Beiträge von Smuntz im Thema „20.03.-26.03.2023“

    Fliptown

    In dieser Woche war ich mit kleinem Gepäck unterwegs und hab mir für einsame Stunden ein jüngst gebasteltes Pnp-Spiel (Print-and-Play) mitgenommen. Fliptown (Thread zum Spiel) ist ein Flip-and-Write-Spiel von Steven Aramini (Eternal Palace). Thematisch im Wilden Westen angesiedelt werden mit Pokerkarten Aktionen auf einem großen Aktionstableau abgetragen. Das sehr immersive Spiel gefiel mir bei erster Betrachtung der Kickstarter-Kampagne sofort, obwohl ich beim Zukauf weiterer Kritzel-Spiele inzwischen sehr wählerisch geworden bin. Mit wenigstens 50€ mit Versand und VAT wär es mir für diese Art Spiel zu teuer. Umso besser und äußerst fair fand ich die Option, in der Kampagne für schlanke 5 USD die PnP-Files zu erwerben.

    Da dieses Spiel derzeit noch Seltenheitswert hat, seid Ihr gewiss an einer näheren Vorstellung seiner Mechanismen interessiert. Bitteschön... 8-))

    Wie bei solchen Spielen üblich bekommt jeder Spieler ein Tableau zum Markieren der gewählten Dinge und einen Stift. Ein Spiel läuft über 3 Runden mit je 5 Zügen. Motor ist ein Poker-Kartendeck (vier Farben, Werte von As über 2 bis 9 zu Jack, Queen, King), wobei das As alleine für 1 steht, nur in der Pokerkombination eines Straights hoch über dem König stehen darf (dazu später mehr).

    Vor jeder Runde wird eine Karte verdeckt beiseite gelegt, die den diensthabenden Sheriff darstellt. Ob er ein harter Hund oder ein Weichei ist, wird sich erst später zeigen.

    Dann machen wir unsere ersten fünf Züge. Pro Zug werden drei Karten aufgedeckt. Nun entscheidet jeder Spieler für sich, wie er damit umgeht. Von einer Karte bestimmt die Farbe den Ort. Von einer anderen Karte bestimmt der Wert die Aktion an diesem Ort. Die dritte Karte geht in eine nach 5 Zügen aus 5 Karten gebildeten Pokerhand ein.

    Die vier per Kartenfarbe identifizierbaren Orte sind: der Trail, die Badlands, die Mine, die Stadt ("Town"). Außerdem gibt es noch einen Friedhof ("Cemetary").

    • Auf dem Trail können wir allerlei gute Dinge einsammeln, Geld, Sterne, Bonuszüge usw., aber wir können nie zurückgehen. Und für jeden weiteren Einsatz steigen die Anforderungen an die Höhe des erforderlichen Wertes.
    • Die Badlands ermöglichen uns in Wildwestmanier, uns mit ungesetzlichen Taten zu verdingen. Das geht über den Hühnerdiebstahl, Viehdiebstahl und Kutschenraub bis zum Zugüberfall. Je nach Schwere der Tat müssen wir neben der Beute aber auch einiges an Steckbriefen bei uns anschreiben.
    • Vom Eingang der Mine (bzw, ausgehend von schon erreichten Höhlen) können wir uns abwärts in weitere Kavernen graben, jeweils in eine von zwei möglichen Richtungen und dabei gefundene Sachen einsammeln. Am Grund der Mine winken Siegpunkte bei Spielende, abhängig von bestimmten erreichten Zielen.
    • Die Stadt bietet für jeden Wert ein eigenes Gebäude mit gesonderter Funktion. Hier kann jedes Gebäude auch mehrfach besucht werden, bietet aber nur beim ersten Mal einen Bonus (Sterne, Geld, Bonus-Züge). Hier gibt es Waffen, die in den Badlands helfen, Schaufeln erleichtern das Werk auf dem Friedhof, Claims werden abgesteckt, es wird auf das erscheinen bestimmter Kartenwerte gewettet oder man kann sich in der Kirche von einigen Sünden (= Steckbriefe) reinwaschen, man darf den Wert der Sheriffkarte prüfen und vieles andere. Hier zeigt das Spiel viel von seiner immersiven Stärke, auch wenn dieser Teil des Spiels die meisten (aber einfachen ) Regeln umfasst.
    • Der Friedhof kann immer dann besucht werden, wenn man die gewählten zwei Karten für Ort und Aktion nicht nutzen will. Stattdessen buddelt man unter einem Grabstein (was angesichts der ehrenrührigen Tat einen Steckbrief wert ist) und erhält die zwischen zwei so umkreisten Grabsteinen stehenden Dinge (einer in der Mitte ist schon bei Beginn eingekreist).

    Wie bei solchen Spielen üblich - ich hatte es schon angedeutet - winken an mehreren Ecken Bonus-Züge, die dann auch schon mal in kleinere Kettenzüge münden können.

    In diesem Spiel gibt es vier "Währungen": Geld, Gold, Sterne und Steckbriefe ("Wanted"). Mit Geld will manche Aktion bezahlt sein. Mit Gold kann man die Farbe der Ortskarte bzw. den Wert der Aktionskarte manipulieren, nicht jedoch den der Pokerkarte. Auch können in der Stadt abgeschlossene Wetten (zwei Gebäude), die bestimmte Werte erfordern, nicht auf diese Weise zurechtgebogen werden. Sterne sind die Siegpunkte in diesem Spiel und Steckbriefe können ins Verderben führen...

    ...denn am Ende einer Runde geschieht folgendes:

    • Die fünf Karten der Pokerhand werden ausgewertet und je nach dem, was sich dort für eine Kombination finden lässt, winken Geld und Sterne. Eine Texas-Hold'em-Variante deckt bei Rundenbeginn für alle zwei Karten auf, so dass jeder für sich unter fünf von sieben Karten wählen und so die Chancen einer Wertung erhöhen kann (Erinnerung: der Wert dieser Karten kann nicht manipuliert werden).
    • Unterwegs gesammelte Schürfwannen und Spitzhacken bringen Gold und Geld ein.
    • ...und dann kommt der Sheriff. Seine Karte wird aufgedeckt. Ist ihr Wert kleiner als die Anzahl der eigenen Steckbriefe, so kommt man in Arrest. Bedeutet, dass man Geld oder Siegpunkte verliert und mit zunehmender Rundenzahl werden die Strafen für die Unbelehrbaren härter.

    Bei Spielende nach drei Runden zählen wir Siegpunkte für je 4 Geld, je 2 Gold, erreichte silberne Sterne (Mine, Hotel) und sonstige Sterne zusammen. Klar, dass man mit den meisten Siegpunkten gewinnt.

    Zu diesem Grundgerüst gesellen sich folgende Karten zur Variation:

    • Mit einer Charakterkarte erhält jeder Spieler einen individuellen Startvorrat an Geld und Gold sowie ein einmalig nutzbares Sonderrecht.
    • Drei aufgedeckte Zielkarten ("Bounty") bringen dem 7 Sterne, der sie zuerst erfüllt. Wer es erst in späteren Runden schafft, bekommt nur noch 4 Sterne.

    Und dann ist da noch das Solospiel, das ich - entgegen meinen spielerischen Gewohnheiten - diesmal tatsächlich erprobt habe und das noch vor jedem "normalen" Spiel mit Mitspielern. Die Zielkarten bleiben hierfür außen vor. Per se kann man natürlich auf Highscore-Jagd gehen. Das habe ich in einem ersten Probespiel ohne Charakterkarte so gehalten. Sowas finde ich immer recht langweilig, ist aber gut genug, um das Spiel kennenzulernen. Auch habe ich noch alles brav umkringelt und 70 SP erspielt

      

      

    Viel reizvoller ist aber das Solospiel mit den Cowbots. Ich hab mir eine Ausgangsposition mit einer Karte gelost: die Charakterkarten zeigen einen Kartenwert für dieses Auswahlverfahren, die Cowbot-Karten eine Kartenfarbe. Somit ist klar, wer ich bin und wie mein Gegner heißt. Hier wollte das Los, das ich als Marshal gegen Calamity Jane antrete.

    Mit einem Spiel Erfahrung im Rücken war mir die Stufe "hard" gerade recht - was soll ich mit "easy" oder "normal" ^^  :shoot:

    Im Grunde spielt man seine 15 Züge wie üblich runter. Der Cowbot bezieht seine Wertung aus alledem, was man liegengelassen, also nicht gewertet hat. Und das wird an den vier Orten noch mit Faktor 1 bis 4 gewichtet. Da muss man schon verstärkt dort tätig werden, wo es dem Gegner am meisten schadet. Außerdem stiehlt der Cowbot Spielkarten, wann immer seine Kartenfarbe in der Auslage der drei Karten liegt und eine Bedingung zutrifft, ich z.B. einen Bonuszug erhalten habe. Da heißt es schon mal sein Spiel anpassen, denn im Modus "hard" zählen diese Karten jeweils 3 Sterne für den Cowbot. Spielt man selbst mit einem Charakter und/oder der Texas-Hold'em-Pokervariante, stärkt auch das den Cowbot um jeweils weitere 5 Sterne.

    Vielleicht hab ich was übersehen, aber Calamity Jane war keine würdige Gegnerin 8o und musste sich 90:74 geschlagen geben.

      

    Als Settler gegen Wyatt Earp hatte ich es da schon schwerer, konnte mich mit 81:74 noch ins Ziel retten

    Auf viel Kringelei bei den "Währungen" habe ich verzichtet, immer nur einen Strich hinter den erreichten Stand gemacht. Verliert man was, kann man es vorne wegstreichen oder aber den letzten Strich geeignet zurückversetzen, das ist ja rasch weggewischt.

      

      

    Schon das Solospiel hat mir sehr viel Freude gemacht und das will in meinem Fall wirklich was heißen. Die erfahrenen Solospieler werden nun hellhörig geworden sein und das Spiel auf der Wunschliste haben. Die physischen Kopien werden wohl erst im Mai an die Backer ausgeliefert und ob man die PnP immer noch wie in der Kampagne kaufen kann (warum eigentlich nicht?) müsstet Ihr ggf. selbst in Erfahrung bringen. Da gute Spiele früher oder später ihren Weg machen, halte ich eine Lizenzausgabe in einem Verlagsprogramm in naher Zukunft durchaus für möglich, nur muss man sich dann eben noch gedulden.

    #Fliptown