Puh, da könnte man nun viel dazu sagen. Verglichen mit anderen Vertretern aus dem Area-Control-Genre entwickelt sich eine Partie Bloodstones vergleichsweise langsam – versprüht damit eine eher unaufgeregte Old-School-Atmosphäre. Die Dynamik des Spiels entwickelt sich so grob in zwei Phasen, deren Übergang jedoch fließend ist: sofern die Chaoshorde nicht im Spiel ist geht es bis zum ersten Nachschub vor allem um die Ausbreitung der eigenen Fraktion (insb. durch die Errichtung von Dörfern); in der zweiten Phase geht es mehr darum, die Dörfer der anderen zu erobern und die eigenen zu verteidigen. Auch siegpunkteträchtige Kämpfe zwischen größeren Armeen oder Kämpfe um Zitadellen können nun eher stattfinden. Das Spielende wird in Partien mit mehr als 2 Spielern dadurch ausgelöst, dass auch der letzte von ihnen zum 2ten Mal sämtliche Plättchen aus seinem Beutel 'leergespielt' hat, worauf dann noch kostenlose Dorferoberungen folgen. Das fanden wir im ersten Spiel etwas abrupt und antiklimaktisch. Bei Folgepartien haben wir dann aber gemerkt, dass die optimale Positionierung für dieses variable Spielende sehr spannend sein kann. Wann wird der letzte Spieler Schluss machen? Wo sollte ich zur Verteidigung noch ein paar Einheiten platzieren? Sollte ich vielleicht nochmal 1 oder 2 Züge machen, in denen ich nur wenige Plättchen verbrauche, so dass ich evtl. selbst in den Genuss des letzten Zuges komme?
Dass das sehr spannende Entscheidungen sind, liegt v.a. an der Wallace-typischen Mangelökonomie, die gewissermaßen den ‚EURO‘-Teil des Spiels ausmacht. Da die Plättchen, die man auf der Hand hat, multifunktional sind und man für verschiedene Aktionen immer auch welche abwerfen muss, kann man nie soviel machen, wie man eigentlich machen würde. Platziert man viele Einheiten, kann man sie unter Umständen nicht mehr weit genug bewegen. Plättchen mit hohen Punktwerten will man gern als starke Einheiten auf der Karte sehen; man braucht sie aber auch um Dörfer zu errichten oder um andere Einheiten zu bewegen… oder als Reserve, um im Kampf die Aussichten auf einen Sieg zu erhöhen. Manchmal raucht einem da schon der Kopf. Und da sich die Spielsituation auf der Karte durch die interaktive Spielanlage stets ändert, kann das bei entsprechend veranlagten Leuten schon zu Analyse Paralyse führen. Etwas Downtime ist da schon möglich; aber ja, auch #Wasserkraft oder #BrassBirmingham würde ich nicht in Vollbesetzung mit entsprechend anfälligen Leuten spielen wollen.
Der thematischere Teil des Spiels ist das ‚WARGAME‘, das sich auf der Karte abspielt. Für mich ist das sogar das interessantere bzw. herausforderndere Element des Spiels. Anders als bei üblichen Area-Control-Vertretern (z.B. #Kemet, #Inis, #Ankh) finden sich auf den Maps in Bloodstones keine abstrakt-ausbalancierten ‚Areas‘, sondern fast schon ‚historisch‘ anmutende Regionen einer klassischen Fantasy-Welt. Die verschiedenen Geländetypen sind hier recht organisch eingebettet. Die Ausbreitung der eigenen Fraktion muss sich in die Geländebedingungen auf der Karte irgendwie harmonisch einfügen. Manche Geländetypen (wie Gebirge und Wasser) sind nur für bestimmte Einheitentypen (z.B. Schiffe, Drachen, Untote) überhaupt zugänglich; andere (wie Hügel) sind für die meisten Völker (mit Ausnahme des Hügelvolks) mit enormen Bewegungskosten versehen. Strategische Rückzüge ermöglichen es bisweilen, sich ohne Bewegungskosten in solche Regionen zurückzuziehen, und leichter zugängliche Nachbarregionen von dort aus zu bedrohen. Mitunter stellt sich aber auch die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, viele Einheiten in solche Regionen zu bewegen, wenn man es mitunter sehr viel günstiger ist, zunächst ein Dorf vor Ort zu errichten, und die Einheiten dann im nächsten Zug direkt dort zu platzieren. Damit sind viele schwierige Entscheidungen verbunden, die jedoch keine sofortige Belohnung bereitstellen – und womit sich deshalb auch manche EURO-Spieler etwas schwer tun werden. Die Bewegungen über die Karte sind mühsam, kostenintensiv und langwierig, insbesondere wenn man den Fehler macht, zu große Armeen gebildet zu haben; die mitunter zu einem Klotz am Bein werden können. Hier kommt die enorme logistische Komponente des Spiels zur Geltung, wie sie auch in älteren Designs von Martin Wallace (insb. #AFewAcresOfSnow) durchscheint, aber auch in einigen jüngeren Spielen, die von dem von Wallace entwickelten System stark beeinflusst worden sind (z.B. #Undaunted). Wer keine Wargame/Cosim- (oder zumindest Risiko)Erfahrung hat, kann da schnell Frustgefühle entwickeln. Möchte man Bloodstones gut spielen, muss man das ‚Spiel im Raum‘ gut beherrschen. Es ist überaus erfrischend, dass hier selbst Rückzüge ein wichtiges strategisches Element darstellen, mit dem man seinen Gegner richtig schön ärgern kann. Man sollte seine Gegner an strategisch wichtigen Punkten blockieren, sie vor Probleme stellen, Bedrohungen aufbauen, auf die sie nur unter hohen Kosten sinnvoll reagieren können. Diese eher ‚negative‘ Form der Interaktion wird dabei jedoch dadurch ausgeglichen, dass das Spiel offensive Spielweisen grundsätzlich belohnt. Über Kämpfe kann man sehr viele SP generieren. Verliert man einen Kampf, verliert man hingegen nur eine einzige Einheit. Wer zu defensiv spielt und sich einfach nur hinter seine eigenen Verteidigungslinien zurückzieht, spielt das Spiel suboptimal – und wird wohl auch weniger Spaß daran haben. Schon bei der Startpositionierung sollte man wohl drauf achten, nicht zu weit weg vom Gegner zu sein. Die Zitadelle ist idealerweise ein wichtiger Teil der eigenen Verteidigungslinie. Der Großteil der Punkte, etwa die Hälfte bis Zweidrittel, wird im Spiel über die Dorfwertungen bei Nachschub generiert. Die restlichen Punkte, die man im Spiel über Kämpfe gewinnt und am Spielende über die eroberten Dörfer, entscheiden jedoch das Spiel. Oft kränkeln Area-Control-Spiele zu dritt am Prinzip des „Streiten sich zwei, freut sich der Dritte“. Hier ist das anders: Man will (und muss) irgendwie mitmischen, da man sich sonst von wichtigen Punktequellen abschneidet. In meinen ersten Partien hat das auch ganz hervorragend geklappt. Den Sweetspot würde ich vorerst bei 3-4 Personen sehen. Beim Spiel zu zweit muss man darauf achten, 2 wirklich konkurrenzfähige Fraktionen auf einer passenden, möglichst kleinen Karte zu wählen. Solo spiele ich nicht - kann mir aber vorstellen, dass die mitgelieferte Solokampagne durch ihr abwechslungsreiches Szenariodesign auch viel Freude bereitet (nur scheint es da laut BGG schon ziemlich viele szenariospezifische Regelfragen zu geben).
Ich glaube, dass das Spiel gerade aus dem ‚EURO‘-Raum noch viel Kritik bekommen wird, weil es sich anfangs etwas ‚langsam‘ spielt, weil es nicht gleich verrät, was es eigentlich von einem will, weil es suboptimales Spiel auch wirklich bestraft, und weil es so wenig auf das Element ‚sofortige Belohnungen‘ setzt. In meinen (etwas ‚old-schooligen‘) Augen sind das aber gerade die Stärken des Spiels. Zur Erklärung: Nach einer Partie #Kemet oder #Inis oder #Ankh wird man sich an die ersten Kämpfe kaum mehr erinnern. Die Karte zu Spielbeginn hat mit der zu Spielende nix zu tun. Bei Bloodstones entwickelt sich das Spiel auf der Karte sehr organisch, so dass man gegen Schluss der Partie wirklich das Gefühl hat, dass die aktuelle Spielsituation den ganzen Verlauf einer epischen Auseinandersetzung zwischen den stark asymmetrischen Fraktionen abbildet. Man sieht genau, wo man welchen übermütigen Zug gemacht hat, oder wo einem der entscheidende Durchbruch gelungen ist… Blickt man nach einer Partie auf die Karte, kann man einen ähnlichen Rekapitulationsbedarf entwickeln wie nach einer epischen Partie #Ringkrieg, wobei die prinzipiellen Ähnlichkeiten zu den Spielen der #Undaunted-Reihe eigentlich noch größer sind - hier halt nur eben in Multiplayer übersetzt. Während schon die Startpositionierung der Zitadelle eine enorm wichtige Entscheidung ist, werden die eigentlichen Belohnungen in Bloodstones erst ganz zum Schluss ausgeschüttet, eben wenn im Blick auf die Karte nochmal das ganze Spielgeschehen lebendig wird. Und erst dann sieht man auch, in welchen Situationen man anders oder besser hätte spielen können. Mit den 6 Fraktionen und 6 Karten gibt es da wirklich sehr viel zu entdecken.