Beiträge von MetalPirate im Thema „[2016] Railroad Revolution - weitere Essen-Neuheit von WYG“

    Jein. Ein "hat mich jetzt nicht vom Hocker gehauen"-Ersteindruck ist ja nochmal etwas anderes als ein "[...] dass es kaum verschiedene Strategien bzw. Möglichkeiten gebe. Die Mehrzahl der Punkte gebe es durch drei Leisten, von denen eine nicht konkurrenzfähig sei und die anderen beiden zusammen machbar seien." Das, was du aus dem SO-Forum zitierst, ist ja der Vorwurf an Autoren und Verlag, das Spiel nicht ausreichend getestet zu haben, und das ist für mich bei einem renommierten Verlag wie What's Your Game schlicht nicht vorstellbar.


    In dieser Absolutheit formuliert, disqualifiziert sich der Autor dieses Zitats nur selbst. Hätte er oder sie geschrieben, dass man dem Spiel ansieht, dass es auf eine absichtlich kurze Spielzeit hingetrimmt wurde und deshalb die strategische Vielfalt nicht auf dem Niveau anderer WYG-Titel ist, oder hätte er geschrieben, dass es unterschiedliche Strategien kaum zu entdecken gibt, weil sie einem durch die Multiplikatorenleisten schon auf dem Silberteller präsentiert werden, dann könnte man darüber noch diskutieren, aber so, nee, sorry, sowas, wie du es hier zitiert hast, nehme ich einfach nicht ernst.



    (Falls du es nicht schon zwischen den Zeilen herausgelesen hast: in sehr abgeschwächter Form könnte man vielleicht sagen, dass an den Vorwürfen ein bisschen was dran wäre, aber das lasse ich nicht gelten, wenn auf der Spieleschachtel als Spielzeit "45-90 Minuten" steht, was auch absolut stimmt, wenn man keine Grübler dabei hat. In der Spielzeit gibt's nun mal keinen Strategieklopper auf Madeira-Niveau.)

    Bei der Spiele-Offensive hat jemand eine Bewertung verfasst, bei der moniert wird, dass es letztlich kaum verschiedene Strategien bzw. Möglichkeiten gebe.

    In dieser Form: absoluter Blödsinn. Sorry, das muss man so kurz abbügeln.


    Man kann recht gut auch mit den Telegrafen gewinnen, allerdings muss man dann sehr konsequent in dieser Richtung spielen und wenig Häuschen für Bahnhöfe "verschwenden". Meine Kritikpunkte sind eher, dass das Spiel (a) nicht allzu interaktiv ist und (b) sehr AP-anfällig bei den falschen Mitspielern. Wer sich daran nicht stört bzw. die passenden Mitspieler hat, die keine Grübler sind, der macht nichts falsch, wenn er/sie Railroad Revolution kauft.



    PS: Die Berichte hier im Thread hast du hoffentlich gelesen, oder? Eventuell auch mal die Suchfunktion benutzt? Dann braucht man keine unqualifizierten Sachen vom Forum der Spiele-Offensive mehr. Schon der Startbeitrag hier im Thread ist lesenswert und meine Ersteindrücke kannst du unter Beitrag Nummer 69 finden.

    Davon ab, wie ist Railroad Revolution?

    Kurzversion: WYG-typisch. Mag man grundsätzlich WYG-Spiele, dann mag man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Railroad Revolution [RR].



    Langversion: Sehr variabler Aufbau (anders als Nippon, dem genau das fehlt!), im Falle von RR durch eine Reihe zufällig auf dem Spielplan verteilter Plättchen beim Aufbau (ähnlich Signorie / ZhanGuo / Marco Polo). Jeder Spieler bekommt einen Satz Schienen und einen Satz Häuser. Mit Schienen baut man immer Gleise (-> auf dafür vorgesehenen Ort auf dem Spielplan legen). Für die Häuser gibt's dagegen zwei verschiedene Verwendungsmöglichkeiten: Bahnhof und Telegrafenstation (-> auch wieder Ort auf dem Spielplan).


    Alle Orte auf dem Spielplan sind nicht-blockierend. Jeder Spieler darf überall einmal vertreten sein. Allerdings gilt für die beiden Verwendungsmöglichkeiten der Häuschen, dass der jeweils Erste einen Bonus bekommt, d.h. Interaktion durch eine Reihe von Mini-Wettrennen.


    Schienen müssen immer angrenzend gebaut werden, dadurch bildet sich ein immer weiteres Schienennetz. In Städten, die vom eigenen Schienennetz erreicht werden, darf man Bahnhöfe bauen. Eine bestimmte Ausbreitung zu erreichen, ist das Ziel diverser Aufttragskarten, die viele Punkte bringen. Das Bauen von Telegrafenstationen ist dagegen völlig abstrahiert zu einer Reihe von 9 (?) nebeneinander liegenden Bauplätzen. Man baut irgendwo, aber am Ende gibt's für benachbarte Plätze die dazwischen abgedruckte Punktzahl.


    Auch die Aktionen selbst sind stark abstrahiert. Man macht immer eine Hauptaktion (Bahnhof bauen, Gleis legen, Telegrafenstation bauen, Schienen oder Häuschen für Geld verkaufen). Dazu kommen, je nach Typ des eingesetzten Arbeiters, Bonusaktionen. Die sind zentral für ein gutes Spiel. Das wird zur Effizienz-Optimierungsübung. Wer Signorie kennt: ähnlich im Maximieren der Bonusakitionen, aber auch irgendwo anders, weil man Bonusaktionen nicht dauerhaft freischaltet, sondern immer wieder passend aktivieren muss.


    Zu dem Ganzen kommt jetzt eine WYG-typische Verschachtelung von Kosten und Erträgen, von Engine-Building-Elementen, Wettrennen und Siegpunktgewinnung, von Arbeiter gewinnen und Arbeiter verlieren. Und natürlich WYG-typisch eben nicht nur eine Art von Engine Building oder eine Art von Mini-Wettrennen oder eine Art von Arbeitern, sondern alles jeweils in 3-5 unterschiedlichen Typen. Auch den Multiplikator für einen Teil der Endwertung soll man in drei verschiedenen Bereichen selbst hochschrauben, was bei bestimmten Schritten auf der Leiste wieder mit Kosten verbunden ist.


    Mir hat's gefallen. Hat alles, was ich an WYG schätze, und dass sich das Spiel eher über die interessant verschachtelte Mechanik als über das Thema definiert, stört mich nicht sonderlich.


    Auffällig ist auch die eher kurze Spielzeitangabe auf der Schachtel, WIMRE 45-90 min. Allerdings glaube ich, dass das nur für Bauchspieler gilt. Ich fürchte nämlich, Achtung: potentieller Minuspunkt, dass das Spiel klar überdurchschnittlich AP-anfällig ist, und ich kenne Leute, die RR sicher auf einen 3-Stunden-Klopper ausgewalzt bekommen; mit denjenigen möchte ich RR nicht spielen müssen. Die verschiedenen "wenn dieses, dann jenes"-Verknüpfungen von Kosten und Erträgen sind doch arg verschachtelt und sofern man Arbeiter in allen Farben hat, kann man die vier Hauptaktionen auf 20 unterschiedliche Arten (d.h. mit unterschiedlichem Bonus) machen. Das ist dann bei AP-anfälligen Mitspielern potentiell zu viel Auswahl, wenn die das alles durchrechnen wollen, zumal während das Spiels null Zufallselemente existieren und daher potenziell alles auch tatsächlich komplett durchgerechnet werden könnte. Hier wäre eventuell eine geringe Auswahl und/oder begrenzte Berechenbarkeit durch Zufallselemente besser gewesen. Das ist aber alles nur mein Bauchgefühl nach Regellektüre und einmaligen Anspielen, also bitte mit aller Vorsicht genießen.



    Ach ja: beim Anspielen hatte ich den Eindruck, dass die Bonusaktionen ziemlich zufällig zusammengewürfelt wären und auch sonst das Thema eher schwach wäre. Nein. Stimmt so nicht. Zuhause nochmal Regeln gelesen. Aha: Graue Männchen sind Ingenieure und machen die Hauptaktion besser, orangene Männchen sind Buchhalter und senken Kosten bzw. erhöhen Erträge, türkisfarbene Männchen sind Unterhändler und geben Spielboni, lila Männchen sind auch irgendwas. Grmpff. Die Info fehlte mir. Da ist doch ein System drin. Warum lassen die allermeisten Spieleerklärer sowas einfach weg und erklären einfach nur eine lange Liste von unterschiedlichen Boni mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Kosten der Reihe nach hintereinander weg?!


    Wenn ich ein Spiel mit 16 Seiten Regelumfang erklärt bekomme, dann will ich nicht nur mit Mechanik nach Mechanik bombardiert werden, sondern freue mich über jedes bisschen Thema, das dem Ganzen etwas inneren Zusammenhalt anstelle von Beliebigkeit gibt! Die Erklärung auf der Spielemesse war inhaltlich 95% korrekt, aber ich glaube, ich könnte das besser erklären, nämlich so, dass eben nicht als Spiel mit völlig aufgesetztem Thema rüberkommt, sondern dass Arbeitereinsatz, Telegrafenfinanzierung, Deals, etc. sich alle logisch aus dem Thema ergeben. Ich kann z.B. beim Ausbau meines Eisenbahnnetzen bei einem Deal Dienstleistung von Kleinunternehmern für Anteile der dabei entwickelten Telegrafengesellschaften einkaufen. Oder ich kann das alles als mechanischen Tausch X gegen Y verstehen. RR ist in diesem Sinne eines von den Euro-Spielen, die je nach Erklärung entweder ein zugrunde liegendes Thema haben oder eben bloß reine Mechanik-Monster sind. Auch wenn das vielen hier egal sein dürfte: Ich finde es schön, dass man in Railroad Revolution eben auch das Thema entdecken kann, wenn man es will. Das schaffen längst nicht alle Euro-Spiele.




    EDIT: @yzemaze: Ist doch länger geworden. Bitte ggf. in den passenden Thread zu dem Spiel [2016] Railroad Revolution - weitere Essen-Neuheit von WYG verschieben.

    Ich hab's nicht eilig mit dem Spiel. Wenn zu einem Spiel zwei Wochen vor Essen zwar schon Bilder und Ersteindrücke da sind, aber noch keine Regeln, dann werde ich immer skeptischer, ob da unter Zeitdruck noch ordentlich gearbeitet wird. Ob 2er-Regeln, offizielle Varianten und ähnliches so gründlich getestet wurde, wie es sein sollte.


    Railroad Revolution brauche ich nicht in Essen kaufen. Das heißt nicht, dass ich das Spiel nicht später doch noch kaufe. Die beiden 2015er WYG Titel Nippon und Signorie habe ich beide im Februar 2016 gekauft. Da wusste ich dann, was ich kriege. Bei Signorie waren zu dem Zeitpunkt auch schon inoffizielle Varianten auf BGG verfügbar, so dass es auch zu zweit gut funktioniert, was es "out of the box" meiner Meinung nach nicht tut.

    @Cyberian: Es war nicht meine Absicht, dich fehlzuinterpretieren. Ich habe nur

    Und es geht mir nicht darum, ob diese Haltung/Meinung legitim ist oder nicht ("rechtmäßig" bzw. "berechtigt"), das ist sie nämlich sicherlich, denn jede Meinung ist subjektiv. Es geht MIR darum, dass ICH diese Haltung EXTREM finde. Und mit Extremisten habe ICH meist keine große Freude, egal, in welchem Zusammenhang.

    so gelesen, als ob du die Haltung "Spiel XY spiele ich nicht, das ist mir grafisch zu schlecht" schon für Extremismus hältst. Wenn nicht, umso besser.

    @Cyberian: Du hältst also jeden, der bei seiner Freizeitbeschäftigung Spiele wegen Nicht-Erreichens gewisser persönlicher Mindeststandards aus der persönlichen "interessiert mich"-Liste kickt, sofort für einen Extremisten? Das wiederum halte ich für extremistisch.


    Ich denke, man kann gut darüber diskutierten, wo und wie hart solche Mindeststandards sinnvoll zu setzen sind, aber dass jeder Sachen hat, die ihm nicht gefallen, ist doch völlig normal. Geht sicher jedem so, auch beim Thema. Ich verweigere mich z.B. allen Zombie- oder ähnlichen Horror-Sachen. Ist das jetzt "extremistisch"? Finde ich nicht. "Extremistisch" wäre es für mich, wenn ich fordern würde, dass keine Zombie-Spiele mehr erscheinen dürfen. Würde ich nie tun. Wer mit Zombicide & Co Spaß hat, dem sei dieser Spaß von Herzen gegönnt. Nur für mich isses halt nix.

    Die Haltung, gute Spiele aufgrund der "hässlichen" Optik des Spielplans zu verweigern, halte ich schon für sehr extrem.

    Nur um das nochmal klar zu stellen: diese Haltung halte ich für völlig legitim. Ich mache das genauso, wenn die Illustration bei einem Spiel für Vollpreis bloß auf Prototypen-Niveau ist (-> Age of Steam). Bei einem Vielspieler verstehe ich nur nicht, wieso er die Grenze schon zwischen "durchschnittlich" und "gut" zieht, anstatt zwischen "störend schlecht" und "geht so".


    Dann passt's auch besser mit @Sternenfahrers Haltung zusammen: für mich ist es wichtig, dass kein Teilaspekt eines Spiels "störend schlecht" ist. Das bringt schnell mehr Minuspunkte als ein Spiel beim Übergang zwischen "okay" und "gut" in irgendeiner Kategorie an Pluspunkten gewinnen kann.

    Ist man als regelmäßiger Brettspieler denn nicht irgendwann mal soweit gekommen, dass man über rein optische Schwächen etwas eher hinweg sehen kann als über "technische" Fehler wie schlechte und unintuitive Symbolik? Solange ein Spiel nicht Arkwright-dröge oder gar Age-of-Steam-häßlich daher kommt, stört's mich relativ wenig, wenn der Plan jetzt nichts ist, was ich mir als Bild an die Wand hängen würde. Man will ja den Spielplan für einen konkreten Zweck benutzen und nicht bloß als Kunstobjekt bewundern.

    Und die Diskussion hier lässt vermuten, dass noch viel mehr die Optik zumindest verbesserungswürdig finden.

    Ah, ja, nein, jein, schwierige Sache, das zu beschreiben. "Verbesserungswürdig" stimmt zwar irgendwo, aber es klingt mir zu hart...


    Wie die Spielregeln über Symbole auf dem Spielplan zusammengefasst sind, finde ich bei WYG fast immer toll. Die Spielelemente sind auch immer logisch sinnvoll gruppiert und angeordnet. Wie Mariano Ianelli mit dezent im Hintergrund gehaltenen Mustern und Ornamenten arbeitet, finde ich sehr schön. Nur wenn er dabei dann die darstellenden Zeichnungen und Illustrationen darüber vergisst, dann fehlt halt doch manchmal irgendwas und der Spielplan wirkt dann unnötig leer, manchmal auch langweilig und unattraktiv. Obwohl doch nur ein klitzekleines bisschen Aufhübschung fehlt. Denn grundsätzlich finde ich die WYG-Pläne schon allesamt überdurchschnittlich gut, gerade wenn man es mit diversen anderen Spielplänen vergleicht, die auf den ersten Blick zwar hübsch gezeichnet sind, aber zum Spielen sich letztendlich als unpraktisch erweisen, weil sie unintuitiv aufgebaut sind oder man seine Spielsteine darauf suchen geht.