Beiträge von Imagine im Thema „20.03.-26.03.2023“

    Imagine - Wir haben #CactusTown zu viert gespielt und da war es auch nicht mehr als nur "nett", du rennst über den Plan und versuchst jeden so gut es geht am gewinnen zu hindern. Für uns war nach 2 Partien klar, dass wir lieber bei Colt Express bleiben: Weniger zusätzliche Regeln und mehr Spielspaß.

    Exakt das war auch mein erster Gedanke nach "Wie, das war's jetzt?"

    Schon lange nicht mehr von neugespielten Spielen berichtet - unter anderem auch deshalb, weil ich in den letzten Wochen viele tolle Titel wiedergespielt habe, über die ich bereits in der Vergangenheit berichtet hatte (The Boss, Room-25, Day Night Z) und bei den Neuheiten wenig berichtenswertes dabei war. Hier aber mal wieder drei Ersteindrücke.


    Los geht's direkt mit was obskurem: #Tiger&Dragon ist ein cleveres japanisches Hand-Management-Spiel, das von Oink Games Japan-exklusiv vertrieben wird (aber kein originäres Oink Game ist, daher auch eine größere Schachtel hat) und bei dem man mit seinen vorher aus einem gemeinsamen Pool gezogenen Spielsteinen versucht Punkte zu machen, indem man sie als erster los wird. Der erste Spieler wählt dazu einen seiner verdeckten Steine und legt ihn offen auf die obere (Angriffs-)Reihe seines kleinen Tableaus; die nachfolgenden Spieler können nun entweder mit einem gleichwertigen Stein "verteidigen" (ihn offen in ihre untere "Verteidungsreihe" legen), um danach ihrerseits mit einem eigenen weiteren Stein "anzugreifen", oder passen, woraufhin der nächste in der Reihenfolge dieselben Optionen hat. Die Steine haben dabei Werte zwischen 1 und 8 - was gleichzeitig auch ihre Häufigkeit ist - und es gibt noch je einen Tiger- bzw. Drachen-Stein, die jeden geraden bzw. jeden ungraden Stein abwehren können. Sollten alle nach mir passen, bis ich wieder an der Reihe bin, darf ich meinen Angriffsstein mit einem beliebigen meiner Steine abwehren, den ich verdeckt (als Bonusstein) auslege. Wer zuerst seinen letzten Stein auslegt, gewinnt die Runde; je nachdem, welche zufällig zu Beginn gezogene Zielkarte ausliegt, bekommt dieser Spieler (und nur er) Punkte abhängig von seinem zuletzt gespielten Stein sowie Bonuspunkte für jeden seiner verdeckten Bonussteine. Danach werden alle Steine gemischt und neu gezogen, eine neue Zielkarte gezogen und weitere Runden gespielt, bis jemand die 10-Punkte-Marke knackt und Sieger ist. Das clevere hierbei ist, dass man beim Legen und Passen geschickt taktieren muss, um seine Siegchancen zu optimieren und gleichzeitig möglichst viele Siegpunkte zu machen. Da in jeder Runde verdeckte Spielsteine im Pool zurückbleiben, kann man auch nur abschätzen, wieviele Steine welcher Zahl womöglich noch im Umlauf sind, und gerade hier kann man mit geschickt getimetem Passen den Mitspielern eine böse Überraschung bescheren! Tolles kleines Ding und mal wieder ein Absacker-Geheimtipp von mir, der hoffentlich bald wieder auf Amazon.jp verfügbar ist.



    Nur unwesentlich komplizierter sind die Spielregeln von #CactusTown , einem relativ frisch ausgelieferten Kickstarter-Titel, der sich recht treffend als Bang!-macht-Kind-mit-Colt-Express beschreiben lässt. Denn genau wie bei ersterem übernimmt jeder eine typische Western-Rolle (hier allerdings nicht geheim) und programmiert wie bei letzterem seine Spielzüge mit Karten, die hier aber asymmetrisch sind, so dass jeder eigene Fähigkeiten hat. So bewegt man seine Figur oder Figuren (je nach Fraktion hat man 1-3) über ein 5x5 Ortskarten-Raster, die in der Fortgeschrittenen-Version ebenfalls unterschiedliche Effekte haben, und versucht, sein individuelles Ziel zu erreichen: Die Banditen wollen mit 2x Beute aus der Stadt verschwinden, der Sheriff und seine Leuten wollen 2 Banditen einbuchten, der Kopfgeldjäger mit einem gefangenen Banditen und zwei gestohlenen Pferden abhauen etc. Da man dabei immer drei Züge vorprogrammieren muss, ist das nicht immer ganz einfach; zusätzlich gibt es Duelle, die mit Würfeln ausgetragen werden. Das alles ist in der Grundversion ziemlich trivial; wer nicht gerade mit kleinen Kindern oder totalen Brettspiel-Noobs am Tisch sitzt, sollte direkt alles an optionalen Regeln oder Erweiterungen mit dazu packen und in voller Besetzung spielen (4 beim Grundspiel, 5 mit Erweiterung). Ob es dann mehr als nur "nett" ist, hängt wohl stark von den eigenen Erwartungen ab; guten Gewissens empfehlen kann ich es nach unserer 3er-Partie allerdings eigentlich nicht; wenn es schon wer zu viert bzw. fünft und mit Erweiterungen gespielt hat, bitte mal kommentieren.



    Am meisten hingefiebert habe ich auf den letzten Titel: #Stationfall von Ion Game Design, bei dem bis zu 9 (!) Spieler die letzten Minuten in einer havarierten orbitalen Raumstation versuchen, ihre teils haarsträubenden Ziele zu erfüllen und dem fast sicheren Tod zu entkommen. Dabei durchlief ich schon im Vorfeld ein Wechselbad der Gefühle: Erst im Kickstarter drinnen, dann auf der Messe '21 zum Probespielen angemeldet, dann wieder abgesprungen und den Kickstarter gecancelt, weil mich nach 5 Minuten Zuhören bei der Regelerklärung sowie ein Blick auf den Spielplan die Angst vor einem Regelmonster komplett abgeschreckt hatte; nach der Auslieferung dann aufgrund der ersten begeisterten Spielberichte wieder heiß drauf geworden und nach einer quälend-enttäuschenden 6-stündigen Nemesis-Lockdown-Partie spontan dann doch gekauft in der Hoffnung, dass Stationfall alles das richtig macht, womit mir Nemesis den Spaß verdorben hat (hauptsächlich das gnadenlos-dem-Zufall-ausgeliefert-sein). Und was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht. Ja, Stationfall hat ein abschreckendes Regelwerk (bzw. gleich 3 davon!): Ein gescriptetes Tutorial (für die Tonne), ein Referenz-Handbuch komplett ohne Bilder und im Stil einer Betriebsanleitung und eine viel-zu-großformatige Charakter-Übersicht, die es eigentlich 1x für jeden Spieler geben müsste. Zum Glück gibt's auf BGG eine tolle Kurzspielregel (in Kürze auch auf deutsch) und Charakter-Übersicht, doch selbst damit ist die erste Partie definitiv eine Lernpartie - nicht, weil das Spiel schwer wäre, sondern weil es einfach sehr viele kleine Bausteine hat, die man kennen muss, um es optimal spielen zu können. Da gibt es Gegenstände, die teilweise je nach benutzendem Charakter unterschiedliche Wirkungsweisen habe; verschiedene Arten von Daten, mit denen man agieren kann; viele Stations-Sektionen mit eigenen Funktionen; die Sonderaktionen der über einem Duzend Charaktere, die man grundsätzlich alle aktiveren kann... Und als wäre das nicht schon chaotisch genug, gibt es ein zufälliges, geheimes Forschungsprojekt an Bord (mal Killerschleim, mal ein Terminator, mal ein Wurmloch...), eine Magnet-Sicherheitskammer mit Anti-Materie (!) und man weiß nicht mal, welche der Charaktere die Mitspieler überhaupt spielen, bis sie sich offenbaren, und ob sie einen selbst nicht zufällig töten, infizieren oder für den Absturz der Raumstation verantwortlich machen wollen. Ganz abgesehen davon, dass das Spektrum der Charaktere von Weltraumpiraten über Cryoschlaf-Zombis und der Stations-KI bis hin zu telepathischen Laborratten reicht. Nein, bei Stationfall ist nichts unmöglich, und wenig auf den ersten Blick offensichtlich... doch wenn man sich auf das Chaos einlassen kann, dann ist das Spiel Sand- und Zauberkasten zugleich, denn es schafft nicht nur das seltene Kunststück, dass es denkwürdige, haarsträubende Geschichten generiert, sondern bietet denjenigen, die kreative Herausforderungen lieben, eine gigantische und aufgrund der unzähligen Charakter-Konstellationen immer neue Spielwiese. Wer Ordnung und Übersicht liebt, sollte vermutlich einen großen Bogen um dieses Spiel machen; ich für meinen Teil haben meinen Nemesis-Killer gefunden und hoffe, ganz schnell wieder 3-5 Leute für die nächste Partie an den Tisch zu bekommen. Was für ein wilder, alberner, hochthematischer und absolut irrer Trip von einem Spiel!