Beiträge von Bierbart im Thema „TV Serien Teil 2...“

    LemuelG

    Ich würde darauf zwar gerne eingehen, aber möchte das an dieser Stelle trotzdem besser nicht vertiefen, da wir bei einer politisch aufgeladenen Diskussion landen könnten in Hinblick auf die Deutung neuerer Geschichte, als auch auf heutige Konfliktlagen. Und wäre ja auch irgendwie den Thread gekapert. :) Ich möchte eigentlich vor allem eins sagen: Wer sich wirklich informieren will, sollte dies niemals mit Filmen tun, die in erster Linie der Unterhaltung dienen. :) Ich sehe es immer mit Sorge, wenn ich mitbekomme, dass Menschen künstlerische Darstellungen historischer Ereignisse wie eben "Chernobyl" einfach als akkurat akzeptieren und diese Botschaft auch weiterverbreiten. Und das scheint mir schon der Fall zu sein.


    Ich würde aber durchaus auch behaupten, dass dieser Mehrteiler sehenswert ist! Als Zuschauer sollte man sich nur dessen bewusst sein, dass da, zumindest meiner Einschätzung nach, eine eindeutige Geschichtsinterpretation betrieben wird. In diesem Fall ist es die besonders im englischsprachigen Raum weit verbreitete Lesart, dass die Katastrophe das Ergebnis korrupter Staatlichkeit gewesen sei (was auch eine von mehreren möglichen Sichtweisen ist; es gab aber noch andere Faktoren).


    (Und wie gesagt: Schaut euch ruhig mal Motyl'ki an, wenn ihr euch für die Thematik interessiert. Ist im Vergleich zwar viel, viel weniger nah an der Realität, aber als Drama ist diese Miniserie meines Erachtens zumindest in weiten Teilen besser gelungen.)

    Ich habe jetzt auch Chernobyl angeschaut. Also fast, den Abschluss des Fünfteilers kenne ich noch nicht.


    Weiß aber auch nicht, ob ich den überhaupt sehen will, denn Legassow als Person der Zeitgeschichte spektakuläre öffentliche Reden gegen die Sowjetunion schwingen zu lassen, klingt für mich eher absurd. Will mich nicht zu sehr ärgern müssen. Die Klischees, die diese Serie breitwalzt, sind auch so teilweise schon schwer genug zu ertragen. Ständig wird da jedem gleich mit Erschießungskommandos gedroht? Im Jahre 1986? Da war Stalin schon seit über 30 Jahren tot! Und warum wohnt einer der führenden Wissenschaftler der UdSSR in so einer Bruchbude? Und die Kraftwerksleitung wird porträtiert als ein Haufen feiger, völlig inkompetenter Bad Guys? Sehr nuanciert. Genau dieses differenzierte Bild wünscht man sich als aufgeklärtes Publikum. Exakt so muss es gewesen sein... :(


    Naja, was soll's. Ich finde es ja gut, dass hier, bei uns in Mitteleuropa, an diese Katastrophe und an die Liquidatoren erinnert wird, deren Aufopferung einige von uns eventuell sogar ihr Leben verdanken. Visuell und technisch gut gemacht. Schauspieler liefern eine gute Darbietung. Viele kleine Details des Alttags stimmen (Ehering wird rechts getragen etc.).


    Es gibt übrigens auch einen hierzulande praktisch unbekannten TV-Vierteiler ukrainischer Produktion von 2014 mit Namen "Motyl'ki" (dt. "Motten", bzw offiziell auf englisch "Inseparable"), der die Katastrophe darstellt, allerdings mit einem Fokus ganz auf die menschliche Tragöde. Ttechnisch braucht der sich hinter Chernobly keineswegs verstecken, und er hat eine, wie ich finde, wirklich tolle jugendliche Hauptdarstellerin. Der zeigt in typisch russisch/ukrainischer Manier selbstverständlich fast ausschließlich Helden und nimmt's mit den zeitlichen Abläufen nicht genau, aber den fand ich zumindest emotional viel bewegender als "Chernobyl". Wobei, gegen Ende wird der Bogen so derbe überspannt, dass man es, wenn überhaupt, nur noch mit mindestens 3 Bier im Blut aushält, denn so viel Tränendrückerei gibt's noch nicht mal in der italienischen Oper. :) Kann man ankucken auf großen Videoplattformen unter "Inseparable" mit englischen Untertiteln, ist leicht zu finden, auch in guter Qualität.

    Wieso? Vllt. 10 oder 20 Jahre nach TNG - da brauchts doch keine Androiden in Massen, oder übersehe ich was? Fände ich halt spannender (und einfacher), als immer wieder die Kirk-Zeit aufzuwärmen und da zwangsläufig für Brüche zu sorgen.

    OK, Androiden eher nicht. :) Aber stimmt schon, selbst die Sache mit den empfindungsfähigen Hologrammen wäre kein echtes Hindernis für eine Storyline, die die Geschichte nach Star Trek 10 fortschreibt. Im Zweifel tut man einfach alle Komplikationen solcher Art ignorieren -- das haben die Macher schließlich immer schon so gehandhabt. Die Inkonsequenz dabei, Möglichkeiten technischer oder sozio-kultureller Revolutionen an die Wand zu malen, und dann einfach wieder zu begraben, war für mich persönlich allerdings schon immer ein gewisser Kritikpunkt an der Entwicklung dieser Fiktion.


    Also ob man nun Discovery mag oder nicht, hin oder her -- völlig egal, alles okay von mir aus. :)


    Eine wichtige Sache aber möchte ich in Hinblick auf die Grundsatzdiskussion noch ergänzen: Star Trek wurde ursprünglich ganz entscheidend aus dem Grund zu dem, was es heute ist, weil es gezielt in seiner Grundstimmung anders sein wollte, als der Mainstream seiner Zeit -- darum ist es ja in den 60ern auch zunächst gescheitert (sogar zwei mal, wenn man es genau nimmt). Star Trek hatte von seinen ersten Tagen an schon ein Nischenpublikum aus SF-Nerds und ähnlichen Außenseitern -- und es konnte vor allem als erste SF-Reihe überhaupt auch Frauen in nennenswerter Zahl ansprechen, weil es eben KEINE Haudrauf-Weltraum-Action war, sondern einfach anders: Interessanter. Tiefgründiger. Positiv. Und natürlich gesellschaftlich liberal und progressiv. "Demokraten im Weltraum" war eine vielsagende Kapitelüberschrift in einem bekannten Standardwerk zum Thema..


    Heute habe ich aber eher das Gefühl, es sind "Republikaner im Weltraum", die die Geschichte weiterentwickeln -- und es ist voll dran am Mainstream. Discovery will nicht anders sein, es will im Gegenteil genau so sein wie alle andere anderen. Wäre Star Trek in den 60ern auf diese Weise ausgerichtet gewesen, so wäre es eben nicht drei, sondern vielleicht sechs Jahre lang gelaufen. Nur: Erinnern würde sich dann heute kein Mensch mehr daran -- denn was gäbe es denn daran schon Besonderes zu erinnern...? Da hätte es keine Kinofilme gegeben, kein TNG, kein DS9, kein gar nichts, und alles, was von Star Trelk heute noch zeugen würde, wären ein paar Renter, die sich ganz schwach an eine mittelmäßige SF-Serie in den 60ern erinnern können, "die ein bisschen so wie Flash Gordon" war.


    Und genau so wird es mit Discovery laufen.

    Ich hätte es als ebenfalls Fundi aber begrüßt, wenn die Serie einfach mal weitergegangen wäre. Also in der Zeit nach TNG und DS9. DAS wäre spannend gewesen, noch dazu hätte es weniger Genöhle geben können.

    Denke ich eigentlich auch; allerdings müsste man dann auch ein paar Weichenstellungen konsequent zu Ende denken, und da wird's allmählich schwierig. Überall lebende Hologramme und Androiden usw. Ob das funktionieren würde?


    Ich finde aber prinzipiell den Ansatz gar nicht schlecht, das Star-Trek-Universum mit ein paar Nischengeschichten aufzufüllen. Nur wäre es dann auch sinnvoll, überschaubare, abgeschlossene und vor allem schlüssige Geschichten umzusetzen (alleinestehende Filme, Mehrteiler o.ä.), und nicht solche endlos-Serien., die dazu verdammt sind, irgendwann im Sande zu verlaufen. Und die mit dem Format der folgenübergreifenden Handlung noch nicht mal mehr darum bemüht sind, solche Geschichten zu erzählen, die für sich alleine stehend gut und rund sind, sondern in der Hauptsache eigentlich nur einen Anreiz zum Weiterschauen zu bieten. Und die dazu noch innerhalb dieser fiktiven Welt irgendwann Widersprüche in sich selbst produzieren -- was primär natürlich nur den Nerd nervt, aber doch den Gesamt-Epos beschädigt (um es einmal ganz pathetisch zu sagen).


    Ich fand so beispielsweise auch die Idee(!) des Enterprise-Prequels großartig -- nur die Umsetzung war dann leider eine Katastrophe (ich habe dann allerdings auch insgesamt nur ein paar Folgen angeschaut, weil es mir wirklich zu doof war, ist ja logisch). Und was man aus Voyager alles hätte machen können... Sowohl bei Enterprise, als auch bei Voyager hat man für mein Empfinden sehr viel Potenzial verschenkt, und das alles nur aus Betriebsblindheit.


    Ich glaube übrigens auch fest daran, dass die Enterprise D noch für viele Jahre hätte weiterfliegen können, wenn Rick Berman und Co. den Mut gehabt hätten, die Crew sukzessive zu erneuern. Das wäre ja auch im Sinne der Gesamtgeschichte viel plausibler gewesen.

    Pfff, was schreibt der Typ da für einen Käse?!


    Aber egal. Der Kerl kann schreiben, was er will, das beeindruckt so ultraorthodoxe Spinner wie mich doch nicht. Ha! :D ich meine, unsereins ist ja angeblich dermaßen vernagelt, da hilft nix mehr! Außerdem frage ich mich, wo der Typ bitte das Aufgreifen "subtiler politischer Konflikte unserer Gegenwart" und dessen Widerspiegelung beobachtet hat. Also, wenn das subtil sein soll, dann kuck' ich ab sofort wieder die Sesamstraße, amen! Aber im Ernst: Irgendwas von wegen Reflexion aktueller gesellschaftlicher Fragen zusammenfabulieren könnte ich auch, selbstverständlich auch völlig ohne Substanz. Für diese Interpretation muss man schon sehr viel guten Willen aufbringen.


    Ich meine, wenn irgendwann Terminator 9 die romantische Liebesgeschichte zwischen dem T-40000 und Sarah Connors Enkelsohn aus Zeitliene 4.6 erzählt, dann würden Typen wie der Häretiker von da oben wahrscheinlich auch schreiben: "Oh, also den Mut der Produzenten muss man aber schon gouttieren, gerade als Fan, weil die wollten doch immer noch eine Fortsetzung sehen, und wenn die sogenannten Fans wahre Gefühle zwischen Mann und Maschine nicht gut finden, dann ist das halt ein vollkommen hoffnungloser Fall von Brett vorm Kopf!".


    Oder, wenn Tolkiens Bücher irgendwann bald gemeinfrei geworden sind und Mittelerde - das Vierte Zeitalter auf Netflix läuft -- dann wird der Typ wahrscheinlich auch so etwas schreiben wie: "Das Produktionsteam um Blablabla hat es geschafft, sich vom erdrückenden Korsett der Hintergründe und Fakten zu befreien, die in den den Büchern und altbackenen Kinofilmen von anno dazumal geschaffen wurden und sich schier endlos aufeinander türmen".


    ...und Star Wars Episode I war ja auch überragend im Vergleich zu dem alten Kram, wo viel zu wenig mit CGI gearbeitet wurde. Jaja, alles klar. :D


    Nee, Leute, so einer komischen Argumentation gehe ich nicht auf den Leim. Sollen andere Leute ruhig Discovery gut finden, bitte sehr, habe ich kein Problem mit -- aber kommt mir nicht damit, dass Leute wie ich ein Einstellungsproblem haben, wenn es mir nicht gefällt. Tssss. :D


    Hab gestern beispielsweise übrigens "Irrgarten des Todes" von Philipp K. Dick beim Autofahren angehört. Schlne SF, abgeschlossene und schlüssige SF-Story. Fand ich tausend mal interessanter!

    Puhh, @Netrunner, jetzt hast Du mich als bekennenden Vertreter der fundamentalistischen Star-Trek-Fanbasis mit Deinem Kommentar zu Star Trek Discovery erfolgreich aus der Deckung gelockt. Dem muss ich mal ganz dringend eine alternative Sichtweise entgegenstellen. So geht's ja nicht! ;)


    Ich habe mir gestern abend -- heute erster freier Tag seit 2 Wochen, wooohoho! -- gleich als erstes die beiden Folgen angeschaut. Klar, war ich war ja zumindest auch sehr neugierig. Und was soll ich sagen? Positiv ausgedrückt: Ich bin nicht enttäuscht -- aber einzig und alleine darum, weil ich im Grunde genommen eh nichts erwartet habe. Joa, alles schön zeitgemäß, einschließlich des Formats mit folgenübergreifender Handlung. Ob das nun so entscheidend ist, würde ich bezweifeln, aber gut, mit diesem Format ist mehr Potential drin, ganz klar. ist Mit Abstand am besten gelungen: Die chinesische Kommandantin. Die hat nach Janeway und dem unsäglichen Archer endlich wieder Charisma und Ausstrahlung. Es gab einige kleine Details, die nur den eingefleischten Fans auffallen dürften (und diesen offenbar signalisieren sollen, dass die Macher ihren Canon kennen). Das Neudesign der Klingonen und deren Raumschiffe hätte man sich sparen können -- reiner Selbstzweck, aus Furcht darum, visuell altbacken zu wirken. Aber geschenkt.


    Nur: Das ist doch alles nur Form und Verpackung. Wen interessiert das, wenn der Inhalt nicht stimmt? Star Trek ist heute ein Zombie seiner selbst, eine wandelnde Leiche, eine leere Hülle, die ein paar Frankensteins versuchen, mit Gewalt wiederzubeleben, ohne wirklich zu verstanden zu haben, was den Wesenskern von Star Trek ausmacht, und das ist Inspiration. Star Trek reflektierte Fragen des Humanismus und der menschlichen Entität, ließ sich auf moralische Diskurse ein, schrieb teilweise anrührendste Geschichten, inspirierte mit seinen technischen Gimmicks das halbe Silicon Valley und war vor allem Science Fiction mit Betonung auf Science.


    Und was ist heute? Star Trek ist spätestens seit seinen jüngeren Wiederbelebungsversuchen eine völlig austauschbare, actionlastige Space Opera geworden. Halbwegs unterhaltsam, aber vollkommen durchschnittlich und vor allem in seinem Wesen entkernt vom dem, was es dereinst herausragend machte. Soll ich da als jemand, der Star Trek seit Jahrzehnten innig liebt, jetzt aufstehen und applaudieren, nur weil mir die Rechteinhaber irgendeinen mittelmäßigen Action-Blödsinn vorsetzen, der mit "Star Trek" betitelt ist? Nö, mache ich nicht mit. Da schaue ich mir lieber zum 10. mal das unsägliche "Spock's Brain" an, oder noch besser das preisgekrönte Star Trek: Phase II (*), dessen Macher Star Trek wirklich am Leben halten.


    (*) Wen es interessiert, hier ein Trailer zur dritten Folge "World Enough and Time" (die ersten beiden waren doch noch ein bisschen unprofessionell, die dritte Folge war aber ein qualitativer Quantensprung). Die Geschichte hat zwar auch schon gute 10 Jahre auf dem Buckel, aber es ist geradezu unglaublich, wie gut die Stimmung der originalen Serie eingefangen wurde -- und immernoch eingefangen wird. Und es ist technisch-visuell wirklich auch so gut umgesetzt, dass nicht die Spur von Fremdschämen aufkommt.