Nach vielen Jahren im Hobby und mehr als genug sehr guten Spielen im Regal wird meine Beurteilung von Spielen aufgrund fremder Bewertungen immer einfacher.
Erstmal sind alle Bewertungen, die es nicht schaffen, mich davon zu überzeugen, dass ein Spiel zumindest in irgendeiner Weise aus der Masse heraussticht, von vorn herein uninteressant. "Nur gute" Spiele habe ich in genügender Anzahl zuhause und da haben es schon die Verlage und Autoren schwer, von denen ich weiß, dass ihre Werke mir und meinen üblichen Mitspielern normalerweise gefallen. Wie W. Eric Martin von BGG mal in einem Video sagte: "New games are for new gamers." Das ist wahr. Wer schon mehr Spiele aus dem Bestand wieder rausgeschmissen hat als aktuell noch da sind, der braucht keine neuen Spiele. Jeder Neukauf ist ein Kann-Kauf. Wenn man kein Sammler ist, gibt's Muss-Käufe nicht mehr, oder allerhöchstens noch nach eigenem Anspielen.
Damit ich mir komplett Unbekanntes näher anschaue, muss es irgendwie besonders sein. Betonung auf "irgendwie". Alles erlaubt. Aber bitte nicht 08/15-Standware vom Typ "jo, is' ganz nett". So Zeugs ist verzichtbar.
Okay. Sagen wir, es gibt eine "Hey, Spiel XYZ ist etwas Besonders!" Nachricht von irgendjemandem. Dann gibt es dann zwei Dinge, die dem Ganzen für mich Gewicht verleihen:
- es kommt von einem Reviewer oder Forumsschreiber, der nicht dafür bekannt ist, alles wahllos in den Himmel zu loben.
- das positiv besprochene Spiel ist längst keine gehypte Neuheit mehr.
Beides sind Indizien für "das Spiel ist wirklich ungewöhnlich gut". Pluspunkte gibt's außerdem für ausführlichere Begründungen, bevorzugt in Textform. Gedanken in Textform sind idR viel sortierter, überlegter, kondensierter und außerdem auch schneller zu konsumieren als irgendwelches Video-Gelaber.
Alles andere ist wertlos. Oder sagen wir's lieber neutraler: Bestenfalls Unterhaltung im Rahmen des Brettspiel-Hobbys, aber für Kaufentscheidungen komplett irrelevant. Und ja, das heißt, dass ich die große Masse dessen, was für schnelle Klicks produziert wird, bzgl. meiner Kaufentscheidungen für komplett irrelevant halte. Denn weder kritische Besprechungen noch ausführlichere Begründungen noch die Besprechung von alten Schätzchen lohnen sich für den Ersteller im Rahmen der Aufmerksamkeits- und Engagement-Ökonomie von Social Media. Auch genau deshalb ist sowas gleichermaßen selten wie wertvoll.