel allerdings spielenswert und gut - im oberen Drittel der 2013er-Neuheiten aber eben nicht an meiner persönlichen Spitze mit Russian Railroads, Lewis & Clark und Mage Wars.

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Ich hab inzwischen auch einige Partien hinter mir (2 und 4 Spieler) und finde den Glücksanteil ausgewogen. Klar ist einiges nicht steuerbar, aber fast alles kann durch eine durchdachte Spielweise ausgeglichen werden.


    Auf deine Punkte bezogen:

    - Wer gleiche Artefaktkarten zieht, der spart ein Drittel seiner Artefaktkarten ein, wenn man die umwandelt (2 gleiche statt 3 beliebige)


    Einfach die Moral und somit das Handlimit erhöhen. Hatte selten das Pech bei 5 oder 6 Handkarten nicht ein Paar zu haben.


    - Wer nicht zu hoch würfelt, der braucht auch nicht zu befürchten, dass er einen Worker-Würfel wieder abgeben muss


    Wissen niedrig halten und eben nur soviel Arbeiter zurücknehmen wie man riskieren möchte. Ansonsten wird Risiko eben belohnt oder bestraft, sehe ich aber nicht als Glücksfaktor.


    - Die Rekrutenkarten sind in ihren Funktionen unterschiedlich stark, mal helfen die direkt bei der zusätzlichen Stern-Ablage, andere Karten geben hingegen nur eine Grundrohstoff


    Da man am Anfang ja vier Karten zur Auswahl hat, lässt sich direkt eine Auswahl und Strategierichtung festlegen. Ja, einige Rekruten sind je nach Spielverlauf und Rekruten und Spielweisen der Mitspieler stärker oder schwächer. Bisher hatte ich aber bei keinem der Rekruten das Gefühl, dass einer viel zu stark war.


    - Ob man von Mitspielern an Würfel-Positionen verdrängt wird (was gut ist) oder nicht, hat man selbst nicht in der Hand und entscheiden alleine die Mitspieler


    Ja, die Entscheidung liegt nicht bei mir, aber man kann anhand der Ressourcen, Positionen und Rekruten der Mitspieler oft Positionen nutzen von denen man wieder verdrängt wird.


    - Einige Malus-Effekte von Märkten, an denen man nicht beteiligt ist, setzen auf bestimmte Zahlenwerte beim Auswürfeln seiner Worker, um dann negativ zu wirken


    Ich fand diese Effekte meist vernachlässigbar, da zu dem Zeitpunkt wo viele Märkte aktiv waren ich immer genügend Ressourcen hatte. Grundsätzlich hat man dann ja auch immer die Möglichkeit, seinen Stern auf einen Markt zu platzieren, den man nicht selbst gebaut hat.


    - Wenn man alleinig eine andere verdeckte Rekruten-Fraktion als die Mitspieler hat, muss man alleine sehen, diese Karte irgendwann man umdrehen zu können und kann da nicht auf Mitspielerhilfe hoffen, weil man selbe Teilziele verfolgt


    Ja, das kann durchaus passieren, wobei ich es auch nicht als unbedingt nötig ansehe den zweiten Rekruten aufzudecken. Ich habe gestern eine 4 Spielerpartie nur mit einem Rekruten (zugegebenermaßen gut für den Fraktionsfokus geeignetem) gespielt und mich nicht um den zweiten gekümmert und am Ende gewonnen.
    Alternativ kann man auch die Rekruten am Anfang draften um so vorher besser einschätzen zu können welche häufig vorhanden sein sollten in den Händen aller Spieler.



    Das Spiel hat mir bisher sehr gut gefallen, insbesondere das Abwägen, wann man Märkte baut und seine Arbeiter so platziert, dass diese umsonst zurück kommen ist interessant. Einzig bei den "Ethical-Dilemma" Karten bin ich mir nicht so sicher. Haben auch der Einfachheit halber ohne diese gespielt, da diese am Grundprinzip des Spiels nichts ändern.

  • Ich hatte eine Dreierpartie, in der ich mehrfach genau die Zahl gewürfelt hatte, die mir einen Markt-Malus gab. Zusätzlich mit nur drei Würfeln zwei mal ein 6+6+5 gewürfelt und den mühsam erworbenen dritten Würfel wieder verloren und dazu auch noch den Pasch nicht nutzen können. Dann in den ersten zwei Spieldritteln keine einzige doppelte Karte gehabt, so dass ich da ein-zwei Aktion mehr brauchte, um eben drei Karten eintauschen zu können, An der Aufdeckung meines zweiten Rekruten musste ich alleine arbeiten, da die Mitspieler (wie sich nachher auch bestätigte) eben andere Fraktionen hatten.


    In der Summe erschienen mir das als enorm viele Rädchen des Glücks, die sich gegen mich drehten, mich ausbremsten, aber genauso gut hätten auch gut für mich laufen können. Deshalb mein Eindruck, dass man wohl nur mit ausserordentlich genialem Spiel (was ich nicht so aufs Brett legen konnte) gegen solches Pech ankommen kann.


    Cu / Ralf


    PS: Im Gegenzug habe ich mich dann gestern (eher heute morgen) bei Twilight Imperium 3 extrem überdurchschnittlich glücklich auf Platz 2 von 5 gewürfelt. Gleicht sich alles also wieder aus - irgendwie und irgendwann. ;)

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Hi Ralf,


    du möchtest also sagen, dass mein Sieg auf ausserordentlich genialem Spiel beruht? :)


    Mir scheint, hier liegt ein klarer Fall von selektiver Wahrnehmung vor. Auch ich habe mehrfach Würfel verloren und hatte die meiste Zeit über nur 1 Artefaktkarte. Meinen 2. Rekruten musste ich auch allein aktivieren, und meinen 1. konnte ich kaum nutzen. Der Marktmalus, dass ich Wissen erwerbe, wenn ich einen Siegpunkt platziere, hat mich auch öfter getroffen.


    Jeder von uns hat wahrscheinlich geglaubt, dass er vom Pech verfolgt wird - allerdings jeder auf eine andere Weise. Der eine weil er hohe Zahlen würfelte, der andere weil er mit seinen Start-Rekruten nix anfangen konnte, und der dritte weil er auf der Allegiance Leiste nicht voran kam. Am Ende war es aber doch recht knapp. Carsten hatte noch 1 Siegpunkt, den er hätte platzieren müssen und du 2(?). Wäre jemand wirklich vom Pech verfolgt gewesen, hätte es wohl anders ausgesehen.


    Ich denke, man muss sein Spiel einfach anpassen. Man muss aus dem, was man hat, das Beste machen und sehr zielgerichtet spielen. Ich habe z.B. Wissen nur gesenkt bzw. Moral erhöht, wenn ich dies auch wirklich nutzen wollte. Warum sollte ich Aktionen für ein größeres Handkartenlimit opfern, wenn ich es nicht brauche und es jederzeit wieder sinken kann? Da erhöhe ich es lieber, nutze es schnellst möglich und kümmere mich dann nicht weiter darum. Genau so der Malus des Marktplatzes: Nervt er mich, versuche ich, dort einen Siegpunkt zu platzieren, oder ich passe mein Spiel an. Ich habe einfach das Wissen nicht aktiv gesenkt, so dass die Erhöhung des Wissens durch den Malus verpuffte.

  • Interessanterweise haben in meinen zwei Partien jeweils die Mitspieler gewonnen, die einen Rekruten hatten, mit dem es möglich war, einen zweiten Siegpunktmarker zu platzieren. Zufall oder sind die Rekruten wirklich extrem unterschiedlich stark in ihren direkten Auswirkungen aufs Spiel?


    Klar muss man - wenn möglich - das Beste machen und auch vorab erkennen, was das Beste im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten durch Rekruten und Spielsituation ist. Aber und das frage ich mich eben, ob die diversen Glücksfaktoren diese ganzen Entscheidungen zwar nicht egal werden lassen, aber bei selben Spielniveau (ich hatte in der Dreierpartie viel stärker meine Start-Rekrutenkarte mit Bliss-Bonus nutzen sollen) am Ende dann überwiegend das Glück entscheidet?


    Ganz unabhängig davon bleibt Euphoria für mich aber weiter interessant.

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Ich glaube schon, dass die Rekruten unterschiedlich stark sind, auch abhängig davon welche Rekruten die anderen Spieler haben und wie sie spielen.


    Dein Beispiel mit dem 2ten Stern Rekruten ist aber auch kontrollierbar. Der Stern wird im gleichen Territorium platziert wie der Markt an dem der Arbeiter eingesetzt wird, und der Arbeiter geht verloren. Der Einsatz dieser Fertigkeit ist also kostspielig. Außerdem lässt sich insbesondere in einer Partie mit wenigen Spielern, die selbst dort Sterne platzieren die Fertigkeit negieren.



    Ich glaube nicht, dass überwiegend das Glück entscheidet, auch wenn es in Extremsituationen durchaus ein Faktor sein kann. Dein Beispiel mit 6+6+5 sehe ich nicht als Pech sondern als bewusst eingegangenes Risiko (wenn auch ein geringes).