Beiträge von MetalPirate im Thema „Bewertungen anderer und deren Einordnung, oder "Kenne deine Kritiker / Youtuber und deren Geschmack."“

    Nach vielen Jahren im Hobby und mehr als genug sehr guten Spielen im Regal wird meine Beurteilung von Spielen aufgrund fremder Bewertungen immer einfacher.

    Erstmal sind alle Bewertungen, die es nicht schaffen, mich davon zu überzeugen, dass ein Spiel zumindest in irgendeiner Weise aus der Masse heraussticht, von vorn herein uninteressant. "Nur gute" Spiele habe ich in genügender Anzahl zuhause und da haben es schon die Verlage und Autoren schwer, von denen ich weiß, dass ihre Werke mir und meinen üblichen Mitspielern normalerweise gefallen. Wie W. Eric Martin von BGG mal in einem Video sagte: "New games are for new gamers." Das ist wahr. Wer schon mehr Spiele aus dem Bestand wieder rausgeschmissen hat als aktuell noch da sind, der braucht keine neuen Spiele. Jeder Neukauf ist ein Kann-Kauf. Wenn man kein Sammler ist, gibt's Muss-Käufe nicht mehr, oder allerhöchstens noch nach eigenem Anspielen.

    Damit ich mir komplett Unbekanntes näher anschaue, muss es irgendwie besonders sein. Betonung auf "irgendwie". Alles erlaubt. Aber bitte nicht 08/15-Standware vom Typ "jo, is' ganz nett". So Zeugs ist verzichtbar.

    Okay. Sagen wir, es gibt eine "Hey, Spiel XYZ ist etwas Besonders!" Nachricht von irgendjemandem. Dann gibt es dann zwei Dinge, die dem Ganzen für mich Gewicht verleihen:

    • es kommt von einem Reviewer oder Forumsschreiber, der nicht dafür bekannt ist, alles wahllos in den Himmel zu loben.
    • das positiv besprochene Spiel ist längst keine gehypte Neuheit mehr.

    Beides sind Indizien für "das Spiel ist wirklich ungewöhnlich gut". Pluspunkte gibt's außerdem für ausführlichere Begründungen, bevorzugt in Textform. Gedanken in Textform sind idR viel sortierter, überlegter, kondensierter und außerdem auch schneller zu konsumieren als irgendwelches Video-Gelaber.

    Alles andere ist wertlos. Oder sagen wir's lieber neutraler: Bestenfalls Unterhaltung im Rahmen des Brettspiel-Hobbys, aber für Kaufentscheidungen komplett irrelevant. Und ja, das heißt, dass ich die große Masse dessen, was für schnelle Klicks produziert wird, bzgl. meiner Kaufentscheidungen für komplett irrelevant halte. Denn weder kritische Besprechungen noch ausführlichere Begründungen noch die Besprechung von alten Schätzchen lohnen sich für den Ersteller im Rahmen der Aufmerksamkeits- und Engagement-Ökonomie von Social Media. Auch genau deshalb ist sowas gleichermaßen selten wie wertvoll.

    Vajras : Spielebesprechungen gehören ins Unterforum "Spiele & Spieler / Spielebesprechungen". Diskussionen über Kampagnen, Auslieferungen & Co gehören ins Unterforum "Spielehandel, Links, Medien / Crowdfunding". Crowdfunding-Spiele haben daher idealerweise zwei zugehörige Threads.

    Ziel ist, dass man diese Threads unabhängig voneinander abonnieren/lesen/ignorieren kann, ggf. auch in Kombination mit einem kompletten Ignorieren von Diskussionen über ungelegte Eier im gesamten Crowdfunding-Bereich. Einfach weil das verschiedene Sachen sind und sich mit der Auslieferung der Fokus der Diskussionen über ein Spiel komplett verschiebt.

    Problem sind wie so oft die Nutzer. Der Nutzer "Irgendjemand" muss dann für die allererste Spielebesprechung einen neuen Thread erstellen. Die Moderatoren können das nicht mit massenhaften Auslagerungen leisten.

    Warum Rezensenten manchmal weit auseinanderliegen, vermag ich nicht zu beantworten. Ich hoffe doch aber, dass dies ebenfalls auf der subjektiven Wahrnehmung des Spiels beruht.

    Das ist bei Arydia (dem Anlass für diesen Thread) ziemlich sicher der Fall. Das ist in vielerlei Hinsicht ein extremes und originelles Spieledesign. Riesengroß und teuer obendrein. Da landet man dann schnell im Spannungsfeld zwischen "tolle, innovativen Ideen drin!" und "hmm, funktioniert trotzdem nur passabel; es hat schon einen Grund, warum sowas in der Art bisher noch nie funktioniert hat".

    Beim tausendsten ewig gleichen Aufguss von Standard Worker Placement gehen die Meinungen sicher nicht so auseinander. (Aber da ist dann dafür ein großer Name von Autor und/oder Verlag das dominante Bewertungskritierium vieler Reviewer, Motto: "Was von XYZ ist, muss ja gut sein.")


    (Spiele)kritiker haben ein Eigeninteresse, und sei es nur Ruhm, Gratisexemplare und Investitionsrechtfertigung.

    Absolut richtig. Die Existenz von Eigeninteressen sollte man nie vergessen. Und dennoch:

    Ich finde Kritik an der Kritik okay, wenn sie fair und unpersönlich vorgetragen wird.

    Das ist mindestens genauso wichtig. Wer Niveau von Kritik glaubhaft kritisieren will, muss selbst ein hohes Niveau einhalten.

    Und was sind eure persönlichen Schlussfolgerungen?

    Ich wundere mich immer mehr, wie sehr sich viele Menschen auf die Meinung anderer (oft unbekannter anderer!) verlassen wollen, anstatt den eigenen Kopf anzustrengen. Ich meine: Die Spielregeln sind normalerweise online verfügbar und zur Not gibt es Regelvideos, das reicht zumindest für einen groben Eindruck. Und selbst bei bewertenden Sekundärquellen ist es oft möglich abzuschätzen, ob das dort geäußerte Lob bzw. die dort geäußerte Kritik auf einen selbst zutrifft.

    Wo ist das Problem, dass der eine 10/10 und der andere 2/10 gibt? Ich bilde mir meine eigene Meinung und solange der Extrem-Bewerter seine Ansicht halbwegs begründen kann, habe ich damit null Probleme, selbst wenn's zu meiner Meinung komplett konträr ist. (Und ja, bei besonders extremen Bewertungen sind saubere Begründungen besonders selten zu finden. Ausgewogene Reviews tendieren zu Mitte des Spektrums, nicht zu den Extremen.)


    Ist der Leitsatz "Kenne den spielerischen Geschmack / Fokus deines Kritikers, um seine Wertung für mich persönlich einschätzen zu können." euer Meinung nach richtig und eine sinnvolle Leitlinie?

    Natürlich. Ich würde sogar ergänzen um: "Kenne Mittelwert und Varianz der Wertungen." Stichwort Rahdo, bei dem man feine Nuancen heraushören muss, weil sonst einfach nur alles "amazing" ist.