Davon ab, wie ist Railroad Revolution?
Kurzversion: WYG-typisch. Mag man grundsätzlich WYG-Spiele, dann mag man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Railroad Revolution [RR].
Langversion: Sehr variabler Aufbau (anders als Nippon, dem genau das fehlt!), im Falle von RR durch eine Reihe zufällig auf dem Spielplan verteilter Plättchen beim Aufbau (ähnlich Signorie / ZhanGuo / Marco Polo). Jeder Spieler bekommt einen Satz Schienen und einen Satz Häuser. Mit Schienen baut man immer Gleise (-> auf dafür vorgesehenen Ort auf dem Spielplan legen). Für die Häuser gibt's dagegen zwei verschiedene Verwendungsmöglichkeiten: Bahnhof und Telegrafenstation (-> auch wieder Ort auf dem Spielplan).
Alle Orte auf dem Spielplan sind nicht-blockierend. Jeder Spieler darf überall einmal vertreten sein. Allerdings gilt für die beiden Verwendungsmöglichkeiten der Häuschen, dass der jeweils Erste einen Bonus bekommt, d.h. Interaktion durch eine Reihe von Mini-Wettrennen.
Schienen müssen immer angrenzend gebaut werden, dadurch bildet sich ein immer weiteres Schienennetz. In Städten, die vom eigenen Schienennetz erreicht werden, darf man Bahnhöfe bauen. Eine bestimmte Ausbreitung zu erreichen, ist das Ziel diverser Aufttragskarten, die viele Punkte bringen. Das Bauen von Telegrafenstationen ist dagegen völlig abstrahiert zu einer Reihe von 9 (?) nebeneinander liegenden Bauplätzen. Man baut irgendwo, aber am Ende gibt's für benachbarte Plätze die dazwischen abgedruckte Punktzahl.
Auch die Aktionen selbst sind stark abstrahiert. Man macht immer eine Hauptaktion (Bahnhof bauen, Gleis legen, Telegrafenstation bauen, Schienen oder Häuschen für Geld verkaufen). Dazu kommen, je nach Typ des eingesetzten Arbeiters, Bonusaktionen. Die sind zentral für ein gutes Spiel. Das wird zur Effizienz-Optimierungsübung. Wer Signorie kennt: ähnlich im Maximieren der Bonusakitionen, aber auch irgendwo anders, weil man Bonusaktionen nicht dauerhaft freischaltet, sondern immer wieder passend aktivieren muss.
Zu dem Ganzen kommt jetzt eine WYG-typische Verschachtelung von Kosten und Erträgen, von Engine-Building-Elementen, Wettrennen und Siegpunktgewinnung, von Arbeiter gewinnen und Arbeiter verlieren. Und natürlich WYG-typisch eben nicht nur eine Art von Engine Building oder eine Art von Mini-Wettrennen oder eine Art von Arbeitern, sondern alles jeweils in 3-5 unterschiedlichen Typen. Auch den Multiplikator für einen Teil der Endwertung soll man in drei verschiedenen Bereichen selbst hochschrauben, was bei bestimmten Schritten auf der Leiste wieder mit Kosten verbunden ist.
Mir hat's gefallen. Hat alles, was ich an WYG schätze, und dass sich das Spiel eher über die interessant verschachtelte Mechanik als über das Thema definiert, stört mich nicht sonderlich.
Auffällig ist auch die eher kurze Spielzeitangabe auf der Schachtel, WIMRE 45-90 min. Allerdings glaube ich, dass das nur für Bauchspieler gilt. Ich fürchte nämlich, Achtung: potentieller Minuspunkt, dass das Spiel klar überdurchschnittlich AP-anfällig ist, und ich kenne Leute, die RR sicher auf einen 3-Stunden-Klopper ausgewalzt bekommen; mit denjenigen möchte ich RR nicht spielen müssen. Die verschiedenen "wenn dieses, dann jenes"-Verknüpfungen von Kosten und Erträgen sind doch arg verschachtelt und sofern man Arbeiter in allen Farben hat, kann man die vier Hauptaktionen auf 20 unterschiedliche Arten (d.h. mit unterschiedlichem Bonus) machen. Das ist dann bei AP-anfälligen Mitspielern potentiell zu viel Auswahl, wenn die das alles durchrechnen wollen, zumal während das Spiels null Zufallselemente existieren und daher potenziell alles auch tatsächlich komplett durchgerechnet werden könnte. Hier wäre eventuell eine geringe Auswahl und/oder begrenzte Berechenbarkeit durch Zufallselemente besser gewesen. Das ist aber alles nur mein Bauchgefühl nach Regellektüre und einmaligen Anspielen, also bitte mit aller Vorsicht genießen.
Ach ja: beim Anspielen hatte ich den Eindruck, dass die Bonusaktionen ziemlich zufällig zusammengewürfelt wären und auch sonst das Thema eher schwach wäre. Nein. Stimmt so nicht. Zuhause nochmal Regeln gelesen. Aha: Graue Männchen sind Ingenieure und machen die Hauptaktion besser, orangene Männchen sind Buchhalter und senken Kosten bzw. erhöhen Erträge, türkisfarbene Männchen sind Unterhändler und geben Spielboni, lila Männchen sind auch irgendwas. Grmpff. Die Info fehlte mir. Da ist doch ein System drin. Warum lassen die allermeisten Spieleerklärer sowas einfach weg und erklären einfach nur eine lange Liste von unterschiedlichen Boni mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Kosten der Reihe nach hintereinander weg?!
Wenn ich ein Spiel mit 16 Seiten Regelumfang erklärt bekomme, dann will ich nicht nur mit Mechanik nach Mechanik bombardiert werden, sondern freue mich über jedes bisschen Thema, das dem Ganzen etwas inneren Zusammenhalt anstelle von Beliebigkeit gibt! Die Erklärung auf der Spielemesse war inhaltlich 95% korrekt, aber ich glaube, ich könnte das besser erklären, nämlich so, dass eben nicht als Spiel mit völlig aufgesetztem Thema rüberkommt, sondern dass Arbeitereinsatz, Telegrafenfinanzierung, Deals, etc. sich alle logisch aus dem Thema ergeben. Ich kann z.B. beim Ausbau meines Eisenbahnnetzen bei einem Deal Dienstleistung von Kleinunternehmern für Anteile der dabei entwickelten Telegrafengesellschaften einkaufen. Oder ich kann das alles als mechanischen Tausch X gegen Y verstehen. RR ist in diesem Sinne eines von den Euro-Spielen, die je nach Erklärung entweder ein zugrunde liegendes Thema haben oder eben bloß reine Mechanik-Monster sind. Auch wenn das vielen hier egal sein dürfte: Ich finde es schön, dass man in Railroad Revolution eben auch das Thema entdecken kann, wenn man es will. Das schaffen längst nicht alle Euro-Spiele.
EDIT: @yzemaze: Ist doch länger geworden. Bitte ggf. in den passenden Thread zu dem Spiel [2016] Railroad Revolution - weitere Essen-Neuheit von WYG verschieben.