Beiträge von Beckikaze im Thema „[Spieljahrgang 2014] Shadows of Brimstone“


    Zuerst einmal zu den Stadtphasen:

    Nach einem Kerker schließt sich eine Reisephase an, bei der du auf Eventtafeln würfelst, was unterwegs zu passiert. So simpel das ist, so viele witzige Geschichten entstehen dadurch. Eine brennende Kirche, wo du helfen kannst, aber nicht musst. Angriffe von Monstern, Mutationen etc. Das bedeutet also, dass jedes Ereignis und die Kette von Ereignissen die charakterzentrierte Narration befeuern. Am Ende könnt ihr über eure Reisen sprechen und euch daran erinnern, was jeder einzelne erlebt hat.

    In den Städten wird für Geld übernachtet, geschoppt, gegambled, geheilt und das alles mit Hilfe von Besuchen von Orten. Auch hier gibt es genug Zufall drin, da ebenfalls auf Eventtafeln gewürfelt wird und manche Entscheidungen, wie das Heilen einer Mutation mit Risiken verbunden ist. Auch gibt es in bestimmten Städten Boni und Mali, wenn du Mutationen trägst, weil die Frontier Town thematische Stadtskins einbaut. Städte werden sowieos zufällig besiedelt, aber mit dem Addon gibt es noch einen thematischen Überbau wie Städte am Fluss, Mutantenstädte etc.

    Man verbringt durch das Besuchen von Orten (Saloon - Gamblen mit Minispielen) so viel zeit, dass es ein vollwertiges zweites Spiel im Spiel ist. Darklight Memento Mori geht ebenfalls in diese Richtung. Bei Brimstone ist aber alles größer, bunter, witziger und stellenweise auch etwas bekloppt. :)

    All das kommt zu Preisen:

    Wie schön erwähnt - die Mechanik. Die Mechanik ist nicht nur Mittel zum Zweck, sie wird streng genommen ertragen. Die Kämpfe sind trotz Minecart recht statisch. Positions- und Stellungsspiel gibt es eigentlich nicht. Man würfelt sich gegenseitig nur kaputt. Es ist also eine Ansammlung von Würfelproben. Wenn man ein Dungeon Degenerates gespielt hat, merkt man, dass man die ganzen Figuren eigentlich gar nicht bräuchte. Man könnte dasselbe taktische Erlebnis mit weniger Token- und Figurenwust hinbekommen und es wäre trotzdem noch taktischer.


    Die Balance: Je nachdem, mit welchem Content du spielst, ist der Beginn einer Kampagne besonders hart, vor allem mit zwei Charakteren. Du schaffst, eben weil du nichts taktisch unternehmen kannst, den ersten Kerker nur mit Glück. Wir haben z.B. in unserem letzten Event 15 Stunden am Stück regelmäßig uns Gras gebissen, weil immer zufällige Spawns kommen, die einfach IMBA sind. Das war damals mit weniger Content nicht ganz so schlimm.


    Das Late-Game funktioniert trotzdem nicht. Es kommt der Punkt, wo du so viel geilen Scheiß mit dir rumträgst, dass Monster dir nur noch wenig anhaben können. Und wie bei Diablo & Co.: Wenn kein Permadeath mehr droht, schläft man ein. Wir haben bisher nie eine Kampagne bis zum "Ende" gespielt, weil wir vorher zu stark waren.


    Das allgemeine Moivationsproblem: Aufgrund der schwachen Mechanik kommt es zu Ermüdungserscheinungen: Spielerfolg und Misserfolg sind nie auf dich selbst zurück zu führen. Du gewinnst, weil du Glück mit Spawns, Loot etc. hast und nicht, weil du den perfekten Charakter gebaut oder taktisch sinnvoll gespielt hast. Dadurch stellt sich ein Gefühl des Gespielt-Werdens ein. Das braucht zwar Zeit, weil du vom Spiel so viel Feenstaub ins Gesicht geworfen bekommst, aber es kommt der Tag, wo du dich fragst: Warum spiele ich das eigentlich? So bei mir...


    Im Kerker ist das einzige Positive: Das Looting, das Leveln und die Absurditäten. Aber: Das kann ein Secrets of the lost tomb auch, ist narrativ dabei aber viel stärker und hat, trotz ebenfalls simpler Mechanik, mehr Entscheidungsaspekte und den griffigeren Kerker. Man muss mal umdrehen oder Ähnliches. Bei Brimstone ist der Kerkeraufbau völlig Wurscht. Man läuft vorwärts und fertig. Lost Tomb hat Brimstone für mich zerstört. Ja, die Städte gibt es dort nicht. Aber dafür richtig gute Kerker.


    Am Ende spielt man ein Endlos-Kampagnenspiel, das keine Spielentscheidungen im Kerker abfordert (in der Stadt durchaus), so dass man am Ende Brimstone wegen den Reisen und Städten spielt. Die Hälfte des Spiels verkommt zum Mittel zum Zweck.


    Machina ist mechanisch stärker, hat ebenfalls tolles Looting. Ihm fehlt allerdings das Absurde des Brimstone, was es aber nicht haben will. Deep Madness hat für mich in dem Gernevergleich nix zu suchen. Für mich ist Deep Madness kein Dungeon Crawler, weil das explorative Moment total fehlt.


    Und ja: Auch ich spiele damit, mein komplettes Brimstone-Arsenal zu verkaufen. Minecart Pledge plus alles an Zusatzcontent, was es zu Brimstone gibt. Noch traue ich mich nicht, weil es eines der wenigen Spiele damsls war, die ich eine Woche am Stück spielen konnte. Die Zeiten sind vorbei. Und ich frage mich, ob das nochmal wieder kommen kann...meine Mitspieler sagen: Nein...

    Es fehlt vor allem der Aspekt zwischen den Kerkern: Die Stadtphasen sind super. Es gibt viel zu tun, Nutten im Casino zu prellen, Mutationen auszukurieren, Pferde zu satteln.


    Die Kerker leben von der Zufälligkeit und des Loots. Mechanisch ist das Schund. Aber die Atmosphäre ist der Sellingpoint und da öffnen sich durch die Reisen und Städte vollends die Grenzen zum RPG. Kein anderer Crawler kommt dahin. Das World-Building von Gloomhaven ist dagegen z.B. ein schlechter Witz.


    Das kann Brimstone richtig gut. Mechanik aber nicht.