Neva Kee
Der Song ist ein gutes Beispiel für deine Argumentation - mit diesem im Hinterkopf höre ich gerade nochmal Illusions On A Double Dimple...
Bei Dream Theater, die ich früher in dieser Richtung eigentlich sehr gerne gehört habe, sind mir bei den neuen Sachen inzwischen die Song-Parts eines Longtracks sogar oft zu unzusammenhängend, als ob man sich am Reißbrett einfach mal ein paar Song-Teile ausgedacht hat und die dann am Ende irgendwie zusammenklebt, um einen langen Song mit verschiedenen Teilen zu bauen (und wenn man sich ihre Spread-Sheets so ansieht, die sie für ihre Songs machen, dann ist das ggf. genau das, was sie tatsächlich tun).
"Unzusammenhändende" Songs sind aber auch tatsächlich nix neues - ein sehr populäres Beispiel sind Chicago mit "Hard To Say I'm Sorry", dessen Radio edit ja sehr schnulzig daher kommt und den Jazz-Part am Ende komplett rausschneidet. Wenn du den kompletten Song hörst endet er mit einem energetischen Jazz Part ist teilweise auch unter der Bezeichnung Hard To Say I'm Sorry/Get Away zu finden:
Du schreibst du bist in den 70ern nicht so Zuhause, daher evtl. ein paar neue Infos für dich:
Ende 60er/Anfang 70er als Deep Purple, Uriah Heep oder auch Black Sabbath anfingen Platten aufzunehmen dachte man die Hit-Single stirbt aus und Alben seien die Zukunft. Derartige Songs entstanden derzeit meist auf Druck der Plattenfirmen hin - so soll Black Night von Deep Purple z.B. während einer durchzechten Nacht spontan entstanden sein, damit man halt noch die unbeliebte Single schnell aufnimmt, quasi das Pflichtprogramm abspult. Vermutlich hätte man sich mehr Mühe mit dem Song gegeben, wenn man geahnt hätte, dass man diesen die nachsten 5 Jahzehnte live spielen muss
Generell ist diese Zeit als der Prog damals als Popmusik (im Sinne populärer Musik) zählte super interessant. Das Puplikum wollte damals hören, dass die Musiker ihre Instrumente beherrschen, überlange Songs waren sehr poulär und experimentelles wurde geschätzt. Die Plattenindustrie erkannte nach wenigen Jahren, dass man das nicht durchhalten konnte und etablierte mit Disco die komplette Gegenveranstaltung - einfache Songs, tanzbar und nicht experimentell.
In Deutschland speziell erlebten wir (wir weiter gefasst - ich bin Jahrgang '81 ) die Krautrock-Ära, die auch in weiten Teilen überlange Songs hervorbrachte. Krautrock ist dabei ähnlich zu sehen wie die "New Wave of British Heavy Metal" eher eine Beschreibung von Zeit und Ort als eine Beschreibung des Stils - es gibt dazu eine recht gute Doku "Kraut und Rüben" - die bekanntesten Vertreter sind wohl sicher Kraftwer und die Scorpions (auch wenn die sich von Anfang an gegen die Kategorisierung gewehrt haben, da alles international gehalten werden sollte und der Erfolg gab ihnen Recht), aber auch Can, Tangerine Dream, Faust und Neu! sind international durchaus bis heute bekannt.
Auch damals gab es international gute Resonanzen du diversen Krautrock Bands - so bezeichnete David Bowie das selbst betitelte Debüt von Neu! als Meisterwerk und gab es als Einfluss an. Die Band Schicke, Führs, Föhrling oder kurz SFF sollten wohl von Frank Zappa produziert werden weil dieser begeistert von der Band war (und ja auch Alice Cooper seiner Zeit entdeckte und produzierte) - das scheiterte dann aber doch irgendwie. Amon Düül teilten sich einst in Amon Düül I (wer übt hat es nötig und mit dem wollen wir nix zu tun haben) und Amon Düül II (mindestmaß an Musikalität) erreichten einen derartigen Kultstatus dass Motörhead als Werbegag bei einer Tour Amon Düül III als Vorband ausgaben.
Die Band Triumvirat war beeinflusst von ELP was sich an Stil und Besetzung (3 Musiker) zeigt, obwohl das bei ELP ja widerum nur dem geschuldet war, dass der Gitartist der geplanten Band HELP vorzeitig starb (sollte ursprünglich Hendrix, Emerson, Lake und Palmer werden). Das verlinkte Beispiel von Illusions on a Double Dimple ist längst nicht das Einzige was der Krautrock hervorbrachte:
Witthüser & Westrupp wurden von damals mit Tütchen in der Hand abgelichtet, da das Wissen um Marihuana in Deutschland zu der Zeit noch nicht so verbreitet war. Zudem sagten sie selbst im Interview, dass sie auch LSD nahmen und auf die Bühne gingen um zu sehen was passiert
Xhol (Caravan) kamen musikalisch aus dem Soul und präsentierten mit HauRUCK ein Album, das nur 2 Songs enthielt - gehört mit Can, Faust und
Hölderlin änderten ihren Stil vom Debutalbum zu Album 2, da die Sängerin schwanger wurde - Songs wurden lange ausgedehnt und bescherten uns geniale Stücke wie Deathwatchbeetle:
Faust traten an um "die Hippies mal richtig zu erschrecken" hatten von vorn herein elektronische Elemente wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie in dem anderen Beispiel - zudem waren Faust die "Edelstudioband" von Slapp Happy (mit meiner absoluten Lieblingssängerin Dagmar Krause). Hier das Debut, welches auch nur 3 Songs enthält:
Und der Vollständigkeit halber noch was von Slapp Happy:
Slapp Happy spielten später übrigens zusammen mit Henry Cow Alben ein um die Brücke zu Fred Frith aus dem ersten Beitrag zu schlagen. Henry Cow werden auch der Canterbury Szene zugerechnet, aus der ja auch Centipede (ebenfalls erste Beitrag dazu) stammten.
Worauf ich mit den Ausführungen hin will - aufgrund des Zeitgeistes und der damaligen Plattenindustrie entstanden gerade in den 70ern viele Longtracks, das darin gipfelte dass sehr viele Bands Platten aufnahmen die maximal 2 Songs enhielten (Seite 1 Song 1, Seite 2 Song 2) oder wie Soft Machine (Third [1970]) und Yes (Tales from Topographic Oceans[1973]) Doppelalben mit 4 Songs
So der Durchlauf des Triumvirat-Albums ist soweit - ich sehe was du meinst, empfinde es hier aber tatsächlich schwächer vorliegen als bei dem Song von Porcupine Tree.
Ich selbst fand in den 1990ern zum Metal hörte dies Jahrelang intensiv besonders Trash-, Speed- und (US) Power Metal (ala Metal Church) sowie True/Epic Metal und NWoBHM. Vor Jahren beschäftigte ich mich dann intensiv mit Uriah Heep, es folgten ELP, King Crimson und schließlich Frank Zappa. Das führte dazu dass ich einige Jahre gar keinen Metal mehr hörte und diesen erst später wieder entdeckte. Heute habe ich einen sehr breiten Musikgeschmack der Jazz (insbesondere Free Jazz und Jazz Fusion), Avantgarde, Retro Rock, Progressive Rock und Metal, Zeuhl, bis hin zu Popbands enthält. Es läuft alles unter dem Motto - es muss irgendwas haben, das mich bie der Stange hält/interessant sein. Vieles was ich früher gehört habe empfinde ich heute als langweilig (Slayer), Bands die damals eher mitliefen finde ich heute besser (Medageth), manches liebe ich bis heute (Crimson Glory, Watchtower, Psychotic Waltz) und ich habe viel neues im Metal entdecken können (Giant Squid, Giant Hedgehog, The Hirsch Effekt, Messa, System of a Down, Dillinger Escape Plan)... und zu manchem fehlt mir nach wie vor der Bezug - Dream Theater mochte ich nie, ebenso wie Queens Ryche, Lethal oder Rush - irgendwie lässt mich deren Musik kalt. Und dann sind da noch Spocks Beard und Porcupine Tree bei denen ich bis heute nicht weiß ob mir die Musik gefällt oder nicht
Wenn du Free Jazz mal einen Versuch geben möchtest würde ich eins der wichigsten Free Jazz Alben zum Einstieg empfehlen. Peter Brötzmann veröffentlichete mit Machine Gun 1968 eine Kritik am Einheitsgeschmack:
@Topic: Ich habe für das verfassen des Beitrags tatsächlich so lange gebraucht, dass ich alle geposteten Songs (+Illusions on a Double Dimple + das self titeld Album von Crimson Glory) bis auf Machine Gun laufen hatte - was jetzt läuft