Beiträge von Machiavelli101 im Thema „Tag der Brettspielkritik · 17.–19. Juni 2022“

    Mag sein, trotzdem wirst du mit deinen Fachmagazinen über franco-belgische Comics und der dortigen Szene, selbst mit den besten Reportagen, Portraits und wunderbar geschriebenen Artikel keinen außerhalb der Szene hervorlocken. Zudem haben in dem lokalen Bereich genau diese Comics einen viel höheren Stellenwert. Die Personalausweise z.B. sind dort mit den Comicfiguren geschmückt. Es ist eine wirkliche kulturelle Sache, die dort wirklich gefeiert wird. Das hat dann eben ein anderes Standing als das Brettspiel in Deutschland, welches immer noch im Bereich Monopoly verortet wird.

    Das stimmt so leider nicht. Fachzeitschriften haben eben nicht die Aufgabe neue Leute zu akquirieren, sondern die Szene weiterhin zu vernetzen und vor allem zu vertiefen.

    Für die Akquisition müssen andere Kanäle wirken. Ja da gehören auch Zeitschriften bzw. Magazine dazu aber eben nicht die Fachzeitschriften.

    Ja und es ist sehr schön zu sehen welchen Stellenwert Comics in Belgien und Frankreich haben.

    Aber es spricht doch nichts dagegen, dass Brettspiele einen höheren Stellenwert in Deutschland erreichen kann. Ich weiß nicht, ob für das Standing immer Monopoly herhalten muss. Warum nicht Schach? Das Schach attraktiv ist kann man ja z.b. anhand der Netflix-Serie (Damengambit) sehen. Warum nicht da anknüpfen?

    An welchen Zahlen machst du diese Aussage fest? Am Gesamtumsatz?

    Ja, genau. Der Buchreport hat für den gesamten(!) deutschen Comicmarkt einen Gesamtbruttoumsatz von knapp 200 Mio. Euro Umsatz gesprochen. Das ist ordentlich, kommt aber lange nicht an die Brettspielumsatz heran. Hier hat z.b. statis.de einen Umsatz von 700Mio.€ errechnet.

    P.s. brettundpad

    Kleiner Hinweis. Statis.de hat für Blizzard einen Werbeetat von 700 Mio. Festgestellt. Also insgesamt und nicht nur für das Spiel Call of Duty. Keine Frage die Zahl ist dennoch absurd aber weist doch eine andere Relation auf.


    Und diese Zeitschriften sind originäre deutsche Produkte und keine Lokalisierungen?

    Nein es sind originäre deutsche Produkte mit Schwerpunkt auf Franco-Belgische Comics. Hier eine kleine Auswahl:

    Comixene

    Zack

    Alfonz

    Reddition

    Comicgate

    Der Unterschied zum Brettspiel ist aber, dass die Zeitschriften-Szene von Anfang an wissenschaftlich begleitet und kulturell eingebettet wurden. Z.b. die Comixene durch Andreas Knigge. Zack dagegen orientierte sich an seine francobelgischen Vorbilder Tintin und Pilote (mag ich nicht so).

    Alfonz dagegen hat sich auf die thematischen Hintergründe von Serien und Zeichner spezialisiert.

    Reddition ist eine hervorragende Zeitschrift rund um Sekundärliteratur und Comicgate als jüngere Zeitschrift stellt Fragen, wie z.b. Perspektive und Verhältnis von Farbe und Comic.


    Das Niveau der Beiträge in diesen Zeitschriften ist oft ungleich höher und auch die Comicszene muss insgesamt um Akzeptanz in der Gesellschaft kämpfen.


    Um den Bogen zurückzuschlagen. Mir geht es hierbei auch um die Fragestellung, ob Brettspiel reiner Konsum sowie Zeitvertreib oder Kulturgut ist? Wenn ersteres, dann sind wir auf dem richtigen Weg und brauchen das ganze „Gedöhns“ nicht. Wenn zweites, muss mehr kommen auch inhaltlich.

    Im Bereich Computerspiele hat die Industrie doch eine ganz andere Dimension. Da liegen in Sachen Umsatz und Klientel doch Größenordnungen dazwischen. Das bewirkt dann doch auch, dass das Ökosystem für entsprechende Publikationen eine ganz andere Struktur hat

    Naja, ich habe genau den Computerspielebereich genommen, weil sie (kulturell) gesehen inhaltlich ähnlich strukturiert ist, wie die Brettspielwelt. Natürlich spielt die finanzielle Ebene der Computerspielebranche in einer anderen Dimmension als die Brettspielwelt. Dennoch schaffen sie es dass ihre Computerthemen kulturell in der westlichen Gesellschaft verankert sind. Es gibt sogar Studiengänge dafür.

    Anderes Beispiel ist die Comicwelt. Nehmen wir den franco-belgischen Bereich der eine der kleineren Szenen im deutschen Comicmarkt ist. (Ich schätze den Manga und den US-Bereich größer ein.) Jedenfalls gibt es aber mindestens 3 kostenpflichtige Zeitschriften rund um den Franco-Belgischen Comic. Neben Rezensionen spielen immer wieder eine kulturelle Verknüpfung eine Rolle. Und die Franco-Belgische Szene ist deutlich kleiner als die Brettspielszene.


    Die Brettspielwelt muss sich nicht künstlich kleiner machen als sie ist, aber sie muss aus ihrer heimeligen Komfortzone raus.

    Sepiroth

    Ich stimme dir weitgehend zu. Nun möchte ich auf das Beispiel Computerspiele eingehen. Dort ist es doch auch möglich, mehrere Zeitschriften auf den Markt zu bringen, die zwischen 5-10 Euro kosten. Dort ist die Qualität auch unterschiedlich, bzw. für jeden Geschmack was. Allerdings gibt es eben unterschiedliche Qualitäten. Von reinen Produkttest-Zeitschriften über reine Rezensionen bis hin zu Zeitschriften die sich mit Spielekulturen beschäftigen und wie bestimmte Spiele darin eingebettet sind. Es werden Bezüge zur Wissenschaft, Kultur, Popkultur etc. gezogen.

    An dieser Stelle stehen Brettspiele hierzulande noch lange nicht. Es gibt im deutschsprachigen Raum noch keinen Diskurs über (Brett-)Spieltheorien und deren kulturellen Einbettung.

    Erste Versuche in diese Richtung unternimmt Sebastian Wenzel mit seiner Seite kulturgutspiel. Sie haben eine interessante Zeitschrift (Null Ouvert) rausgebracht.