Beiträge von Fluxit im Thema „Bewertungen anderer und deren Einordnung, oder "Kenne deine Kritiker / Youtuber und deren Geschmack."“

    Zurück zur Ursprungsfrage: Ja, die Wertungsdiskrepanz liegt an der persönlichen Perspektive. Als UX Designer sehe ich das auch im Job, z.B. verzeihen Benutzer im Test eher kleinere Fehler, wenn die Benutzeroberflächen ästhetisch oder sorgfältig designt wurde. Das wird konkret bei Arydia anschlagen. Aber ob man etwas ästhetisch findet, da wird es ja schon subjektiv. Und man kann diesen Effekt weitgehend aushebeln, wenn man z.B. jeden beobachteten Fehler aufschreibt und auswertet. Sowas passiert dann bei Becki, der sich analytisch mit Spielen beschäftigt.

    Mit "persönlicher Perspektive" meine ich: Wie nimmt man das Spiel wahr, wie ordnet man es im Kontext seines Spielehorizontes ein, was erwartet man davon, welche Gefühle ruft es im Kontext seiner Spielegruppe hervor, welches Spielerlebnis gefällt einem typischerweise, ...

    Die im Arydia-Thread heute genannten Beispiele finde ich sehr gut zur Veranschauung, dass das gleiche Spielereignis unterschiedliche Reaktionen hervorrufen kann. Ähnliche Diskussionen gab es bereits bei Mythwind. Ich beobachte das auch im Freundeskreis. Manche fluchen (wie Becki) auf zuviel oder zu schlechtes Vorlesematerial, andere freuen sich wie ein Bär auf Story of Many oder andere glorifizierte Choose Your Own Adventures, die mechanisch nicht viel hergeben. "Kenne den Geschmack deines Kritikers" gilt daher mMn für alle, also auch für Freunde. Und btw genauso bei anderen Themen, wie Restaurants oder Filmen.

    Was ich konkret an Beckis Format sehr schätze, sind die begründeten Beispiele. Spezifisch zu Arydia kann ich z.B. sagen, dass sein Vorwurf der mangelnden Lebendigkeit (weil die Welt sich nicht aktiv selber entwickelt) für mich keine Bedeutung hat, also wirklich gar keine. Er erwartet regelmäßig eine Spielengine, ich nicht. Andere Beispiele, wie das wiederholte Heraussuchen von Karten, um damit dann eine Würfelprobe zu machen und in zwei von drei Fällen nur einen Text zu lesen, puh, das würde mich genauso wenig reizen wie ihn und empfinde ich ebenfalls als sehr langweilig. Die Oberfläche des Spiels nutzt sich für mich schnell ab, weil mein Kopf lieber die Schichten darunter sieht. Ich kann mit diesen Beispielen also bis zu einem gewissen Grad die Einfärbung des Reviewers für mich herausfiltern und bewerten. Das ist für mich auch der Sprung von subjektiv zu objektiv. Objektiv ist, wenn ich in einem Side Quest Karte A und B herausholen und abhandeln muss. Subjektiv ist, wieviel Spaß mir das macht.

    Am Beispiel Primal, wo meine und Beckis Meinung stark auseinandergehen, fiel mir im Video auf, wie unterschiedlich wir das Spiel wahrnehmen. Aber es geht über den subjektiven Geschmack hinaus! Er kritisierte z.B., dass man nach zwei Runden alle Bossreaktionen gesehen hat und der Rest der Session damit ein reizarmes Puzzle ist (oder so in der Art, ich erinnere mich nicht an den genauen Wortlaut). Das bedeutet, dass seine Gruppe sich also alle Reaktionen merkt bzw. das als wichtigen Teil des Spiels versteht. Dafür hab ich im Spiel gar keine Kapazität, wir merken uns nur so 2-3 Karten, und oft dann auch erst ab einer späteren Runde. Alleine deswegen ist es für uns also eine andere Spielerfahrung, die sich bei uns spannender niederschlägt. Er hält die Bosse dazu für zu ähnlich, das ist wiederum subjektiv, aber als solches natürlich valide. Für ihn ist es allerdings gegeben, dass in einem Boss Battler die Bosse die Stars des Spiels sein müssen. Für uns ist das weniger relevant. In Primal sehen wir unsere Helden als Stars und arbeiten uns mit Freude an dem Boss ab, die sich für unseren Geschmack außerdem unterschiedlich genug verhalten. Solche Beispiele zeigen mir immer wieder, wie sich die Sicht- & Spielweisen unterscheiden und häufig zu verschiedenen Ergebnissen kommen.
    Ist ja auch nicht neu. Polarisierende Meinungen gibt's im Forum genug, zu fast jedem Spiel. Bullet Heart feiert der Großteil meiner Freunde, gestern aber ist es krachend gescheitert, u.a. wegen des Echtzeitcharakters.

    Nebenbei: Ich konsumiere Reviews in erster Linie zur Unterhaltung, weniger als Kaufentscheidung. Und nur zwei Kanäle nutze ich dafür regelmäßig, Die Nische und Space-Biff. Wenn ich mich für einen Kauf informiere, recherchiere ich weiter und lese dabei meistens die besonders negativen und positiven Bewertungen gleichermaßen. Im Schnitt bekommt man dabei meistens ein ganz gutes Bild, was die persönlichen Wertungen differenziert und für mich ausreichend ausgleicht.

    Nebenbei #2: Ich hab mich bemüht, inhaltliche Beispiele zu finden, aber aufgrund des Themas bleibt der Bezug zur Person nicht aus. Letztere möchte ich trotzdem explizit möglichst wenig diskutieren. Ich hab durchaus eine Meinung und finde manches gut und manches nicht, aber in erster Linie bin ich dankbar für den kostenlosen Inhalt von spielfreudigen Menschen, die ihre Zeit dafür opfern, dass ich mich unterhalten fühlen darf.