Asmodee bezeichnet Keyforge als das weltweit erste Unique Deck Game. Für mich ist es ein konfrontatives Kartenduell voller Überraschungen, bei dem eben kein zeitaufwändiger Deckbau fernab des Spieltisches nötig ist. Stattdessen lernt man sein ganz persönliches Deck mit jeder einzelnen Partie ein wenig mehr und besser kennen in seinen Möglichkeiten und Fallstricken. Am 10. November konnte ich Keyforge im Rahmen des Pre-Launch-Events von Tellurian Games auf dem Spieletreff in Einschlingen kennenlernen. Mal eben ein erstes Zufallsdeck gekauft, gemeinsam die Grundregeln erklären lassen und einen Vormittag mit dem Spiel verbracht. Am Ende konnte ich einen Sieg und eine Niederlage verbuchen, hatte eine Menge Spielspass dabei und fühle mich in ein spielerisches Dilemma gestürzt.
Ich persönlich habe eine Zeit lang Warhammer Invasion gespielt. Allerdings war ich noch nie ein Freund des einsamen Deckbaus fernab des Spieltisches und somit nach den ersten Partien absolut chancenlos gegen erprobte und optimierte Decks von Mitspielern. Somit verstaubte Warhammer Invasion im Spieleschrank. Die komplette Magic-Zeit habe ich hingegen absichtlich verpasst, weil ein Spiel aus unzähligen zufälligen Kartenpacks zusammenkaufen zu müssen, das empfand ich als Groschengrab.
Genau deshalb hat mich Keyforge angesprochen, weil es eben keinen Deckbau kennt und zudem ein festes und unveränderbares Kartendeck hat. Man spielt mit dem, was man sich gekauft hat. Was man da hingegen bekommt, ist purer Zufall. Für rund 10 Euro kann man mit einem Zufallsdeck beginnen. Ich hatte Glück und mein allererstes Deck entsprach genau meinen Erwartungen. Eine Sammlung von sehr konfrontativen und aktiv aggressiv zu spielenden Karten, die es dem Mitspieler schwer machen und die einige einfach zu spielende Kartenkombinationen bot.
Im Kern spielt sich Keyforge sowieso recht einfach. Noch einfacher, wenn man ein paar Grundprinzipien aus anderen Sammelkartenspielen oder LCG kennt: Jeder hat sein eigenes Deck, das den Nachziehstapel bildet. Davon hat man sechs Karten auf der Hand und sucht sich eine der drei Fraktionen seines Decks aus, die man in seinem Zug ausspielen oder schon aus vorherigen Zügen ausgespielt nutzen möchte.
Da gibt es Kreaturen, die in eine Kampfzone gespielt werden und mit Ausrüstungskarten verstärkt werden können. Da gibt es Artefakte, die eher im Hintergrund wirken. Da gibt es Aktionen, die direkt und einmalig ihre Wirkung entfalten. Zudem kann man über spezielle Kartenaktionen auch noch Handkarten in sein Archiv spielen, was ein geheimer Kartenstapel ist, aus dem man sich in späteren Zügen bedienen kann, sofern eben die gewählte Fraktion passt. Kreaturen können andere Kreaturen angreifen und dabei Effekte auslösen und um Mitspieler-Kreaturen zu vernichten, die nervige Effekte haben, die man schnell loswerden will. Alternativ können Kreaturen ernten, was einem goldartige Brocken einbringt, die man zum Zugbeginn in Schlüssel schmieden kann, wenn man ausreichend davon in seinem Vorrat angesammelt hat. Klar, das der Mitspieler das verhindern will, weil wenn drei Schlüssel geschmiedet sind, hat der Spieler gewonnen.
Die Vielfalt kommt über die Karten selbst ins Spiel. Besonders weil ich das Deck des Mitspielers nicht kenne. Eventuell einzelne Karten, die ich auch im Deck habe oder die mir in anderen Partien schon begegnet sind. Gerade dieser Überraschungsmoment macht für mich Keyforge besonders. Zeitgleich lerne ich mit jeder Partie mein eigenes Deck immer besser kennen. Weil der Erfolg steckt im Timing der Karten und in den Details der Kartenmöglichkeiten in Kombination untereinander. So hatte ich eine Geist-Kreatur, die Schaden von benachbarten Kreaturen aufgesaugt hat. Ideal, um schwächere Kreaturen zu schützen und somit länger mit deren Effekten im Spiel zu halten. Ebenso hatte ich eine extrem mächtige Kreatur, die enorm viel Schaden austeilen und einstecken konnte, nur durfte ich mit dieser Kreatur in meiner Auslage keine weitere Kreatur spielen. Trickreich im Timing.
Ich konnte über Aktionskarten diese goldartigen Brocken klauen, aber eben nur, wenn ich weniger als der Mitspieler hatte. Oder ich konnte per Aktionskarte nicht aus der allgemeinen Auslage diese Brocken ernten, sondern bei meinem Mitspieler. Oder ich konnte das Schmieden für meinen Mitspieler teurer machen, er brauchte dann einen Brocken mehr. Davon hatte ich gleich zwei im Deck, so dass die - vom Geist geschützt - für ordentlich Wirbel gesorgt haben, denn acht statt nur sechs Brocken (ok, die heissen offiziell AEmber, aber das klingt blöd und nichtssagend) sind eine Hürde auf dem Weg zum Spielsieg. Und und und ... so viele Möglichkeiten in nur einem Deck.
In meiner Erstpartie dachte ich noch, mein Deck sei überstark. Ich beklaute meinen Mitspieler fast nach Belieben und der konnte scheinbar nichts gegen mich ausrichten. Der hatte ein Deck, was sich für eine Erstpartie scheinbar komplexer und deshalb schwächer spielte. So richtig viel kann ich dazu aber nicht sagen, weil hier kommt ein Problem von Keyforge in Spiel, das Ihr erst gar nicht zum Problem werden lassen solltet: Die Effekte der Karten sind in Textform formuliert. Bis auf Schaden und AEmber habe ich keine Symbole gesehen.
Teilweise sind die Kartentexte deshalb recht lang und der Text eher klein gedruckt. Wenn der Mitspieler mundfaul ist und seine Kartentexte beim Ausspielen nicht vorlesen mag, bekommt man keinen Überblick, was da eigentlich mir gegenüber in der Mitspielerauslage liegt. Ich kann zwar relativ problemlos Textpassagen auf den Kopf lesen, aber bis auf die fettgedruckten Schlüsselworte, wann eine Karte wirkt, war da für mich wenig zu erkennen. Also muss man darauf bestehen, dass die Kartentexte vorgelesen werden und man muss sich dann eben merken, welche Karten der Mitspielerauslage welche Effekte haben und wann die zum Einsatz kommen. Hier empfiehlt sich ein nicht zu grosser Tisch, so dass man näher an der Mitspielerauslage sitzt und eine ausreichend gute Beleuchtung oder eben ein gutes Merkvermögen.
Meine Zweitpartie hat mich dann wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Ich wollte dieselbe Taktik erneut spielen, bekam aber nicht die passenden Karten dazu auf die Hand und war spielerisch zu unerfahren, um alternative Taktiken zu erkennen, die sich aus meiner Kartenhand in Kombination mit meiner Auslage ergeben hätten. Dazu kamen einige Flüchtigkeitsfehler im Timing meiner Karten, so dass ich deren Effekte nicht wirklich optimal einsetzen konnte. Alles meine eigene Schuld und mein eigenes Unvermögen. Aber im Umkehrschluss auch das Potential, es in Folgepartien besser zu machen.
Mein Mitspieler agierte ebenfalls sehr konfrontativ, nervte mit einer Kombination aus Diebeskarten und liess mir kaum Möglichkeiten, mich selbst zu entwickeln. Also gut und erfahren gespielt, weil er hatte sich schon vorab mit Keyforge beschäftigt und kannte die Regelwerkdetails, um uns unterstützend im Rahmen des Pre-Launch-Events bei Fragen zur Seite stehen zu können. So entwickelte sich ein spannender Schlagabtausch, bei dem ich lange gegenhalten konnte und auch immer besser ins Spiel kam. Am Ende musste ich mich allerdings geschlagen geben. Das war dann auch eine Partie, in der wir beide unser komplettes Kartendeck einmal durchgespielt haben. Meine Erstpartie war hingegen in einem Drittel der Zeit schon beendet.
Und damit entsteht eventuell ein zweites Problem von Keyforge im Erstkontakt: Zwar fällt der Deckbau weg und man kann sein Deck nicht nachträglich optimieren. Allerdings lernt man mit jeder Partie an Spielerfahrung dazu. Ganz allgemein, wie man vorgehen kann, wie sich Spielelemente auswirken, was man beachten sollte, was generell möglich ist. Aber eben auch, wie man sein persönliches Deck besser spielen kann. Nach zwei gespielten Partien kannte ich mein Deck und mit dem Wissen hätte es jemand, der Keyforge noch nie gespielt hat und so keine Ahnung hat, was in seinem Deck drinsteckt, was er da gerade erst ausgepackt hat, wohl kaum bis keine oder nur Zufallschancen, gegen meine Mini-Erfahrung zu bestehen.
Soll heissen, dass die Lernkurve in Keyforge recht steil verläuft. Anfangs verwirren die ganzen Regeldetails noch. Nach nur zwei Partien ist man mitten im Spiel. Irgendwann wird man das potentielle Optimum aus seinem Deck herausholen können, wobei allerdings immer noch die Unwissenheit bleibt, mit welchem einzigartigen Deck der Mitspieler in die Partie geht. Wer sich mit dem Spiel und mit seinem Deck beschäftigt, ist potentiell besser als jemand, der diese Zeit nicht investieren will. Das muss man akzeptieren können und schon ist dieses "Problem" keines mehr. Das Potential, besser spielen zu können, holt man sich allerdings vor allem aus aktiver Spielerfahrung gegen andere Decks und das gefällt mir, weil ich bin Spieler und kein einsamer Deckbauer.
Um dieses Problem gar nicht zum Problem werden zu lassen, empfehle ich entweder davon auszugehen, dass man seine Erstpartien gegen Deckkenner verlieren wird oder man sucht sich aktiv einen Mitspieler, der ebenfalls frisch in Keyforge einsteigt und kann so gemeinsam an Spielerfahrung gewinnen. Da scheint mir das Starterset für rund 34 Euro ideal, weil es zwei vorgefertigte Einsteigerdecks enthält, um das Spielprinzip kennenzulernen und dann direkt zwei Zufallsdecks, um dort weiterzuspielen. Die Pappmarker und Statuskarten sind zwar nett, können aber ebenso durch x-beliebige Universalmarker ersetzt werden. Für den Preis macht man aber nichts verkehrt, zumal man sich so ein Starterset auch gut teilen kann.
Bleibt die Sache mit den "unique Decks". Nach zwei Partien mit dem einem Deck, ist mir dieses Deck doch irgendwie ans Spielerherz gewachsen. Auch weil ich weiss, dass ich diese Art der Kartenkombinationen so nie wiederfinden werde. Da ich aber noch nicht recht wusste, ob ich nach diesem Pre-Launch-Event Keyforge überhaupt weiterspielen werde, habe ich "mein" Deck an einen Brettspielkumpel weitergegeben. Vor dem Pre-Launch-Event dachte ich noch, dass man sich mal so zwei Decks kauft, die spielt und dann bequem unter Kumpels durchtauschen kann, um mit deren Decks zu spielen. Inzwischen weiss ich aber gar nicht, ob man sich so einfach von "seinem" Deck trennen kann. Auch weil damit Spielerfahrungen und erinnerungswürdige Spielsituationen verbunden sind. Eventuell frage ich doch noch vorsichtig an, ob ich "mein" Deck zurückhaben darf.
Soweit mein Erstkontakt mit Keyforge. Ich persönlich kann nur empfehlen, mal Demosession mitzuspielen, um dann für sich zu entscheiden, ob einem das Spielprinzip gefällt. Mich hat es doch irgendwie angefixt, auch weil ich kein Deckbauer bin und den Gegenwert Spielspass für die aufzubringenden Kosten überschaubar und fair empfinde. Jetzt muss ich nur hoffen, "mein" Deck wieder zurückkaufen zu können. Wenn man noch nicht damit gespielt hat, ist die emotionale Bindung noch nicht aufgebaut und es ist eben nur ein weiteres Deck ohne Bezug. Nach einer Partie sieht das aber schon ganz anders aus.