Beiträge von Dee im Thema „14.03.-20.03.2022“

    Earth (Inside Up Games, 2023)

    Die Erde. Was für ein wundervoller Planet. Es gibt Wüsten und Berge. Regenwälder und weiten Eislandschaften. Und überall wächst und gedeiht es. Vom kleinen Moos in der Antarktis bis hin zu den Riesenmammutbäumen im Westen der USA. Und wäre es nicht toll, all diese Flora (und teilweise auch Fauna) im eigenen Wohnzimmer zu haben? Nein, vermutlich nicht. Ich habe bereits bei meinem Eindruck von „Verdant“ erwähnt, dass in meiner Wohnung absichtlich nur ein Stoffkaktus zu finden ist. Aber dennoch hat mich „Earth“ angesprochen, obwohl oder vielleicht auch gerade, weil das Endergebnis so schön grün ist.


    In „Earth“ übernehmen wir die Rolle von … ja, wovon eigentlich? Die Anleitung drückt sich gar nicht darum, dass das Spiel kein erzählerisches Thema hat, sondern dass es einfach darum geht, Pflanzenkarten auszuspielen, die gute Synergie-Effekte erzielen. Aus dem Grund bezeichnet sich „Earth“ auch selbst als „open world engine builder“. Und mechanisch passt das auch ganz gut, auch wenn der eigentliche, zentrale Mechanismus die Aktionswahl mit Folgemechanismus ist. Als aktiver Spieler wähle ich eine von vier Aktionen, die farbig markiert sind, auf meinem Spielertableau aus. Zuerst führe ich die Aktion aus, danach dürfen alle meine Mitspielerinnen die gleiche Aktion etwas abgeschwächt ebenfalls ausführen. Die Aktionen erlauben es mir, Erde-Marker zu nehmen, die ich abgeben muss, um Pflanzen- und Geländekarten in meine 4x4-Auslage legen zu dürfen. Andere Aktionen erlauben es mir, auf den Pflanzenkarten kleine Bäume gestapelt wachsen zu lassen oder Pflanzenmarker daraufzulegen. Zusätzlich haben so gut wie alle Karten noch Fähigkeiten in den vier Farben der Aktionen. Wieso? Weil, nachdem ich und alle Mitspielerinnen meine gewählte Aktion ausgeführt haben, werden alle Fähigkeiten der gleichen Farbe in der Auslage von allen Spielerinnen ausgeführt. Und warum mache ich das überhaupt? Siegpunkte. Auch hier macht das Spiel keinen Hehl daraus, dass es auf einen Punktesalat am Spielende hinausläuft. Immerhin in acht Kategorien gibt es Siegpunkte. Neben den Siegpunkten auf ausgespielten Karten gibt es auch Siegpunkte für eine eigene Ökosystem-Karte (Ziel am Spielende) und für die zwei öffentlich ausliegenden Ökosystem-Karten, für Fauna-Karten, deren Bedingung wir im Laufe des Spiels erfüllen können, für abgeworfene/kompostierte Karten und für die Wachstums- und Pflanzenmarker auf eigenen Karten. Das Spiel endet dabei in der Runde, in der eine Spielerin 16 Karten in einem 4x4-Raster ausgelegt hat.


    Natürlich hat „Earth“ noch ein paar mehr Regeln, aber das Spielprinzip lässt sich wirklich auf die obige Beschreibung zusammenfassen. Die sehr gute Anleitung und die klaren Regeln halfen mir dabei, dass ich das Spiel sogar ohne Vorab-Probepartie in circa 25 Minuten fast fehlerfrei erklären konnte. Mit realem Material und ohne Nachfragen der Mitspielerinnen schaffe ich das in 15 Minuten. Aber trotz der wenigen Aktionen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, „Earth“ zu spielen. Die acht Punktekategorien helfen dabei, zumal sie relativ gut ausbalanciert wirkten – soweit ich das nach zwei Partien sagen kann. Einziges Manko der englischen Anleitung: Es gibt ein „player board“, ein physikalisches Stück Pappe, auf denen einige Startkarten, der Komposthaufen und Erde-Marker gesammelt werden, und es gibt ein „player tableau“, womit einfach die 4x4-Auslage der Pflanzen- und Geländekarten gemeint ist. Im Deutschen würde ich aber nicht „Spielerbrett“ sagen, sondern „Spielertableau“ für das physische Stück Pappe. Und die Auslage ist … na ja, halt die Auslage. Es verwirrte mich einige Male, als in der Anleitung auf Karten auf dem „player tableau“ verwiesen wurde und ich auf meinem (geistig übersetzten) „Spielertableau“ diese nicht fand. Da das Spiel im Deutschen von Skellig Games übersetzt und vertrieben wird, findet sich dafür aber sicherlich eine sprachlich gute Lösung.


    Die Variabilität von „Earth“ ist recht hoch. Und dabei sind gar nicht die ca. 230 Pflanzen- und Gelände-Karten gemeint, die ich ausspielen kann. Daneben gibt es jede Partie vier von 16 doppelseitigen Fauna-Karten, welche mir Siegpunkte während des Spiels bringen. Dazu noch je eine private und zwei öffentliche von 32 doppelseitigen Ökosystem-Karten für Siegpunkte am Spielende. Und zusätzlich erhält jede Spielerin zu Spielbeginn eine von 10 doppelseitigen Insel-Karten, welche die Startressourcen bestimmen, und eine von 10 doppelseitigen Klima-Karten, welche besondere Fähigkeiten mitbringen. Da ich zu Spielbeginn entscheiden kann, mit welcher Seite ich die drei mir zugewiesenen Karten (Insel, Klima und Ökosystem) spielen möchte, hat es in meiner Erstpartie circa 15 Minuten gedauert hat, bis wir diese acht Möglichkeiten evaluiert und uns entschieden hatten. Ich denke, mit mehr Erfahrung und Blick auf die ausliegenden Fauna- und öffentlichen Ökosystem-Karten, wird dies zukünftig aber wesentlich schneller gehen.



    Eine Pflanzenkarte enthält viele Informationen. In der Anleitung werden 15 Stück genannt, von denen nur zwei (der botanische Name und etwas Hintergrundtext) nicht für das Spiel relevant sind. Dennoch ist die Symbolik des Spiels so gut, dass mir innerhalb weniger Züge klar war, wo ich hinschauen muss. Einzig Tabletopia ist es anzukreiden, dass ich öfters hinein- und herauszoomen musste, um Details zu sehen oder den Überblick zu haben. Sehr nett fand ich die Idee, dass die Fähigkeiten auf Karten, welche sich auf benachbarte Karten oder in der gleichen Reihe, Spalte oder Diagonale beziehen, eine kleine weiße Markierung um das Fähigkeitenkästchen haben. Ich habe diese Information zwar nicht oft genutzt, weil ich immer noch den Text lesen musste, aber ich denke, wenn die meisten Karten auswendig gelernt sind, hilft diese Information. Nicht ganz optimal fand ich mitunter die Farbwahl für Aktionen und Fähigkeiten. Zum einen passen die Farben und Fähigkeiten, die dann ausgelöst wird, nicht immer exakt zusammen (beispielsweise ist die Aktion „Kompostieren“ orange, die ausgelöste Fähigkeit dazu aber rot). Und nicht ganz optimal fand ich die braunen Fähigkeiten, da diese doppelt belegt sind. Einmal geben solche Karten einen Bonus während des Spiels (ein Baum braucht zwei Erde-Marker weniger zum Pflanzen), zum anderen geben sie Punkte am Spielende, wenn besondere Bedingungen erfüllt sind. Und so musste ich während des Spiels immer alle braunen Kartentexte lesen, obwohl ich doch nur an den Boni und nicht den Spielende-Punkten interessiert war. Hier hätte ich mir ein extra Symbol gewünscht, was das besser unterscheidbar macht.


    Das Spiel ist nicht sprachneutral, aber die Symbolik ist so klar, dass sie sich meist selbst herleiten ließ, ganz ohne Referenz. Dennoch gibt es zahlreiche Karten, die Fähigkeiten-Texte haben, weil sie sich auf benachbarte Karten und auf ausgeführte Aktionen beziehen oder weitere Erklärungen enthalten. Der Grund, wieso ich „Earth“ aber definitiv lieber auf Deutsch spielen würde, sind die deutschen Pflanzennamen. Obwohl sie nur Flavortext sind, finde ich es einfach schöner, wenn ich einen Butter-Röhrling einpflanze anstatt eines „Slippery jack“ oder mir einen Affenbrotbaum in den Garten stelle anstatt eines „Baobab tree“.


    Die Spielerinteraktion ist leider sehr gering. Hauptsächlicher Teil ist das Wettrennen um die Fauna-Karten, da zwar jeder diese Ziele während des Spiels erfüllen kann, es aber immer weniger Punkte dafür gibt. Das zweite Rennen ist um das Spielende. Zum einen winken der Person, die das Spielende einläutet, also 4x4-Karten ausgelegt hat, sieben Sondersiegpunkte. Zum anderen will ich das Spiel mitunter schnell beenden, wenn ich sehe, dass meine Mitspielerinnen mit weiteren Aktionen irgendwo noch sehr viele Punkte durch Ökosystem-Karten oder ähnliches erreichen können. Der zweite Interaktionsaspekt ergibt sich durch einige, wenige Karten, die sich auch auf die Auslage der Mitspielerinnen beziehen (beispielsweise „zwei Siegpunkte pro Karte mit roter Fähigkeit am Spielende“). Und das war es dann eigentlich auch schon. In der Regel spielt jeder vor sich hin. Das muss nicht schlecht sein, aber manche Spielertypen möchten einfach etwas anderes. Was im Gegenzug gar kein Problem ist, ist die Downtime, denn sie existiert nicht. Mit jeder Aktion einer Mitspielerin bin ich aktiv involviert. Die Aktionen gehen dabei auch recht schnell, sodass es kaum Wartephasen gibt. Und durch das Aktivieren aller Karten der bestimmten Aktionsfarbe bin ich erneut dran etwas zu tun. In der Erstpartie schauten wir noch genau darauf, was der andere gerade macht. Die Gefahr ist aber groß, dass dies mit mehr Erfahrung parallel abgearbeitet wird und ich mich noch weniger dafür interessiere, was meine Mitspielerinnen so treiben. Bei uns führte die geringe Downtime sogar dazu, dass wir nicht einmal nachgezogene Karten in Ruhe anschauen konnten.



    Ich habe zwei Partien von „Earth“ auf Tabletopia jeweils zu zweit spielen können. Die Bedienung in Tabletopia war wie so oft die größte Herausforderung des Spiels. Aus dem Grund brauchten wir für die Erstpartie auch ungefähr zwei Stunden. Von der Online-Bedienung abgesehen spielt sich „Earth“ daher sehr schnell runter. Mit mehr Wissen über die Karten bzw. am realen Spieltisch ist eine Zweierpartie in einer Stunde machbar. Aktion wählen, Karten ziehen oder auslegen oder Ressourcen nehmen, noch die Fähigkeiten aktivieren und der nächste ist an der Reihe. Vor allem bei den Fähigkeiten hatte ich befürchtet, dass die Auslage sehr unübersichtlich und die Ausführung sehr langwierig wird. Aber beides war nicht der Fall. Durch die gute Farbkodierung sehe ich sehr schnell, was ich überhaupt aktivieren kann. Die einfache Symbolik hilft schnell zu erkennen, was ich erhalte. Eine richtige Strategie konnte ich in meinen Partien noch nicht ausmachen. Hauptsächlich habe ich zuerst auf die Fauna-Karten gespielt, damit ich das Rennen gewinne. Zu zweit war das aber mitunter ein Nullsummenspiel, weil meine Mitspieler dann oft ein anderes Ziel zuerst erreichten. Beim Ausspielen der Karten habe ich mitunter die öffentlichen Ökosystem-Zielkarten ein bisschen aus dem Blick verloren. Ansonsten habe ich versucht, Synergien durch Landschaftskarten und passende Pflanzen zu bilden. Durch den anderen Startaufbau und die zahlreichen Karten liefen die Partien tatsächlich etwas anders ab. In der zweiten Partie hatte ich beispielsweise wesentlich mehr Pflanzenmarker am Ende des Spiels auf meinen Karten liegen als davor (42:8), weil eine Ökosystem-Karte hierfür Punkte brachte. Der Kernablauf bleibt natürlich immer gleich, weswegen sich die Spieltiefe in Grenzen hält, was aber auch die Komplexität reduziert. Aus dem Grund würde ich „Earth“ als gehobenes Familienspiel einordnen, was auch mit Jüngeren gespielt werden kann. Das führt aber auch dazu, dass beispielsweise die Pflanzenmarker, Wachstumsmarker und Kompostkarten meist keine tiefere Bedeutung haben, als dass sie am Spielende Siegpunkte wert sind.


    Es gibt auch eine Solo-Variante gegen die Gaia-KI, leider ist diese nicht in Tabletopia enthalten. Die eigenen Aktionen laufen identisch, die KI erhält einen bestimmten Bonus als andere Spielerin. Für Gaias Zug gibt es ein KI-Deck mit sechs Karten, welche zweimal durchgespielt werden. Diese geben ihr Aktionen und lassen sie Pflanzenwürfel, Wachstumsmarker oder Kompostkarten sammeln. Dies klingt recht einfach in der Handhabung und doch ganz anspruchsvoll als Mitspielerin. Es gibt vier Schwierigkeitsstufen, die das Spiel variabel und anpassbar machen. Wie gut der Solo-Modus wirklich ist, werde ich erst 2023 sehen, wenn das Spiel erscheint.


    Zum Abschluss will ich noch auf ein paar Ähnlichkeiten zu anderen Spielen eingehen. „Earth“ macht eigentlich nichts neu. Natürlich fühle ich mich beim Ausspielen der Karten an „Arche Nova“ erinnert, nur eben mit Pflanzen statt Tieren. Die Komplexität ist aber eine ganz andere. Der Aktionswahl-Mechanismus kommt mir ähnlich zu „Scythe“ vor. Dort gibt es sogar eine Art Folge-Mechanismus, wobei mich der wiederum eher an Spiele wie „Puerto Rico“ erinnert. Das Ausführen von Karten nach Wahl der Aktion wiederum kenne ich schon von „Flügelschlag“, auch wenn da die Karten in einer Reihe liegen. Das Auslegen von Pflanzenkarten in einem Raster hat mich zusätzlich an „Verdant“ erinnert. Es gibt also sehr viele Ähnlichkeiten, aber der Mix ist dennoch neu und macht mir zumindest Spaß.


    Obwohl „Earth“ gar keine thematische Geschichte erzählen will, wirken die Aktionen doch thematisch. Pflanzen benötigen Erde, speichern mitunter Wasser, wachsen unterschiedlich hoch und das Terrain beeinflusst die Pflanzen rundherum. Auch die Fauna-Zielkarten fand ich sehr gut. So freut sich der Regenwurm über 15 Karten im Komposthaufen. Und der Maulwurf hätte gerne 20 Erde-Marker. Das passt alles sehr schön zusammen. Das ist auch der Grund, wieso ich das Projekt bei Kickstarter nach der ersten Tabletopia-Partie unterstützt habe. Die deutsche Version wird von Skellig Games veröffentlicht und voraussichtlich irgendwann 2023 wird das Spiel erscheinen. Die Spielermatten für die Auslage finde ich im Übrigen kontraproduktiv, da sie ein festes Raster von 4x4-Karten vorgeben. Da gefällt es mir besser, dass ich irgendwo auf dem Tisch anfange und mir von dort mein 4x4-Raster aufbauen kann. Vielen Dank hier auch noch einmal an Smuntz und Tjouneaze für die beiden Partien. (9,0)


    #Earth

    Vegas (alea, 2012)

    Wir hatten für einige Tage eher wenig bis nicht spielenden Besuch. Daher holte ich jeden Abend „Vegas“ aus dem Schrank, weil es ziemlich einfach vermittelbar ist. Zusätzlich ist der Zufall so groß, dass ich selbst gegen den besten Optimierer als Neuling gewinnen kann. Und so spielten wir an drei Abenden jeweils eine Partie, die wieder recht angenehm waren. Mitunter wurde sich schön geärgert, wenn jemand aktiv „angreift“ und gelacht, wenn jemand mit drei Würfeln die gleiche Zahl wirft und die dann auf ein Feld setzen muss, was er eh schon sehr sicher hatte. Wie gesagt lässt sich ein Ziel nicht konkret verfolgen, wenn die Würfel nicht so fallen, wie sie sollen. Nebenbei konnten wir uns auch noch unterhalten, wenn der aktive Spieler gerade seine Würfel sortiert und überlegt, sodass sich die Downtime auch in Grenzen hält. Leider habe ich keine Partie gewonnen, weil der Dusel bei der anderen einfach größer war. (7,5)


    #Vegas