Istanbul: eine etwas andere Spielekritik


  • Was hätte ich für ein verschobenes Weltbild von Singapore, Hawai, Attila, Brügge, Strasbourg, Amun Re, Orleans, Ulm, Nofretete, Louis XIV, Las Vegas.... etc., etc.

    In Orléans wurde im Mittelalter tatsächlich das Sackhüpfen erfunden. Nannte sich Cul de Sac. Also frei übersetzt Cool mit dem Sack. Und es war zu Beginn ausschließlich Männern vorbehalten. Insofern ist die weibliche Bäuerin bei Orléans auch ein grober historischer Schnitzer.

  • Als "Migrantenkind", das sich viel mit Orientalismus, dem zitierten Said und anderen beschäftigt, kann ich mal meine Perspektive darstellen, danach wurde ja zumindest öfter im Thread gefragt.


    Ich mag das Spiel. Ich finde die Illustrationen liebevoll und heimelig gestaltet. Ich freue mich über jedes "orientalisch" angehauchte Brettspiel und würde dem Autor keine böse Absicht unterstellen (Pegasus auch nicht). Ich würde aber Menschen, die dort einen, meiner Meinung nach _legitimen_, Kritikpunkt sehen nicht von vornherein verdammen.


    Meine scherzhafte Bemerkung zu einer Freundin am Telefon als ich Istanbul ge-unboxed habe und mir alles anschaute war "und, bei einem Nafrispiel natürlich ganz wichtig, Schwarzmarkt und Polizeiwache!" Es war wirklich ein Scherz, ich fand's (halb selbstironisch, halb vor-Stereotypen-resignierend) schwarzhumoriglustig. Ich bin ja selbst Halb-Nafri, werde aber dank meines Kopftuchs vermutlich im Denken Einiger des "Halbs" entledigt. Und, klar, Istanbul ist nicht Nordafrika, ich betreibe hier selbst in ironischer Weise Orientalismus, da war nämlich gerade die Nafridebatte am Brennen, ansonsten hätte ich Türkenspiel gesagt, kommt ja in den Augen vieler aufs Gleiche raus :D


    Kunst/Kultur/Spiele/Literatur => das Alltagsdenken - all dies wird in großen Teilen wahrscheinlich immer voller Vorurteile (wertfrei, es gibt positive und negative) und Kategorisierungen sein. Die einen können sich darüber besser im klaren sein und das reflektieren, andere gehen kritikfreier damit um.
    Was ich für mich wichtig finde, ist, zu eruieren, wie schädlich im aktuellen Zeitgeist welche dieser Stereotypen sind. Ich würde eine pragmatische Herangehensweise an die Problematik gut finden. In Deutschland sind über die Hälfte der Leute für einen kategorischen Muslimban. Darf man dann über ein Spiel wie Istanbul auch kritisch berichten? Ich finde schon, solange man seine Argumente belegt und verständlich macht.


    Woran ich euch, damit meine ich diejenigen, die dem Artikel _überhaupt_ nichts abgewinnen können, bitten würde zu denken - aus eurer Warte (die auch teilweise meine ist, da ich hier geboren, aufgewachsen, sozialisiert bin und hier meine gesamte akademische Karriere durchlebt habe) sind solche Arten der Kritik wahrscheinlich eher augenverdrehend-überkandidelt. Für unsereins, die wir selbst in einer durchmischten Gesellschaft wie Frankfurt, von GUTEN FREUNDEN hören, sie könnten sich vorstellen, die AfD zu wählen, obwohl sie mit fast nichts aus deren Wahlprogramm übereinstimmen, NUR damit weniger Muslime ins Land kommen (mir passiert), die von der EIGENEN evangelikalen Seite der Familie mit regelmäßigen Ausfällen gegen unsere Religion konfrontiert werden (mir passiert), die auf der Arbeit von Kollegen hinterrücks "Kameltreiber" genannt werden (meinem Mann passiert), die beim Fußball als "Scheißmarokkaner" (nicht dass wir Marokkaner wären, aber darum geht's ja nicht :D ), "Scheißausländer", "Kanacke" und "Asylanten" beleidigt werden (passiert meinem Mann regelmäßig, nur EINmal gab es vom Schiri eine Reaktion...), die im Zug von Mitreisenden gefragt werden, ob sie eine Bombe in der Tasche haben (einem Kumpel passiert), die von Polizisten zu hören bekommen "Ja, ich weiß ja nicht ob du eine Bombe im Rucksack hast und Mohammed heißt" und "du Ausländer" genannt werden (einem Kumpel passiert), die, selbst als Doktoranden, von Professoren namhafter Stiftungen mit Aussagen wie "Ihre Mutter ist ja sicher auch mit 14 an einen Onkel verheiratet worden" konfrontiert werden (einem Kumpel passiert), deren Boss vor der Festeinstellung überlegt, ob man eingestellt werden sollte, da man neben der deutschen auch die syrische Nationalität hat (einer Freundin passiert, übrigens laaaange vor dem Krieg jetzt), die sich regelmäßig mit der Ausländerbehörde und den Mitarbeitern dort, die Sprüche wie "Ruhe jetzt, wir sind hier nicht auf dem Basar!!" anhören müssen (mir passiert), sind diese Kritiken an Stereotypen, selbst im erstmal harmlos erscheinenden Kontext, nicht SO weit hergeholt, nicht SO ganz augenrollen-hervorrufend und ihnen ist nicht ganz so leicht mit einer "einfach drüber lachen"-Haltung zu begegnen, wie manch anderem, zu dessen Lebenserfahrung dies alles in diesem Umfang nicht gehört.


    Ich würde nicht so weit gehen, meine Energie für Kritik des, wie ich ihn nennen möchte, "harmlosen Orientalismus" zu verwenden. Mokka, Bakschisch, Teestube, Markt/Basar - die tun keinem weh. Auch aus meiner Halborientalenperspektive gibt es bei der Inszenierung einer Stimmung mit DIESEN Hilfsmitteln, so klischeehaft sie sein mögen, keine echten Reibungspunkte. Die Polizeiwache, der Schwarzmarkt und das regelmäßig eingekerkerte "Familienmitglied" hingegen - würde ich sagen, das Wahrnehmen dieser Teile des Spiels ginge bei mir VÖLLIG ohne den geringsten "Stich im Herzen" ;) vonstatten, dann wäre das nicht wahr. Dazu wird mir mein (halber) Kulturkreis leider zu häufig, selbst von liberalsten Gemütern auf Kriminalität und Großfamilienclans reduziert.


    Damit stelle ich nur meine Empfindungsweise dar, ohne dem Autor Dorn, den Leuten, die das Spiel toll finden oder gar jedem einzelnen Spieler irgendwelche niederen Intentionen zu unterstellen. Ich finde diese Aspekte des Spiels keine Katastrophe, ich überlege aber gerne, ob es anders möglich wäre, ohne dem Spiel selbst etwas zu nehmen. #Targi schafft das ja auch sehr schön. :)


    Langsam verstehe ich, warum Mittelalter-Themen so beliebt sind. Da sind Autor und Verlag relativ sicher vor irgendwelchem Gesinnungsterror selbsternannter Weltverbesserer, die keine Gelegenheit auslassen, irgendwas bewusst falsch zu verstehen, um dann mit Vorwürfen um sich zu schmeißen.

    Ich finde diesen Vorwurf von deiner Seite verwunderlich. Ich weiß jetzt gerade nicht mehr im welchen Thread zu welchem Spiel das war (Scythe?), aber ich fand deine Ausführungen gerade bezüglich der Metadiskussion ("Sollte sowas überhaupt diskutiert werden oder sollten wir das beste unterstellen, und jeder, der Probleme mit einer Darstellung von einem Volk hat, soll sich entspannen und still sein") dort ziemlich einsichtsvoll und eigentlich dem, was du hier schreibst, widersprechend. Vielleicht habe ich irgendwo etwas falsch verstanden.


    Er impliziert das es die Menschen (die Spielen wie auch die die "eingeladenen Migraten") nicht in der Lage sind zu Begreifen um was es sich hier handelt. Er unterstellt weiter ja dem Pegasusverlag Ausländerfeindlichkeit (unter dem Deckmantel des Orientalismus) - das ist ein starkes Stück.
    Das ist ehrlich gesagt eine Beleidigung sowohl der "deutschen Familien" wie auch die "migranten Familien".

    Ich hatte ihn nicht so verstanden (und wenn, dann würde ich es nicht unterschreiben), dass er den Leuten unterstellt, diesen Unterschied nicht zu begreifen, oder dem Verlag Ausländerfeindlichkeit unterstellt.
    Ich hatte es so verstanden, dass er eine klischeehafte Darstellung kritisiert, weil sie negative Folgen nach sich ziehen kann, eben in der Weiterverbreitung eines Bildes - auch ungewollt, auch ohne Absicht, auch ohne echte Feindlichkeit dahinter.
    Wenn ich bedenke, wie viele feindliche Äußerungen gegen Menschen meiner Herkunft, meiner Religion oder meines Kulturkreises ich von Menschen höre, die jedoch jeden Funken einer Voreingenommenheit bei sich abstreiten würden, denen ihre bis ins Hassen gehenden Äußerungen in ihrer Tragweite eben gar nicht bewusst sind - dann finde ich es gut und richtig, auch über problematische Darstellungen zu reden, die noch weeeeit unter schwarz-auf-weiß-rassistischen, "Nigger sollen baumeln"-Ansichten o.ä. rangieren. Schädliche Einstellungen und Ansichten fangen mMn nicht erst an, wenn jemand ein vollständiger, selbsterklärter Rassist ist.
    Soll heißen - es gibt meiner Meinung nach noch unter eindeutigem Rassismus / eindeutiger Ausländerfeindlichkeit Ein-, Vor- und Darstellungen, die reflektiert und diskutiert werden dürfen und sollen. Dazu kann, finde ich, ein Brettspiel, das in einem "orientalischen" Raum spielt und in dem Polizeiwache, Familienbande und Schwarzmarkt eine mit-tragende Rolle spielen gehören, auch ganz ohne böse Absicht des Autors.

    I wish I had a friend like me

    Einmal editiert, zuletzt von Pikmin ()

  • Und ich sage, dass ich gerade das zensieren oder verteufeln von Stereotypen als gefährlich erachte - Denn in Zeiten voller Stereotypen wie den 90ern haben türkische und deutsche Familien in unserer Nachbarschaft noch gemeinsam gegrillt, gelacht und gearbeitet - Da war der Umgang noch herzlich und voller Humor - Und liebevoller, stereotypischer Neckereien....das ist im Laufe des letzten Jahrzehnts verloren gegangen...dem Jahrzehnt in dem die Kleine Hexe, der Negerkuss und Pipi Langstrumpf umgeschrieben wurden.


    Ich kann den durchaus ehrbaren Ansatz ja verstehen, aber meiner Meinung nach bewirkt er das genaue Gegenteil - Er teilt noch mehr die Kulturen statt zu einen....

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

  • Und ich sage, dass ich gerade das zensieren oder verteufeln von Stereotypen als gefährlich erachte

    Ich würde es ein bisschen anders formulieren, auch wenn ich dir im Grunde recht gebe. In manchen Fällen steckt hinter den Stereotypen eben doch eine abschätzige, negative Meinung, und dann ist Kritik daran absolut gerechtfertigt. Da kann's eigentlich keine zwei Meinungen geben.


    Das Problem entsteht meiner Meinung nach erst in dem Moment, wo einige Spezialisten erst gar nicht mehr versuchen zu ergründen, ob jemand wirklich eine negative Meinung von Ausländern, Frauen, Orientalen oder Was-auch-immer hat, sondern sofort die Chance zum Aufregen ergreifen und irgendwelchen Rassismus, Sexismus, Orientalismus und sonstigen -ismus unterstellen, was insbesondere alle offiziellen Interessenverteter von Sonstwem immer gerne tun. Da wird dann nicht mehr gefragt "wie hast du das gemeint?", sondern bei der Verwendung von bestimmten Schlüsselworten sofort die Chance ergriffen, den anderen verbal zum Abschuss freizugeben. Das in Kombination mit nachlassender Toleranz in der modernen Welt -- man will nicht mehr akzeptieren, dass andere Leute auch andere Meinungen haben dürfen -- führt dann dazu, dass einige weniger clevere Leute eher dazu übergehen, öffentlich gar nichts mehr zu sagen und hinter vorgehaltener Hand oder anonym im Internet umso radikaler werden. Finde ich nicht wirklich zielführend. Da wär's manchmal sinnvoller, so manche eher ungeschickte als bösartige Äußerung einfach zu überlesen.

  • Übrigens @Pikmin


    Diese "Aufzählung" was nicht alles so böses passiert geht auch andersherum - Will ich garnicht mit anfangen, wir sind hier nicht beim "Wer ist böser und wer hat angefangen" Quartett - Aber Du kannst Dir sicher sein, dass ich als Arbeitsvermittler für Jugendliche eines Jobcenters in einer Problemstadt durchaus auch die eine oder andere Aufzählung von ähnlichgelagerten Anfeindungen von Migranten auspacken könnte - Zumeist nicht bei mir selbst (dafür nehme ich zuwenig persönlich und habe glaube ich eine sehr lockere Art, die auch bei den Kids halbwegs ankommt), aber wie Du von Kumpeln, Deinem Mann oder Verwandten schreibst, kann ich da auch Geschichten von Arbeitskollegen, besonders -Kolleginnen und auch meiner Partnerin erzählen....Da ist die "Nazikeule" die so gerne ausgepackt wird noch absolut das harmloseste...Jeder macht irgendwie seine Erfahrungen.


    Das tut hier aber nichts zur Sache und darin ist ganz bestimmt kein Istanbul oder irgendein anderes Vergnügungsgut schuld. Ganz im Gegenteil - Diese vermitteln und nehmen verspielt und ironisch Ängste und Sorgen und fördern den lockeren Umgang miteinander (zumindest ist das meine Beobachtung - Genau so gehe ich zumindest mit meinen Kids am Tisch um...und das klappt deutlich besser als das "Überkorrekte").


    Migranten die mir am Tisch sagen ich behandle sie nur so, weil sie Ausländer sind sage ich zb zumeist "Ne, ich behandle einfach jeden gleich scheiße" :) Das kommt gut an, bringt zum schmunzeln und regt zum nachdenken an - Und genau durch diese Art hatte ich noch nie Probleme - Auch weil ich nicht jede stereotypische Betrachtung meines Berufs oder meiner Nationalität (deutsch) gleich krumm nehme - Sondern mitmache und mitlache.

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

  • @Harry2017


    Ich sehe nicht, wie ein lockerer Umgang mit Begrifflichkeiten wie Negerkuss u.ä. den Umgang mit anderen Kulturen bzw. deren Mitgliedern erleichtern sollen? Warum soll ich mich humorvoll als Neger, Orientale etc. bezeichnen lassen? Warum auf etwas äußerliches reduzieren, daran kann man in der Regel nichts ändern. Auf dich treffen diese Bezeichnungen doch gar nicht. Da ist es einfach, sowas als humorvoll abtun.
    Es ist ja auch nicht deine Kultur die karikiert wird. Wenn doch, würde ich gern ein Brettspielbeispiel hören, die einen spielerischen, ironischen Umgang mit der deutschen Kultur aufweist und dessen Ängste nimmt.
    Es ist auch nicht so, dass ein Istanbul einen zum Rassisten macht, niemals, aber doch Unterschwelig Vorurteile festigt.


    Und ja, solche Spiele bzw. Cover a la Mombasa geben mir einen Stich ins Herzen und ich kann daran nichts humorvolles erblicken.

  • Der dicke deutsche dümliche Junge in Simpsons (Uter), Das Spiel Tanto Cuore Oktoberfest, der Film "Bierfest" - Stört mich alles nicht...Ich lache mit. Der penible dicke deutsche Urlauber in Tv und Film, die Wirtin mit Dirndl im Dungeoncrawler - alles für mich kein Problem - Wir werden oft genug auf die Schippe genommen, es stört aber zumeist keinen. Und ganz ehrlich: Ich würde gerne solch ein Spiel spielen, dass uns Deutsche stereotypisch karikiert auf die Schippe nimmt und mit Vorurteilen spielt. Es liegt am Spieler daraus das richtige zu machen!


    Ich sehe sowas wie Istanbul nicht als Problem an - Sondern ganz im Gegenteil: als DIE Lösung! Das gemeinsam zu spielen und sich darüber austauschen - Das bringt die Menschen wieder näher...


    Mombasa ist da ein ganz anderes Thema - Es karikiert nicht.

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

  • @Harry2017
    Ja gut - deine Herangehensweise jeden gleich scheiße zu behandeln entbehrt wenigstens einer gewissen Konsequenz nicht :D Aber andere dürfen meiner Meinung nach trotzdem versuchen, alle gleich gut zu behandeln, ohne sich das vorwerfen lassen zu müssen ;)


    Meine Aufzählung hatte einen konkreten Grund, und der war nicht, einfach zu zeigen "was nicht alles so böses passiert". Entsprechend würde auch eine Darstellung, die zeigt, dass sich auch ausländische Mitmenschen Sachen zuschulden kommen lassen, was, glaube ich, niemanden schockiert, überhaupt kein Gegenargument - weil ich in diese Richtung gar nicht argumentiert habe. Ich habe dargelegt, warum ich diese konkrete Kritik verstehe und oftmals richtig oder zumindest als durchaus diskussionswürdig empfinde. Ein "aber die machen das auch!" wäre nur dann ein Gegenargument, wenn meine Aufzählung dazu dagewesen wäre, Ausländer aller Couleur als fehlerlos oder niemals feindlich dastehen zu lassen. Aber in die Richtung zielte es gar nicht ab und jeder Mensch, egal woher, kann miese Überzeugungen haben und sich mies verhalten. Das ist aber völlig unerheblich, denn hier drehte sich die Diskussion bei der einen Seite (die sie eben sinnlos findet) um "ist der völlig übergeschnappt" und "wovon redet der" bis hin zu "das würde doch keinem negativ auffallen". In meinem Beitrag habe ich dargelegt, warum ich die im verlinkten qantara-Artikel beschriebenen Kritikpunkte nicht mit derselben Entschiedenheit als überflüssig wegwische und nur dazu zählte die Aufzählung. Kein "oh die bööösen Deutschen und die Ausländer sind alle soooo nett!"


    Nein, ich glaube auch nicht, dass ein Istanbulspieler auf einmal beginnt, sein x-chen bei der AfD zu setzen, wenn er vorher überhaupt keine in diese Richtung gehenden Tendenzen hatte. Ist klar. ;)
    Aber meiner Meinung nach können auch Unterhaltungsobjekte, die nicht den Untergang der Toleranz in ganz Europa und dem Westen als unmittelbare Folge haben :D für problematische Darstellungen kritisiert - oder wenigstens selbige diskutiert werden, ohne dass das von vornherein als Schwachsinn verworfen wird. Nicht, dass ich den qantara-Artikel jetzt als sonderlich geschickt oder rundum gelungen bewerten würde...

    I wish I had a friend like me

  • Der dicke deutsche dümliche Junge in Simpsons (Uter), Das Spiel Tanto Cuore Oktoberfest, der Film "Bierfest" - Stört mich alles nicht...Ich lache mit.

    @Harry2017
    Ja gut - deine Herangehensweise jeden gleich scheiße zu behandeln entbehrt wenigstens einer gewissen Konsequenz nicht :D

    Meine Meinung dazu, der drückt das besser aus als ich, ein total sehenswerter Kanal, auch wenn er etwas schnell redet:


    Relevanter Teil (ab etwa der Hälfte): Es gibt einen Unterschied bei sowas, wer die Zielperson ist, ob man überhaupt das Ziel trifft und nicht jemand anderen, und wer aus welcher Warte welche Scherze macht.

    Mein Blog (Illustrationen, Brettspieldesign, Angespielte Spiele)

  • Ich lehne mich jetzt mal etwas aus dem Fenster... Gebt mir ruhig einen schubs...


    These: "Ich bin mir sicher, dass keiner von euch normale Brettspiele ohne verklärtes, klischeebehaftetes Bild haben möchte."


    Beispiele?


    - Wann habt ihr euch zuletzt gefragt, warum bei Spielen, wie Agricola und Arler Erde denn die Scheiße der Tiere nicht mit verarbeitet wurde?
    - Wann wolltet ihr denn zuletzt so richtig realistische Mittelalterliche Spiele in Europa? Inklusive Kindsbetttod, Krankheiten, ekligen Müll und Fäkalien auf der Straße.
    - Wann habt ihr euch denn zuletzt gefragt, warum bei Spielen mit Zügen keine Selbstmörder oder Entgleisungen vorkommen können?
    - Wann wolltet ihr euch zuletzt bei Kriegsspielen um die ganzen Verletzten mit abgerissenen Gliedmaßen kümmern?


    Nur mal ein paar genannt. Ich bin gerade am überlegen, aber mir fällt spontan kein Spiel ein, das ein Thema wirklich realistisch abhandelt.


    Gut, ob bei Istanbul nun ein Gefängnis hätte verwendet werden müssen, darüber lässt sich streiten. Aber mir fällt spontan auch keine andere thematische Einbindung ein, bei der man einen Arbeiter irgendwohin setzen darf und der Gegner eine Belohnung bekommt, wenn er den Arbeiter wieder zum Ausgangspunkt zurückschickt.

  • @Harry2017
    Ich habe dargelegt, warum ich diese konkrete Kritik verstehe und oftmals richtig oder zumindest als durchaus diskussionswürdig empfinde.

    Aber bei einem Brettspiel? Deine gesamte Aufzählung von "Anfeindungen" sind hundertmal wichtiger und diskussionswürdiger, als ein Brettspiel wie Istanbul. Im Vergleich richtet das doch aus meiner Sicht relativ wenig Schaden an. Sagst du ja selber.


    Und da stimme ich am Ende @Harry2017 zu. Übertriebene politische Korrekheit kann böse Enden. Man muss sich nur mal durch ein paar Artikel wühlen, was in Amerika für Prozesse in Namen der Diskriminierung geführt wurden und die echten Probleme der Diskriminierung bleiben unangetastet. Das ist wirklich unglaublich. Die Verhältnismäßigkeit ist einfach grotesk.


    Zu den Begrifflichkeiten, man kann da viel verändern, wichtiger ist aber das die Veränderung im Kopf einsetzen, an der Basis. Wer an der Oberfläche kratzt und Begrifflichkeiten anprangert am System nichts ändert, der landet in der Euphemismus-Tretmühle. Da gibt es ja nun leider genügend Beispiele für.

  • Das Gefängnis sehe ich umgekehrt:


    Für mich fängt die Ausgrenzung schon da an, wo wir bei einem Spiel im Orient über ein Gefängnis diskutieren - Diese Diskussion würde es bei einem Spiel mit einem Gefängnis in Deutschland, Schweden, Spanien oder Amerika nicht geben.


    -Dürfen also Spiele im Orient nun per se nie mehr ein Gefängnis haben? Gibts da etwa keine?
    -Dürfen fröhliche Spiele die in Italien angesiedelt sind nun keine karikierte Mafia mehr beinhalten?
    -Soll Flick em up verboten werden, weil die Gangster schwarze Püppchen haben?Und erst die Indianer....
    -Über die Whiskeyfässer von Isle of Skye müssen wir uns aber auch mal unterhalten - Sind etwa alle Schotten Schnapssäufer? Von Bier in deutschen Spielen ganz zu schweigen...
    -Civilization und ähnliche Spiele mit Rassenfähigkeiten sollten erst recht verboten werden - Die Deutschen sind immer ein kriegerisches Volk mit nem dicken grauen Bismarck als Herrscher
    -Junta - Bananenrepublik und absolut korrupt - Sofort verbieten, das Bild von afrikanischen Städten wird absolut verzerrt
    -Mafia de Cuba - Der Name sagt schon alles!
    -Achja - PETA kritisiert Warhammer weil die Plastikminiaturen Plastikpelze tragen....geht ja garnicht
    -Yedo - Samurai und Geishas...da lässt sich doch auch noch irgendwas finden...


    Leute, lasst uns doch einfach gemeinsam Spielen und Spaß haben!


    Aber nein! Wir diskutieren natürlich nur wieder darüber, ob wir den Orient nicht lieber mit Samthandschuhen anpacken sollen - Ganz ehrlich: Allein durch die Diskussion würde ich mich als Orientale schon angegriffen und ausgegrenzt fühlen - Ich kenne das von meinem rollstuhlfahrenden Kumpel, nichts beleidigt und verletzt ihn mehr als wenn Menschen diskutieren, wie sie ihn zu behandeln haben...Denn eigentlich möchte er einfach nur "normal" behandelt werden...

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

  • Aber bei einem Brettspiel? Deine gesamte Aufzählung von "Anfeindungen" sind hundertmal wichtiger und diskussionswürdiger, als ein Brettspiel wie Istanbul.

    Selbstverständlich. Damit befasse ich mich auch, aber alles an seinem Platz und zu seiner Zeit. Hier ist ein Brettspieleforum, deswegen diskutiere ich so nah wie möglich am Thema, und das war nun mal eine Spielekritik zu einem konkreten Spiel im Hinblick auf dessen gesellschaftliche Implikationen. Um zu erklären, warum ich mich in der Diskussion hier eher auf die Seite "Doch, da darf man ruhig drüber nachdenken und reden" schlage und nicht auf die "völlig abstruses Blabla ohne Inhalt und nicht diskutierenswert" habe ich dann erklärt, warum es eine emotionale Reaktion in mir hervorruft, die über drüber-lachen hinausgeht. Und dass ich es daher schon diskutierenswert finde. Keine Katastrophe, aber auch nicht völlig an den Haaren herbeigezogen.


    Politisch korrekt bin ich im Alltag auch nicht. Aber ich weiß mit wem und ich weiß wie (hoffe ich). Falls ich es mal nicht wissen sollte und eine Grenze überschreite, die jemandem wehtut, dann würde ich von ihm gerne eine Rückmeldung bekommen und mein Verhalten korrigieren. Ich würde ihm nicht sagen: "So ein Schwachsinn, da will ich nix von hören." Selbst wenn ich abschließend, nachdem er es mir erklärt hat, finden würde, dass er etwas empfindlich reagiert, würde ich die DISKUSSION darüber doch gerne mitführen und nicht im Keim ersticken.


    Wir können gerne auch über alle von dir aufgezählten Spiele und die aufgezählten Punkte diskutieren, wenn du dazu Threads aufmachen möchtest. Hier ging es um etwas konkretes und dazu äußern wir uns auch hier. Warum es daher von Nachteil ist, wenn auch "natürlich nur wieder" genau übers Thema gesprochen wird erschließt sich mir nicht. Aber diesen Worten entnehme ich eine gewisse Gereiztheit in Bezug auf das Thema. Nein, "der Orientale" möchte nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, aber wenn das bzgl. ihm bestehende Klischee nicht im gemütlich biersaufenden Dickie mit den besten Autos der Welt besteht, sondern im kriminellen Drogendealer, der mit seinen Familienclans ganze Städte unterwandert, oder dem "Kanaken" oder dem "Scheißausländer", dann ist es, denke ich, verständlicher, wenn die Abwehrreaktionen gegen Stereotypen, die man aufgedrückt bekommt, etwas intensiver ausfallen. Ja, normal behandelt werden wünscht sich wohl jeder, ich mir auch.


    Ich spiele auch weiterhin Istanbul und habe auch weiterhin Spaß dran :D

    I wish I had a friend like me

  • Falls ich es mal nicht wissen sollte und eine Grenze überschreite, die jemandem wehtut, dann würde ich von ihm gerne eine Rückmeldung bekommen und mein Verhalten korrigieren

    Da spricht auch überhaupt nichts dagegen. Was mir nur etwas gegen den Strich läuft ist, wenn jemand, der nicht betroffen ist darüber entscheidet, worüber sich Betroffene zu brüskieren haben... Das kommt bei mir immer etwas heuchlerisch an. Ja, ich weiß, es ist oftmals gut gemeint, aber deswegen muss es nicht richtig sein...


    Also ich habe bisher noch keine Sitzstreiks von Betroffenen vor dem Spielwarenladen gesehen. :)


    Bei obigem Artikel habe ich jedoch einfach das Gefühl, dass da gepoltert wird, um Aufmerksamkeit zu erhaschen... Klappt ja auch, wenn ich sehe, wie häufig der Beitrag schon geteilt wurde...
    Ist in etwa, wie man in einem Forum Traffic erzeugen kann. Nehmen wir mal Spiegel-Online als Beispiel. Wird dort über ein Computerspiel berichtet ist der 2. oder 3. Beitrag meistens irgendwer, der den Spielern vorwirft, dass sie alles potentielle Killer sind. So kann man auch Reaktionen hervorrufen... Und langsam habe ich dort das Gefühl, dass das irgendein Redakteur ist, der die Klick-Zahlen erhöhen möchte... ;)


    Vielleicht gehöre ich einfach zu einer kleinen Masse an Menschen, die ihr Wissen über etwas nicht aus einem fiktivem Spiel ziehen... Aber ich fühle mich auch dennoch gut beim Spielen, wenn das eben kein Kulturgut ist...

  • Bei Istanbul sehe ich weniger den kriminellen Familienclan aus dem Drogenmillieu als Insasse des Gefängnisses, sondern eher den Lausejungen, der auf dem Basar nen Apfel mopst oder den gewieften Schwarzmarkthändler, der erwischt wurde...Wo die harte Drogenanalogie sich auch nur im entferntesten in Istanbul wiederfinden soll ist mir ein Rätsel...Und der Lausejunge oder der Schwarzmarkthändler im alten Istanbul lässt sich durchaus mit dem dicken, dümmlichen Biersaufenden Deutschen gleichsetzen...Das Du an anderer Stelle viel schlimmere Vorurteile abbekommst, ist schlimm und gehört diskutiert und auch geändert - Aber daran hat weiterhin Istanbul wenig Schuld und meines Erachtens trägt es auch nicht zur Verschlimmerung bei.


    Schön das Du Istanbul trotzdem spielst, alles andere wäre auch sehr schade - Es ist ja auch ein gutes Spiel. Ich will Dich hier auch nicht an den Pranger stellen, kann nur so manche Argumentation nicht ganz verstehen - aber eigentlich weniger Deine, sondern die des Artikels :) Der ist mir eher ein Dorn im Auge, aber bezeichnend für so manchen aktuellen Zeitgeist. Du weisst ja garnicht was für Anfeindungen mein Berufsbild so alles im Netz oder im Gespräch mit Fremden so alles bekommt - Jobcenter: Alles Verbrecher, Schinder, Sklavenhalter, Halsabschneider, Mütter von Kindern-Trenner undundund - Nicht minder schlimme Dinge teilweise, trotzdem würde ich über ein Spiel das das auf die Schippe nimmt gerne mal mitspielen und könnte dadrüber auch schmunzeln. Denn ich weiß für mich selbst, das ich nicht das bin, was andere meinem Berufsbild ankreiden und bin auch gerne bereit das durch mein Handeln und mein Reden unter Beweis zu stellen, dass ich nicht so bin - Trotzdem darf man meinen Berufsstand gerne karikieren und ich sehe darin keine Gefahr...


    Ich will über die anderen Spiele übrigens garkeinen Thread aufmachen, denn es gibt soviel schönere Themen in der Brettspielwelt.

    Top 10 (jeweils ohne Reihenfolge)

    3 Mal editiert, zuletzt von Harry2017 ()

  • Was mich am meisten beim Quantara Artikel stört, ist der eingesetzte Stil. Alleine dadurch will der Autor eine subjektiv negative Stimmung erreichen. Im Fernsehen passiert das durch Ansager, Musikuntermalung und Off Sprecher.


    Mal zwei Beispiele:
    - Wer zuerst fünf "Rubine" zusammengerafft hat, gewinnt.
    - Deshalb wissen wir auch nicht, ob wir uns auf noch mehr "Erweiterungen" gefasst machen müssen. Wie wär's etwa mit "Bauchtänzerinnen und Harem"? (empfohlen für Jugendliche ab 16 Jahren)?


    Man kann sich sicherlich kritisch über Klischeebilder und Stereotypen in Brettspielen auseinandersetzen. Dieser Beitrag will sich damit aber nicht auseinandersetzen, sondern nur diffamieren. Dazu immer wieder das Motto "denkt denn niemand an die Kinder" bzw. hier die Flüchtlinge statt Kinder.


    Aber zum Glück wissen wir jetzt, was echte deutsche Brettspiele sind.
    "In einem echten deutschen Brettspiel ringen die Kontrahenten nicht bloß um den Sieg. Sie tauchen in eine andere Welt ein, durchleben ein Narrativ."
    Das muss aber was anderes sein als das vorher erklärte German Boardgame, welches primär ganz andere Eigenschaften hat.

  • - Wann wolltet ihr denn zuletzt so richtig realistische Mittelalterliche Spiele in Europa? Inklusive Kindsbetttod, Krankheiten, ekligen Müll und Fäkalien auf der Straße.

    Den Kindsbetttod gab es im Spiel Das Vermächtnis, und dafür gab es deutlich mehr Kritik als für das Gefängnis in Istanbul ...

  • Was mir nur etwas gegen den Strich läuft ist, wenn jemand, der nicht betroffen ist darüber entscheidet, worüber sich Betroffene zu brüskieren haben... Das kommt bei mir immer etwas heuchlerisch an.

    Aber genau das hat Pikmin doch geschrieben.

    Um zu erklären, warum ich mich in der Diskussion hier eher auf die Seite "Doch, da darf man ruhig drüber nachdenken und reden" schlage und nicht auf die "völlig abstruses Blabla ohne Inhalt und nicht diskutierenswert" habe ich dann erklärt, warum es eine emotionale Reaktion in mir hervorruft, die über drüber-lachen hinausgeht. Und dass ich es daher schon diskutierenswert finde.

  • Den Kindsbetttod gab es im Spiel Das Vermächtnis, und dafür gab es deutlich mehr Kritik als für das Gefängnis in Istanbul ...

    Danke, man lernt nie aus. Muss ich mir mal anschauen. :)


    Aber genau das hat Pikmin doch geschrieben.

    Sorry... das habe ich dann wohl überlesen. War hoffentlich vor meinem ersten Kaffee heute Morgen. :)


    Aber glaubst du wirklich, dass der Autor sich die Mühe gemacht hat mit Betroffenen zu reden, anstatt nur auf Effekthascherei zu setzen?

  • Den Kindsbetttod gab es im Spiel Das Vermächtnis, und dafür gab es deutlich mehr Kritik als für das Gefängnis in Istanbul ...

    Ja kann mich an die "Diskussion" noch gut erinnern. Aber ich finde beides überzogen.
    Es gab ja auch Menschen die sich an Village und das Ableben der Spielfiguren inklusive Friedhof gestossen haben....

  • Aber glaubst du wirklich, dass der Autor sich die Mühe gemacht hat mit Betroffenen zu reden, anstatt nur auf Effekthascherei zu setzen?

    Ich glaube in Bezug auf die Autorintention erstmal gar nichts, weil ich nichts darüber weiß. Ich kenne den Autor nicht und weiß nicht, was ihn dazu bewogen hat, diesen Artikel zu schreiben. BTW: du auch nicht, oder?. - Aber: wäre der Artikel in sachlichem Ton geschrieben, vielleicht noch in einer guten Brettspielrezension verpackt, dann gäbe es hier gar nicht so einen Aufschrei diesbezüglich, denn seine Argumente bzgl. der verzerrten Darstellung des Orients sind ja richtig.

  • Ja kann mich an die "Diskussion" noch gut erinnern. Aber ich finde beides überzogen.

    Ich kann mich hingegen gut daran erinnern, dass Tom Vasel in seiner Review zum "Vermächtnis" lobend erwähnt hat, dass der Verlag ihn vorab darüber informierte, dass es einen Kindstod im Spiel gibt. Tom Vasel hatte kurz zuvor einen neu geborenen Sohn verloren. - Dem Verlag war also offensichtlich klar, dass es für einige Menschen durchaus problematisch sein kann und hat entsprechend sensibel reagiert. Ähnlich ging Eggert auch mit dem Thema "Mombasa" um, indem sie ein entsprechendes Vorwort geschrieben haben. Das finde ich vorbildlich. Verlage sollten nicht einfach gedankenlos ein Thema über einen Mechanismus "klatschen", sondern sich ernsthafte Gedanken darüber machen (nicht nur merkantiler Art) und entsprechend vorgehen, finde ich.

  • @Thygra
    Man kann auch direkt auf Abschnitte verlinken (, wenn sie eine Überschrift haben). Link ist rechts oben im Kasten. => Zitatfunktion