Beiträge von ravn im Thema „It took us 3 hours to finish the first turn - of 7 turns: Wenn Eurogamer erstmals Wargames spielen ...“

    Beim Überscheiten der Grenze zwischen (auch gernen komplexen) Eurogames zu CoSims, habe ich mich persönlich wegen drei Faktoren schwer getan:


    1. Die Regelstruktur eines CoSims unterscheidet sich erheblich von einem Eurogame.


    In Eurogames werden meist immer einzelne Aktionsmöglichkeiten in einem Textabschnitt zusammen mit allen Besonderheiten und Randerscheinungen erklärt. Nach hunderten von kosumierten Anleitungen ist mir die Struktur bekannt und hat sich für mich bewährt. Du liest an einer Stelle nach und weisst eben bescheid. In Wargames / CoSims ist das alles wesentlich fragmentierter aufgebaut. Es wird verstärkt mit vorab definierten Schlüsselworten gearbeitet, die dann einmal erklärt und später - mit dem Verweis auf die Definition - immer wieder aufgegriffen werden. Du paukst also erst einmal eine Art Vokabular, ohne überhaupt zu wissen, wie die Zusammenhänge aussehen. Später musst Du dann das Vokabular in seiner strengen Abgrenzung verstanden haben, weil darauf aufbauend Teilaspekte des Spiels erklärt werden. Dabei beschränkt sich die Anleitung meist darauf, wie etwas gemacht wird, aber erklärt eben nicht warum überhaupt. Dieses Warum erfährst Du dann (sofern vorhanden) in einem Playbook, das beispielhaft das Vokabular und die Teilaspekte des Spiels in Aktion aufzeigt.


    Und jetzt versuche einmal, so ein Spiel ohne Vorwissen den Mitspieler zu erklären. Entweder betest Du vom Vokabular ausgehend die Teilaspekte des Spiels herunter. Verlangst dabei aber, dass Deine Mitspieler in wenigen Minuten komplexe Zusammenhänge herstellen können, die sich Dir selbst nur mühsam über das Playbook erschlossen haben. Oder Du hast das Spiel so weit vom Regelwerk durchdrungen, dass Du es in eigenen Worten und in selbst zusammengestellten Sinnabschnitten erklären kannst. Läufst aber ständig Gefahr, zu unscharf von den Begrifflichkeiten des Vokabulars zu erklären, so dass Deine Mitspieler Schwierigkeiten haben, darauf aufbauend offizielle Spielhilfen zu nutzen, wo eben genau dieses Vokabularverständnis vorausgesetzt wird.


    2. In CoSims Erstpartien weisst Du zwar, welche Aktionen Dir zur Verfügung stehen, aber kaum, wie Du diese sinnvoll nutzt.


    Beim Verlag GMT kenne ich es so, dass Du einmal das Regelheft hast und dann ein Playbook. Das eine Heft erklärt sehr fragmentiert das Regelwerk. Das andere Heft zeigt an Spielbeispielen auf, wie diese Regeln in der Spielpraxis benutzt werden. Allerdings kann das Playbook gar nicht alle Regelkonstrukte aufgreifen, schon gar nicht in möglichen Kombinationen. Das bedeutet für eine Erstpartie, dass Du zwar das Regelwerk verstanden hast, mit Hilfe des Playbooks auch Beispielanwendungen kennst, aber das Spielziel so weit entfernt ist, dass Du keinen Plan hast, wie Du mit Hilfe der Dir zur Verfügung stehenden Aktionen dahin kommen sollst. Im Gegensatz nehmen Dich Eurogames weitaus mehr an die Hand. Geben Dir Startaufträge, Zwischenziele oder schlicht die Möglichkeit, einfach mal Siegpunkte zu sammeln. CoSims geben Dir hingegen ein Spielfeld, die Regeln und sagen dann: mach mal!


    3. In CoSims sind asymetrische Spielelemente eher die Regel als die Ausnahme.


    In Eurogames gibt es ein Regelwerk, das für alle gilt. Zumindest meistens so. Das hat auch den Vorteil, dass jeder Spieler anhand der Mitspielerzüge die Spielzusammenhänge begreifen kann. Zudem kann man sich gegenseitig korrigieren, weil man eben mit den selben Aktionswerkzeugen agiert wie die Mitspieler. In Folge habe ich persönlich so ein Spiel schnell im Griff, weil ich durch Beobachtung und Nachahmung lernen kann. In den von mir bisher gespielten (im Vergleich zu Eurogames wenigen) CoSims war es hingegen eher die Regel, dass die unterschiedlichen Fraktionen teils eigene Regelbesonderheiten oder auch gänzlich unterschiedliche Aktionsmöglichkeiten hatten. Besonders bei den COIN-Games wie Labyrinth The War on Terror oder Andean Abyss spielt sich jede Fraktion absolut anders. Ich habe wenig bis keine Chancen, durch Mitspielerbeobachtung etwas für mein Spielverständnis zu lernen. Stattdessen muss ich vorab nicht nur mein Regelwerk kennen und anwenden können, sondern auch wissen, was und wie die Mitspieler mit ihren Regelwerken machen können. Der Spieleinstieg wird dadurch nicht einfacher.


    Fazit:


    In Summe machen deshalb CoSims spielerisch für mich nur Sinn, wenn man die mehrmals spielen will, damit sich der Aufwand der Regelerarbeitung zum Spielvergnügen überhaupt lohnt. Der schnell vergängliche "Kult of the New" funktioniert im CoSim-Sektion nicht recht. Zudem braucht es Mitspieler, die sich ebenso auf das Spiel vorbereiten wollen, wie man selbst. Ansonsten sollte man die Erstpartie als Erklär- und Probepartie ansetzen und direkt eine Revanche planen. Wobei ich es kaum möglich sehe, dass man die vielen und vielschichtigen Feinheiten eines CoSim-Regelwerks am Spieltisch erklärt, ohne dass es zu Spielfehlern, Verständnisproblemen und nicht beachteten Details kommt.


    Das verschlingt gemeinsam verbrachte Spielzeit, wenn man sich ein CoSim so gemeinsam im Spiel erarbeiten möchte. Zumal es dann eine Erklär-Einbahnstrasse ist, wenn nur einer vorab echtes Regelverständnis hat. Wenn sowieso nur arg begrenzte Spielzeit zur Verfügung steht und die dann auch noch mit in Teilen falsch gespielte CoSims, die man zudem noch nicht wirklich verstanden hat, verbracht wird, dann sollte man diesen teils mühsamen Weg zum Ziel des Spielverständnisses mögen und nicht als Zeitverschwendung betrachten. Ansonsten wird es schwierig bis frustrierend, denn die perfekte CoSim-Erstpartie, wie so manche in Eurogames anstreben, gibt es nicht.


    Wirklich einsteigerfreundlich sind CoSims eben nicht, stattdessen wollen die erarbeitet werden. Die Zeit dazu sollten sich alle Mitspieler nehmen wollen in wiederholten Partien, bis das gemeinsame Regelverständnis einen Level erreicht hat, dass man mehr spielt als Regeldetails nachzuschlagen. Für entspannte Feierabendspielrunden gibt es im Eurogames-Bereich da besser zugängliche Alternativen. Was schade ist, weil man so die Faszination von CoSims nie erleben wird. Soweit meine persönlichen Erfahrungen im CoSim-Kontakt. Wie erlebt Ihr CoSims?

    Faszinierend finde ich sowas auch, und ich hätte auch durchaus Lust, mal ein echtes Kriegsspiel (klingt irgendwie martialischer als Wargame) zu versuchen. Hat hier jemand der Experten einen Tip, was man als "Einsteiger" zuerst probieren sollte? Das Komplexitätslevel scheint ja doch nochmal um einiges höher zu sein als bei "schweren Euros" ;)

    Mal aus meiner eingeschränkten eigenen Erfahrung als Grenzgänger zwischen Eurogames, Amitrash und (einfachen) CoSims:


    Cuba Libre : Überschaubares Machtgerangel in Kuba zwischen vier Fraktionen, die sich alle unterschiedlich spielen und teils eigene Regelwerkabschnitte haben. Mechanisch aber mit Mehrheiten und Beeinflussung von Gebieten durchaus Eurogamer tauglich.


    Combat Commander : Kartenbasiertes Kriegsspiel mit Fokus auf Infantrie. Modulares Regelwerk, das noch gut verdaulich ist, weil je nach Szenario neue Regelabschnitte dazukommen, die man anfangs aber nicht alle kennen muss, um losspielen zu können.


    Path of Glory: Kartenbasiertes Kriegsspiel auf der strategischen Ebene des Ersten Weltkriegs, das aber durchaus an einem Spielabend spielbar ist. Typische CoSim-Mechanismen vereint und vom Regelwerk für Eurogamer noch schaffbar, wenn man Twilight Struggle schon gespielt hat und endlich auch mal Counter-Armeen bewegen möchte.


    Solchen Brocken wie Here I Stand und Virgin Queen würde ich nur empfehlen, wenn Du Dich da reinknien möchtest, viel Einarbeitungszeit investieren willst und die Chance besteht, es irgendwann mal auf den Tisch zu bekommen in einer Runde von Mitspielern, die ebenfalls für sich Vorbereitungszeit investieren wollen. Generell ist es bei CoSims / Wargames eher so, dass alle Spieler vorab sich schon einmal mit dem Regelwerk befasst haben sollte, bevor man die erste Partie spielt. Mal eben spontan erklären, braucht Erfahrung und ausdauernde Zuhörer oder schlicht den Mut, in Kennenlernpartien zu investieren, die garantiert in Details falsch gespielt werden.