Beiträge von ravn im Thema „Spannungsbögen bei Spielen“

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    Original von Sternenfahrer
    Ich weiß allerdings nicht, ob z.B. Ravn seinen Begriff "Spannungsbogen" anders meint als ich und eher auf Deiner Seite liegt.


    Ich definiere "meinen" Spannungsbogen so: Ansteigende Spannung durch die Spielmechanismen erzeugt, so dass der Höhepunkt mit dem Spielende erreicht ist. Helvetia erreicht das, indem die Gebäude in drei Epochen abgestuft zur Verfügung stehen und somit aufeinander aufbauen. Zudem gibt es einen Spannungsbogen innerhalb einer Runde, weil man die erste(n) Aktionsscheiben noch sicher einsetzen kann, die kommenden aber mit wachsender Unsicherheit, ob man nochmal in der Runde an der Reihe kommt.


    Noch extremer ist das bei Pantheon. Das Spiel nimmt im Laufe der Partie immer mehr an Fahrt auf und endet, bevor es (mir) langweilig wird, weil sich die letzten Epochen viel schneller spielen, es zudem noch mehr Siegpunkte gibt und man auf den eigenen Götterplättchen in seinen Möglichkeiten aufbauen kann.


    Im Gegensatz dazu stehen gradlinige Spielverläufe, bei denen es keine Änderung zwischen der zweiten und der vorletzten Runde gibt und auch innerhalb einer Runde kein Spannungsbogen gegeben ist. Es plätschert eben auf dem selben Spannungs-Niveau so vor sich hin und am Ende hat dann jemand gewonnen. Genauso gut hätte man aber auch schon x Runden vorab abbrechen und abrechnen können.


    Mir persönlich gefallen die Spannungsbogen-Spiele besser.

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    Original von Sternenfahrer
    ravn: Bist Du vielleicht einfach "satt"? Zu viele Spiele gespielt? Kann Dich nichts mehr hinter dem Ofen hervorlocken? Alles so oder so ähnlich schon mal dagewesen?


    Wenn schon satt, dann an "nur ok bis guten" Spielen, die so gehäuft auftreten, dass es zunehmend schwieriger wird, die paar persönlichen Perlen zu finden, wo der Widerspielreiz auch ausreichend hoch ist und mich das Spiel während der Partie bestens unterhält. Da hatte ich in Herne beim Spielewahnsinn schon etliche erblickt, die eben rein mechanisch ok waren, mit perfektem Spannungsbogen aber das gewisse Extra bekommen hätten, die "nur gute" von "sehr guten" Spielen unterscheidet. Zum Glück waren einige davon noch im Prototyp-Test-Status, so dass ich da doch noch Hoffnung habe.


    Die beiden kleinen Kartenspiele von SmilingMonsterGames hatten mir zum Beispiel gut gefallen vom Spannungsbogen. Jagdfieber, weil es gut eingewoben ist im Thema und jede Runde das Überraschungsmoment bietet und dazu über die ganze Partie die Verknappung der eigenen Kartenhand und damit der Möglichkeiten. The Message, weil es (fernab der schaurigen Übersetzung ins englische) ebenfalls das Thema gut transportiert und mit wenigen Regeln trotzdem in der Interaktion mit den Mitspielern etliche Möglichkeiten bietet, sein Geheimauftrag zu erfüllen in teil-kooperativer Konkurrenz.


    Andere Spiele (Namen zu nennen wäre hier unfair, weil teils eben noch keine finalen Versionen) haben mich da eher enttäuscht. Sahen nach interessanten Mechanismen aus, boten die auch teilweise. Aber plätscher-die-plätscher, verliefen die Kennenlernpartien eher langweilig, weil schnell alle Spielelemente ausprobiert waren und dann nichts Überraschendes mehr kam, aber noch ne Menge Spielezit vor einem lag. Gemeinsam hatten alle diese Spiele, dass sie den Spielen viel Freiraum liessen in den Möglichkeiten, dadurch aber eben auch kein Zug ins Spiel kam.


    Deshalb freue ich mich umso mehr auf Spiele, die einen guten Spannungsbogen bieten und rein mechanisch funktionieren. Nur eines davon reicht mir bei meinem Spiele-Sättigungsgrad nicht mehr. Dazu habe ich zu viel altes Bewährtes, als dass es nur halbgares Neues braucht.


    Cu / Ralf

    Mahlzeit,


    ich grabe den alten Forenthread mal aus, weil ich am letzten Wochenende auf dem Spielewahnsinn in Herne aufgefallen ist, dass einige Spiele (in der Erstpartie) zwar rein mechanisch gut funktionieren, aber eben absolut keinen für mich befriedigenden Spannungsbogen bieten. Wenn nach der Hälfte der Spielzeit die Luft so weit raus ist, dass ein Spiel nur noch dahin-plätschert und es schlicht langweilig wird, dann stimmt mit einem solchen Spiel etwas nicht.


    Trend ist ein verbranntes Wort, aber ich finde es schade, wenn hoffnungsvolle Spieleneuheiten ihr Potential so leichtfertig verschenken, weil Autor und Verlag es nicht geschafft haben, einen Spannungsbogen aufzubauen. Brauchen wir mehr gescriptete Spiele, die einen Taktgeber besitzen, der zeitlich gestaffelt im Spielverlauf dafür sorgt, dass sich ein möglichst optimaler Spannungsbogen entwickeln kann, weil er dem Spiel entsprechende Impulse gibt? Aber ohne, dass sich ein gleichförmig vorhersehbarer Spielablauf entwickelt. Genau das ist wohl die Kunst des Spiele-Erschaffens!


    Also wo sind die Neuheiten mit perfektem Spannungsbogen?


    Cu / Ralf

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    Original von Attila
    Monopoly ist Dreck. Punkt. Und das meine ich ernst.


    Da Du ebenso Pantheon und Kingdom Builder blöd findest, sollte ich mir Monopoly nochmal anschauen. Könnte ein Geheimtipp sein! :)


    Cu / Ralf

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    Original von DerGewinn
    Ich bin kein Fan von Monopoly. Klar, mit Freunden in einer geselligen runde sitzen und Monopoly spielen hört sich schön an, aber mir vergeht schon nach ein paar Runden der Spaß. Zudem zieht sich das Spiel noch so dermaßen in die Länge, dass man schon von beginn an weiß, dass man das Spiel eh nicht zu ende spielt.


    Ich behaupte mal, dass kaum jemand Monopoly wirklich richtig gespielt hat. Also so, dass eben nicht dauerd Geld aus der Bank nachgeschossen wird über Frei-Parken & Co. Also so, dass man erst bauen kann, wenn man einen kompletten Strassenzug hat und damit vorab auch Strassen handel muss und so. Und und und.


    Ich jedenfalls habe es damals immer noch eigenen Regeln gespielt, eben so wie wir es kannten. Auf die Idee, mal in die Spielregeln zu schauen, ist keiner gekommen - ausser bei der Startverteilung des Geldes - warum auch?


    Cu / Ralf

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    Original von Sternenfahrer


    Weil viel zu viele von ihnen, meiner Meinung nach, nicht wissen, daß es ein schlechtes Spiel ist.


    Ist es dann nicht völlig egal, das es Eurer Meinung nach ein "ojektiv schlechtes Spiel" ist, mit denen diese Menschen da Spaß haben, so lange sie eben damit ihren Spaß haben und Ihr nicht gezwungen seid, da mitzuspielen, um denen ihren Spaß zu verderben?


    Lasst das Missionieren des unwissenden Nicht-Spieler-Volkes beginnen - mit Siedler von Catan oder Here I Stand im Gepäck - je nach Missionierungseifer. Weil kann ja nicht angehen, dass die mit schlechten Spielen ihren Spaß haben!


    :weia:


    Cu / Ralf

    Eventuell haben manche Spiele ein höheres Potential für einen gelungenen Spannungsbogen als andere. Das könnten dann Spiele sein, die man persönlich als spielenswert empfindet. Ob dieses Potential aber auch ausgeschöpft wird, das hängt stark an der Spielrunde an sich und deren Spielweise ab. Soll heissen, ein Spiel mit einem hohen Spannungsbogen-Potential kann in der unpassenden Spielrunde auch total durchfallen.


    Wenn man also meint, dass Agricola einen gelungenen Spannungsbogen bietet und ein hohes Potential hat, dass sich dieser Spannungsbogen auf in der Spielpartie zeigt, dann aber Mitspieler am Tisch sitzen, die man persönlich unsympathisch findet oder 90% der Gesamtspielzeit durch Dauergrübeln für sich beanspruchen oder einseitige Gefälligkeits-Züge machen, wird der persönlich empfundene Spannungsbogen sich nicht entwickeln können, weil die Begleitumstände den Spannungsbogen zerstören bzw. negativ empfunden überdecken können.


    Somit sind wir wieder an dem Punkt, dass Spiele an sich ein theoretisches Potential an Spielwert und Spannungsbogen durch den Autor erdacht und durch den Verlag umgesetzt haben können, es dann in jeder Partie neu darauf ankommt, ob diese theoretischen Möglichkeiten auch in der Spielpraxis einer Partie sich umsetzen lassen - für die Gruppe und für jeden Einzelnen individuell erlebt.


    Somit hat man zwei Bewertungsebenen. Einmal das theoretische Potential und dann die individuell erlebte Spielpraxis. Auf beiden Ebenen kann man jeweils unterschiedlicher Meinung sein, weil man eine persönliche Gewichtung mitbringt, was einem an einem Spiel gefällt und welche Spielrunden-Umstände positiv oder negativ für einen wirken. Ohne beide Ebenen eines Wertenden zu kennen, ist die Fremd-Wertung über ein Spiel schlicht nicht auf sich selbst übertragbar und damit als Wertung ohne Wert. Die reine Information der Wertung bleibt aber bestehen und was man für sich daraus herauszieht ist ebenso sehr individuell.


    Cu / Ralf

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    Original von Attila
    So bleibt die alte Einsicht, das es alles Geschmackssache ist.


    Pah, das würde in letzter Konsequenz ja bedeuten, dass ich am Ende wirklich doch jedes Spiel nicht nur spielen, sondern auch die passende Spielrunde dafür finden muss als Grundvoraussetzung, und erst dann für mich ganz alleine entscheiden könnte, ob mir dieses eine Spiel gefällt? Und wer weiss, ob ich das Spiel in anderer Grundstimmung oder mit anderen Mitspielern nicht völlig anders finden werden könnte? Jede neue Spielpartie als Risiko sich zu langweilen, eventuell gar zu ärgern und zu jammern, warum man seine Zeit nicht besser verbringt?


    Dann wären alle Spielebesprechungen und Wochenrückblicke ob hier oder in spielbox-Fachzeitschriften & Co ja völlig ohne Wert - weil nicht übertragbar - und könnten höchstens dazu dienen, um auf die Existenz neuer Spiele aufmerksam zu machen. Das kann aber ebenso eine nach Erscheinungsdatum sortierte A-bis-Z-Liste der Neuheiten.


    Wir schaffen uns als selbsternannte Spiele-Experten gerade selbst ab ... und hätten endlich mal mehr Zeit für diverse Spielrunden, wenn wir erkennen, dass alles theoretische Geschwafel darüber fernab des Spieltisches reiner Selbstzweck und nichts mehr als Zeitverschwendung wäre - eventuell noch gerade eben als netter Zeitvertreib oder seichte Unterhaltung auf Small-Talk-Niveau durchginge?


    Manche Einsichten sind echt blöd! :mmhh:


    Cu / Ralf

    Für mich ein Paradebeispiel für einen gelungenen Spannungsbogen ist Pantheon.


    Es fängt langsam an, trotzdem muss man sich auf das Timing seiner Mitspieler einpendeln. Es gibt Anfangs wenig Siegpunkte, aber dennoch stellt man erste Weichen für das restliche Spiel. Dann zieht das Tempo an, die Siegpunktgewinne wachsen. Und gerade auf dem Höhepunkt des Tempos und der Siegpunktgewinne ist das Spiel vorbei und vermeidet damit durch ewige Wiederholungen langweilig zu werden. Als Spieler bestimmt man dabei das Tempo selbst. Das Spiel gibt nur den Rahmen vor. Das erzeugt für mich Spannung, der übers ganze Spiel einen Spannungsbogen erzeugt.