Beiträge von Dirtbag im Thema „31.10.-06.11.2016“

    @Dirtbag Ich muss das jetzt einfach mal sagen: Du bereicherst uns hier nicht nur, aber vor allem auch mit Deinen Sessionreports wirklich ganz enorm! :)

    Vielen Dank!
    Und das von dir, der du auch immer sehr lesenswerte und eloquente Beiträge schreibst. Da werd ich glatt ein wenig rot... :peinlich:

    Das letzte Oktoberwochenende stand bei uns auch ganz im Zeichen von Brettspielen.
    Erstmal kurz ein Spiel zu zweit, weil meine Frau noch mit Regeln lesen beschäftigt war und Mitspieler Nummer 4 noch fehlte, dann zu viert weiter.


    Den Anfang machte... Space Hulk!
    Mein Mitspieler hat es zwar schonmal gespielt, aber das war der erste Kontakt mit dieser Art Spiel und ist schon ewig her. Da unerfahrene Spieler mit der Handhabung eines vollständigen Teams aus 10 Terminatoren erfahrungsgemäss überfordert sind, ich aber auch wenig Interesse daran habe, immer nur die erste Mission zu spielen, übernehme ich die Terminatoren, er die Symbionten, und wir spielen Mission 3. Ziel ist es, eine auf dem Space Hulk entdeckte kybernetisch-autonome Transport- und Sondierungseinheit (kurz KATS) einzusammeln und zur Auswertung auf den Blood Angels Schlachtkreuzer zu bringen.
    Etwa eine Stunde später rennen Sergeant Gideon und ein weiterer überlebender Terminator, so schnell es in den beengten Verhältnissen eben geht, in Richtung Extraktionspunkt. Dabei haben sie die KATS. Hinter ihnen: Horden von Symbionten, die durch die Korridore toben. Sergeant Lorenzo und die anderen 7 Terminatoren sind tot. Dazwischen liegt eine Stunde Bolter-Stakkato, Sturmkanonen-Kugelhagel, brennende Korridore und brutale Nahkämpfe. Sergeant Lorenzo, immer von der Front führend, geht irgendwann kämpfend zu Boden, nachdem er einen hohen Blutzoll von den Symbionten sowohl im Fern- als auch im Nahkampf gefordert hat. Ein Terminator seines Squads hat einen Feuerkorridor vorbereitet, doch schon zu Beginn versagt der Maschinengeist des Sturmbolters. Drei Symbionten schaffen es in den Nahkampf mit ihm, und in einer Zurschaustellung der besten Tugenden eines Terminators der Blood Angels tötet er alle drei im Nahkampf mit seiner Energiefaust. Dann lädt er den Sturmbolter nach und fegt den Korridor mit Salve über Salve hochexplosiver Geschosse leer. Sergeant Gideon, Verteidigungsspezialist und ohne Fernkampfbewaffnung, geht zum Angriff über und kämpft sich heroisch mit Sturmschild und Donnerhammer durch Symbionten bis zur KATS vor, nimmt sie auf, und stampft danach mit Symbionten dicht im Nacken so schnell wie möglich Richtung Extraktionspunkt.


    Space Hulk reisst mich immer wieder mit. Und genauso erging es auch meinem Mitspieler. Etwas mehr als eine Stunde pures Epos, Mitfiebern bei jedem Würfelwurf. Zunächst scheint der Plan tadellos zu funktionieren, doch dann fällt der erste Terminator, kurz danach der zweite und der dritte. Die Sicherheiten schwinden dahin, trotz Standhaftigkeit und fantastischen Würfelwürfen schwinden die Terminatoren dahin, das Spiel scheint verloren. Und dann, das grandiose Finale mit Sergeant Gideon, der sich gegen alle Erwartungen durch einen ganze Angriffswelle Symbionten hackt, überlebt, und mit der KATS zum Ausgang rennt.
    Dieses Spiel... einfach unglaublich.



    Danach dann erstmal eine kurze Pause zum Runterkommen, bevor es mit Android weitergeht. Mit dem richtigen Android, nicht mit Android: Netrunner.
    Ich spiele Floyd, den zweifelnden Androiden, der sukzessive seine Direktiven über Bord wirft. Nicht ganz einfach – da die anderen Charaktere eine grosse Verschwörung hinter dem Mord vermuten und fleissig in die dunkelsten Ecken von Megacorporations, Politik und Gesellschaft bohren, wirft das immense Zweifel bei mir auf (bad baggage). Floyd bereist also praktisch den ganzen Mond auf der Suche nach erfreulichen Erlebnissen und Sinneseindrücken, die ihm dabei helfen, seine eigene Seele zu finden. Es ist knapp, aber schliesslich überkomme ich meine Zweifel und erkenne die Schönheit des Seins und die Freuden der Vorstellungskraft. Dass dann ausgerechnet mein bester Freund, Pater Brown, entführt wird, bringt mich in Konflikte mit meiner obersten Direktive: Füge keinem Menschen Schaden zu. Ist nun „Pater Brown bewusst sterben lassen“ Schaden zufügen? Wenn ja, kann ich das aber nur durch das Töten der Humanity First Aktivisten verhindern – was ja auch Schaden zufügen ist? Oder bleibe ich in lähmender Untätigkeit gefangen? Ich entscheide mich für Option 2: Pater Brown befreien, Humanity First töten. Und weil die anderen auch ein bisschen mit sich selbst und ihren eigenen kleinen Problemen beschäftigt sind, fällt ein Android, der sich unauffällig in dunklen Ecken herumtreibt, auch nicht weiter auf. Leider verliere ich darüber ein wenig die Aufklärung des Mordfalls – meine eigentliche Aufgabe – etwas aus den Augen.


    Ein schönes, sehr vielschichtiges Spiel, das völlig zu Unrecht an so vielen Leuten vorbeigeht. Es ist nicht perfekt mit seiner immensen Downtime und seinen unendlich vielen Regeln. Aber es ist die Verkörperung dessen, wofür FFG für mich einmal stand: mutige Spiele mit Ecken und Kanten, die sich nicht um Massentauglichkeit scheren, sondern die Limits dessen ausloten, was in einem Brettspiel thematisch und mechanisch umsetzbar ist. Wer Cyberpunk und Deduktion mag und damit klarkommt, seinen Mitspielern auch mal ordentlich einen reinzuwürgen (oder reingewürgt zu bekommen), der sollte sich das mal anschauen. Und ein paar Stunden Zeit mitbringen.



    Dann gab es Raid & Trade, ein Kickstarter-Spiel von letztem Jahr.
    Die Welt ist zerstört, es gibt nur noch einen Haufen Ruinen überall – und natürlich die Goldene Stadt. In die wollen wir. Leider nehmen sie dort nicht jeden auf, sondern nur die, die ihren Wert beweisen: sei es durch aussergewöhnliche gute Fähigkeiten, aus Schrott nützliche Dinge zu bauen, durch die Erledigung des einen oder anderen Gefallen für die Goldene Stadt, durch ganz banales „in den Arsch kriechen“, oder eben durch Geld.
    Jeder plündert also erstmal ein bisschen vor sich hin, um ein paar Ressourcen für seine präferenzierte Strategie zu sammeln. Schnell kristallisiert sich aber heraus, dass der Trader wohl auf Geld aus ist. Schlimmer noch, schon gut Geld gesammelt hat. Und so beginnt das Hacken und Stechen: Credits werden geklaut, vielversprechend aussehende Plünderungsobjekte fliegen kurz vor dem Zugriff der gierigen Hände in die Luft, grosskalibrige Mündungen sind überzeugende Handelsargumente (tausche Nichts gegen fünf Ressourcen von dir). Am Ende gewinnt trotzdem der Trader, der es irgendwie geschafft hat, zwei Quests in einer Runde trotz Ressourcenknappheit abzuschliessen.


    Das Spiel hat die ersten beiden Male nicht so richtig gezündet – wir spielten zu defensiv, zu sehr nebeneinander her. Das Resultat war ein Spielerlebnis, das man am besten mit „Meh!“ zusammenfassen kann, trotz des schönen Materials. Diesmal dagegen – da sah es ganz anders aus. Raid & Trade lebt von Interaktion. Kann man dies als Gruppe leisten, hat man einen sehr unterhaltsamen Hybriden aus Euro und Ameritrash. Ohne ein oder zwei gute Bluffer in der Runde – oder mit Leuten, die alles totanalysieren – kann es trotzdem auf ein sehr zähes Endgame hinauslaufen, wo jeder jedem den Versuch auf den Sieg vermiest und am Ende nur noch Stillstand dabei herauskommt.



    Zum Schluss dann - nach etlichen Jahren mal wieder auf dem Tisch - noch Dungeon Lords.
    Ein schönes Spiel, wenn auch enorm verkopft, insbesondere das Kampfelement. Ich mag es gerne, aber würde es wohl selbst bei besserer Zweispielertauglichkeit nicht wirklich häufig spielen. Der Optimier-Aspekt ist mir etwas zu dominant in dem Spiel, insbesondere zu zweit. Aber zum Dann und Wann mal aus dem Schrank ziehen ein durchaus besitzenswertes Spiel.



    Doch auch wenn alle Spiele Spass machten, das Fazit bleibt:
    Space Hulk macht sie alle platt. [Blockierte Grafik: http://www.40k-fanworld.net/wbb/wcf/images/photos/photo-625-81051053.gif]