Puhh, @Netrunner, jetzt hast Du mich als bekennenden Vertreter der fundamentalistischen Star-Trek-Fanbasis mit Deinem Kommentar zu Star Trek Discovery erfolgreich aus der Deckung gelockt. Dem muss ich mal ganz dringend eine alternative Sichtweise entgegenstellen. So geht's ja nicht!
Ich habe mir gestern abend -- heute erster freier Tag seit 2 Wochen, wooohoho! -- gleich als erstes die beiden Folgen angeschaut. Klar, war ich war ja zumindest auch sehr neugierig. Und was soll ich sagen? Positiv ausgedrückt: Ich bin nicht enttäuscht -- aber einzig und alleine darum, weil ich im Grunde genommen eh nichts erwartet habe. Joa, alles schön zeitgemäß, einschließlich des Formats mit folgenübergreifender Handlung. Ob das nun so entscheidend ist, würde ich bezweifeln, aber gut, mit diesem Format ist mehr Potential drin, ganz klar. ist Mit Abstand am besten gelungen: Die chinesische Kommandantin. Die hat nach Janeway und dem unsäglichen Archer endlich wieder Charisma und Ausstrahlung. Es gab einige kleine Details, die nur den eingefleischten Fans auffallen dürften (und diesen offenbar signalisieren sollen, dass die Macher ihren Canon kennen). Das Neudesign der Klingonen und deren Raumschiffe hätte man sich sparen können -- reiner Selbstzweck, aus Furcht darum, visuell altbacken zu wirken. Aber geschenkt.
Nur: Das ist doch alles nur Form und Verpackung. Wen interessiert das, wenn der Inhalt nicht stimmt? Star Trek ist heute ein Zombie seiner selbst, eine wandelnde Leiche, eine leere Hülle, die ein paar Frankensteins versuchen, mit Gewalt wiederzubeleben, ohne wirklich zu verstanden zu haben, was den Wesenskern von Star Trek ausmacht, und das ist Inspiration. Star Trek reflektierte Fragen des Humanismus und der menschlichen Entität, ließ sich auf moralische Diskurse ein, schrieb teilweise anrührendste Geschichten, inspirierte mit seinen technischen Gimmicks das halbe Silicon Valley und war vor allem Science Fiction mit Betonung auf Science.
Und was ist heute? Star Trek ist spätestens seit seinen jüngeren Wiederbelebungsversuchen eine völlig austauschbare, actionlastige Space Opera geworden. Halbwegs unterhaltsam, aber vollkommen durchschnittlich und vor allem in seinem Wesen entkernt vom dem, was es dereinst herausragend machte. Soll ich da als jemand, der Star Trek seit Jahrzehnten innig liebt, jetzt aufstehen und applaudieren, nur weil mir die Rechteinhaber irgendeinen mittelmäßigen Action-Blödsinn vorsetzen, der mit "Star Trek" betitelt ist? Nö, mache ich nicht mit. Da schaue ich mir lieber zum 10. mal das unsägliche "Spock's Brain" an, oder noch besser das preisgekrönte Star Trek: Phase II (*), dessen Macher Star Trek wirklich am Leben halten.
(*) Wen es interessiert, hier ein Trailer zur dritten Folge "World Enough and Time" (die ersten beiden waren doch noch ein bisschen unprofessionell, die dritte Folge war aber ein qualitativer Quantensprung). Die Geschichte hat zwar auch schon gute 10 Jahre auf dem Buckel, aber es ist geradezu unglaublich, wie gut die Stimmung der originalen Serie eingefangen wurde -- und immernoch eingefangen wird. Und es ist technisch-visuell wirklich auch so gut umgesetzt, dass nicht die Spur von Fremdschämen aufkommt.