Nachdem gestern meine Spielerunde mangels Mitspielern ausfallen musste (und das obwohl ich extra die Regeln für Fest für Odin erneut gelernt und aufgebaut hatte, grrr), gab es heute eine über Nebenan.de zusammengetrommelte, absolute Anfängerrunde (zum gegenseitigen Beschnuppern, ob man miteinander kann) mit ein paar Titeln aus den Untiefen meiner Regale - wenn ich die Leute schon potentiell nie wieder sehe, dachte ich, will ich wenigstens mal ein paar der selten gespielten Titel ans Licht lassen. Ich hatte zur Abwechslung mal auf Nebenan.de geguckt und dort drei Mitspieler:innen eingesammelt, die über ausreichend Neugier, aber wirklich kaum Spielerfahrung verfügten, und war entsprechend gespannt wie der Abend wohl so laufen würde.
Los ging es mit #Kyoto. Gespielt wurde zu viert (was ich als Minimum ansehen würde, auch wenn 3 auf der Schachtel steht) und ist ein Bietspiel, bei dem man genug bieten muss so dass nicht das Weltklima kippt (dann haben alle verloren), gleichzeitig spielt man trotzdem gegeneinander und versucht soviel Geld wie möglich zu behalten. Das Spiel hatte ich schon einmal auf dem Tisch, mittlerweile aber völlig vergessen, so dass es sich heute wie eine Erstpartie anfühlte. Ich bin ja durchaus Fan von Bietspielen und mag die Idee eines gemeinsamen Scheiterns am Horizont sehr (auch wenn es wie bei Archipelago besonderer Spieler bedarf, die mit Verlieren leben können). Und daran krankte es heute denn auch: Zwei Spieler konnten absehen, dass sie das Spiel wohl nicht mehr rumreißen können, und brachten es dann per rabiater Geldverweigerung zum gemeinsamen Scheitern. Das ist natürlich wunderbar-sorgenerregend realistisch, zugleich aber auch etwas deprimierend. Die Runde will das Spiel aber erstaunlicherweise unbedingt beim nächsten Mal wiederholen, mal sehen ob es dann anders läuft. Ich selbst habe noch keine richtige Meinung zum Spiel, finde es zu anfällig für diesen frühen Tod. Mal gucken.
Danach gab es #Trollfjord, weil ich das Gimmick, mit einem Hammer auf einen Würfelturm einschlagen zu müssen, als sehr lustig erinnerte. Und war heute nachmittag in der Vorbereitung dann doch arg überrascht, wie kompliziert das Spiel (eine 2,0 auf BGG!, ein Familienspiel von Zoch!!!) in der Regel beschrieben wurde. Hat man die Abläufe dann einmal verstanden (entweder setzt man Trolle ein oder bewegt sie über zwei am Spielplanrand befindliche Leisten), ist es kein Hexenwerk, aber einige kleine Detailregeln scheinen mir da immer noch unnötig verkomplizierend - da habe ja sogar ich Ideen, wie man das hätte abrunden oder vereinfachen können. Nun, immerhin ist das Hämmern wirklich witzig umgesetzt und machte allen viel Spaß (ein Mitspieler traute sich gar nicht und holte so natürlich keine Klötze hervor, worauf seine Kollegin wie beim Hau den Lukas ausholte, dann aber voller Schwung den Turm gar nicht traf und ich schon Angst hatte, sie würde sich den Hammer ins Gesicht schlagen). Charmant ist die Regelung, dass ich an den Hämmereien meiner Mitspieler partizipieren kann, indem meine Trolle zu ihnen wandern - der Schmarotzer kann in diesem Spiel so schnell unerwartet zu Reichtum finden. Das Schätzebergen hat dann noch einen leichten Jenseits-von-Theben-Touch, da sie mit sehr unterschiedlichen Werten daher kommen. Insgesamt schönes, wtziges Spiel, dem etwas mehr redaktionelles Abrunden sehr gut getan hätte.
Mit Trollfjord erreichte ich bei den ziemlich unerfahrenen, aber dennoch begeisterungsfähigen Mitspieler:innen so ein wenig das Ende der Regelbelastbarkeit, daher entschied ich mich im Anschluss für etwas leichtere Kost: Die Jubiläumsedition von #ZugumZugEuropa durfte auf den Tisch reisen, und das Staunen ob der schicken Zugminiaturen in ihren Blechdosen war groß. Wenn man zuetzt vor 20 Jahren mal Catan aus der Nähe gespielt hat und dann erstmals so ein deluxifiziertes Brettspiel sieht, ist das ja auch kein Wunder. Die Regeln waren schnell erklärt (die Erweiterung ließ ich lieber weg), und so ging das Wagenkartenziehen und Streckenbauen los. Dass das Spiel durchaus gemein werden könnte, hatte ich vorher angekündigt, aber als dann das große Streckenwegschnappen in der Planmitte losging, guckten doch zwei Mitspieler etwas bedröppelt aus der Wäsche - und erinnerten sich dann an die Bahnhöfe, die sie bisher ignoriert hatten. Zug um Zug ist nicht umsonst ein veritabler Klassiker, und fungierte auch hier als ideales kleines Sprungbrett in die Welt modernerer Brettspiele. Und ich hab's nichtmal gewonnen, weil ich mich beim Ziehen der Streckenkarten verhaspelte und so zuviele nicht erledigte Strecken auf der Hand hielt.
Ein weiteres geplantes Spiel musste ich mangels Englischkenntnissen ungespielt wieder einpacken (bei Ü40jährigen gibt es ja doch erstaunlich viele, die z.B. mit den Aktionskarten von PanAm bereits überfordert sind), stattdessen gab es Kieslings Riverboat. Auch hier hatte ich die Regeln unterschätzt, aber man blieb auch bei dieser Erklärung geduldig dabei - erst beim Spielen zeigte sich, dass ich jetzt bei zwei Mitspielern den Bogen überspannt hatte, die fühlten sich ziemlich erschlagen durch die große Zahl an Möglichkeiten, und fanden den Wettkampf um den Hafenmeister (der ja nur voll gewertet werden darf, wenn er am weitesten vorne steht) doof. Dass man die Mitspieler hier genau im Auge behalten musste, war für sie ebenfalls zu anstrengend, sie wollten lieber vor sich hinpuzzlen. Die dritte Mitspielerin hingegen LIEBTE das Spiel schon, als ich die Packung öffnete, und fand die typische Lookout-Aufmachung total knuffig und wollte wissen, ob es davon noch mehr Spiele gäbe.
Also nochmal softe Kost zum Schluss, eine Runde Dice Town als Rauswerfer. Das kam dann wieder bei allen gut an, die Würfelei mit hohem Glücksfaktor hat ja auch kaum strategische Tiefe, macht aber einfach Spaß, und man kann sich weitaus weniger fies - sondern mehr geraderaus, wie beim Western üblich - ein Bein stellen und Karten klauen.
Am Ende gab es insgesamt positives Feedback, der Abend hatte Spaß gemacht. Eine Spielerin will unbedingt wieder mitspielen, die anderen wollen gucken, ob es terminlich passt - ich vermute, die sehe ich nicht wieder. Aber immerhin, eine neue Mitspielerin ist doch schonmal ein guter Schnitt, wenn ich das mit früheren Abenden vergleiche.
P.S.: Ein unangenehmes Erlebnis gab es dann zum Schluss doch: Ein Mensch hat offenkundig bei der Benutzung meiner Toilette im Stehen gepinkelt und die halbe Umwelt eingesaut - was für ein Ferkel! Ich häng wohl doch wieder meine Schildkröte aus Kindertagen im Klo auf, mit dem Schild "Ich hab im Stehen gepinkelt" um den Hals.