Ich versuche mal, verschiedene Ebenen der Interaktion im Brettspiel zu sammeln und zu sortieren, nach "starken" und "schwachen" interaktiven Elementen.
Wie immer: Nicht "gut" und "schlecht", sondern "das fühlt sich interaktiver an".
Es ist auch nicht so gemeint, dass ein Spiel alle Stufen durchwandern muss, um die 6 zu erreichen, auch wenn ein paar Beispiele eine solche Bedingung erfüllen würden.
So kommt etwa #Dominion mit einer Auslage ohne "Angriffskarten" nur bis Stufe 2, ansonsten bis Stufe 3, enthält aber keine Elemente der Stufen 4-6, #Werwolf dagegen fängt quasi auf der 6 an.
Zur Verdeutlichung erfinde ich ein "Spiel", das ich immer weiter ausbaue. Dass dieses nicht besonders gut ist, ist mir klar, dafür ist es auch nicht da.
0: Zusammen sitzen
Jeder Spieler erhält ein gemischtes Skat-Kartenspiel, darf in jeder Runde die oberste Karte aufdecken und nach Farben sortiert vor sich auslegen. Ziel ist es, das komplette Deck nach Farben zu sortieren.
Die Interaktion besteht ausschließlich darin, gemeinsam am Tisch zu sitzen. Es gibt nicht mal einen Ansporn zu "gewinnen". Mein Beispiel ist wohl eher Beschäftigungstherapie als alles andere, das ist mir schon klar, aber es gibt immer vermutlich noch "echte Spiele", die auf dieser Stufe anzusiedeln sind.
1: Gewinnen wollen
Jeder Spieler erhält ein gemischtes Skat-Kartenspiel, zieht in jeder Runde die oberste Karte und legt sie vor sich aus, nach Farben sortiert. Gewinnen tut, wer als erster alle Karten einer beliebigen Farbe ausliegen hat.
Die Interaktion ist ein bisschen stärker, ich will schneller/effizienter sein kann als meine Mitspieler (in meinem Beispiel natürlich reines Glück).
Das ist aber auch wirklich das einzige, es macht aber immer noch jeder sein eigenes Ding. Er will es nur besser machen als die anderen.
Beispiele:
Das erfüllen natürlich tonnenweise Spiele, die meisten sind Wettrennen an sich, Wettrennen um Siegpunkte, oder der Versuch zu überleben (Wettrennen um Soldaten, Lebenspunkte oder dergleichen).
#Karuba ist ein Spiel, das ungefähr auf dieser Stufe bleibt, ein weitestgehend solitäres Optimierproblem, aber ich will schneller sein, ich will besser optimieren als die anderen.
2: Passives Behindern
Wir schmeißen die x (Spieleranzahl) Skatkartenspiele zusammen, und decken in jeder Runde x Karten auf. Die bilden die "Auslage". Mit wechselndem Startspieler nimmt nun jeder eine davon und legt sie vor sich aus. Gewinnen tut, wer als erster alle Karten einer Farbe ausliegen hat.
Interaktion dieser Stufe findet statt, wenn durch meine Aktionen der Gegner eingeschränkt oder sonstwie behindert wird, ich das aber vorrangig nicht tue, um ihm zu schaden, sondern für meinen eigenen Vorteil. Darunter fällt das Besetzen von Aktionen im Worker Placement, das Wegkaufen von Ressourcen aus einem limitierten Pool, das Abgreifen von Bonusplättchen, und ähnliches.
Ich handle in erster Linie für mich selbst, aber die Mitspieler müssen gegebenenfalls darunter leiden.
Beispiele:
Der limitierte Pool von Meeplen in #Orleans, von Plättchen in #BurgenvonBurgund, oder von Aktionskarten in #Dominion; Bauen auf den Landkarten von #Orl#eans, #Catan oder #Funkenschlag, wodurch einem anderen Spieler der Bauplatz verwehrt werden kann; das Verwehren von Architektenplätzen und Plättchen in #Quadropolis.
3: Aktives Behindern
Neue Regel: Wenn ich einen Buben wähle, darf ich zusätzlich eine Karte aus der Auslage eines Mitspielers mopsen.
Auf dieser Stufe bekommen die Spieler ein Mittel in der Hand, direkt ins Spiel ihres Gegners einzugreifen: Sabotieren, wegnehmen, ärgern.
Sie greifen direkt in das gegnerische Spiel ein, stören seinen Aufbau oder seine Abläufe, und das nicht nebenher, sondern aktiv und bewusst.
Die Übergänge zwischen 2 und 3 sind teilweise fließend.
Beispiele: Das Zerstören von Gebäuden in #ImperialSettlers, der Einsatz von Hexe, Miliz und vielen weiteren Karten in #Dominion.
4: Die Anderen spielen für mich mit
Neue Siegbedingung: Jeder Spieler zieht zu Beginn des Spiels eine Karte (zB eine Pik 7), er hält diese Karte geheim. Sobald alle Kartenwerte (7-Ass) dieser Farbe (Pik) ausliegen, unabhängig davon, bei welchem Spieler, deckt er die geheime Karte auf und hat gewonnen. Haben mehrere Spieler die gleiche Farbe, gewinnt der, der die meisten Karten dieser Farbe ausgespielt hat.
Auf dieser Stufe stehen Spiele mit Mechanismen, die es erlauben, im Fahrwasser der anderen Spieler mitzuschwimmen. Diese handeln nicht nur für sich selbst, sondern ich profitiere unmittelbar mit.
Beispiele: Der Nachbarschaftsmechanismus in #TerraMystica, gemeinsame Unternehmen in #Mombasa, die Art, wie in #FiveTribes die Aktionen zustandekommen.
5: Möglichkeiten zum Handel
Wir führen zusätzlich eine Kartenhand ein, die Spieler starten mit fünf Handkarten, wählen weiterhin eine Karte aus der Auslage, können diese aber auch auf die Hand nehmen und eine andere ausspielen.
Außerdem gibt es jetzt eine Tauschphase: "Hat jemand Herz? Ich würde ein Pik dafür bieten." - "Du hast doch eben die Herz9 genommen. Ich geb dir eine Kreuzdame dafür. Deal?"
Auf dieser Ebene wird das Spiel sozialer, wir können uns absprechen und - in gegenseitigem Vorteil - handeln. Das bekommt in erster Linie eine extra Ebene, weil sich das gegenseitige Aushändigen von Spielmaterial immer sehr, sehr interaktiv anfühlt.
Beispiele:
Rohstofftausch in #Catan, Gebäude in #LordsofWaterdeep (du nutzt meinen Shop, du bekommst was, ich auch).
6: Grundlagen und Raum für Verhandlungen
Wir führen eine Auktions- und/oder Verhandlungsphase ein: Die Spieler futtern nicht reihum eine Karte aus der Auslage, sondern bieten und/oder verhandeln darum, wer welche Karte nehmen darf.
Oder gar, ob die Auslage durch eine neue ersetzt wird.
Das würde ich als interaktivste Ebene im Brettspiel wahrnehmen. Das Spiel wird noch einmal sozialer, wenn die Spieler an sich verhandeln, und nicht (nur) den Spielregeln folgen.
Je nachdem, wie eng die Regeln dafür formuliert sind, bilden sich auf sozialer, spielbedingter oder auch rein zufälliger Ebene Bündnisse, Koalitionen, Hackordnungen und dergleichen.
Beispiele:
Verhandeln mit dem Sheriff in #Sheriff von Nottingham, die Verhandlungsphasen in #Churchill, geheime Absprachen in #DerEiserneThron, das komplette Spiel #Werwolf.
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Wie immer gilt natürlich auch: Ein Spiel wird nicht besser oder schlechter dadurch, wie weit oben ich das einsortiert habe. Und ich habe bestimmt auch irgendwas vergessen.
Ich bitte um Korrektur und Ergänzung.