Frostpunk habe ich schon länger nicht mehr gespielt, aber mir ist wieder ein Beitrag in den Sinn gekommen, welchen ich noch zum Spiel verfassen wollte. Nach zwei Partien hatte ich damals in diesem Thread geschrieben, dass ich das Spiel großartig finde. Im Hinterkopf hatte ich aber auch 5 mögliche auftretende Probleme. Nach sieben gespielten Partien kann ich eine kurze Einschätzung zu meinen Befürchtungen geben und wie sich diese entwickelt haben:
Positiv
Wiederspielbarkeit
Ich dachte, dass man bei (wie bei einem Aufbau- und Überlebensspiel oft üblich) schnell eine passende Überlebensstrategie entwickelt, weswegen sich die ersten 2,3,4 Tage immer gleich anfühlen und sich das Spiel erst danach öffnet. Weit gefehlt. Durch die unterschiedlichen Gesetze, Technologien, Bürgerkarten, Morgen- und Dämmerungskarten, den Aufbau des Spielbretts mit unterschiedlichen und unterschiedlich verteilten Ressourcen sowie der gewählten Startpersonengruppe, empfinde ich den Spielstart deutlich variabler als erwartet. Ja man macht oft ähnliche Sachen, aber es hat sich bei mir doch jedes Mal frisch angefühlt, da die ganzen verfügbaren Informationen erst einmal sinnvoll verarbeitet und zu einer Strategie zusammengeführt werden müssen.
Balance
Anfangs fragt man sich natürlich auch, inwieweit die verschiedenen Gesetze überhaupt ausgewogen sein können. Die Balance passt bei mir bisher ausgesprochen gut. Ich wähle nicht immer das gleiche Gesetz, sondern mache meine Entscheidungen von dem bisherigen Spielverlauf, vom Spielbrett, der aktuellen Spielsituation und meiner weiteren Ziele abhängig. Je nach Lage, ist Gesetz 2a besser als Gesetz 2b, aber dass ich ein Gesetz universell stärker als andere erachte, ist bisher überhaupt nicht vorgekommen. Das Gesetzt welches in der Partie X noch mein Lebensretter war, kann in der Partie Z durchaus auch links liegen gelassen werden.
Frostpunk hat mich anfangs mit seiner Entscheidungsdichte und Entscheidungstiefe erschlagen. Die ganze Zeit muss man prekäre Entscheidungen treffen und dabei die unmittelbaren und vor allem die langfristigen Auswirkungen im Auge haben. Dazu kommt noch, dass sehr viele Sachen miteinander eng verbunden sind und auch die notwendigen Synergien nicht übersehen werden sollten. Mittlerweile kann ich sagen, dass Frostpunk gerade noch unter der Grenze ist, an dem für mich das „Spielen“ in „Arbeit“ ausartet. Insofern passt das für mich von der Komplexität, eine Erweiterung mit neuen Spielelementen brauche ich hierfür definitiv nicht.
Negativ
Fehlende emotionale Bindung
Insgesamt gelingt es mir nicht, mich mit meiner Siedlungstruppe zu identifizieren. Die paar namentlich genannten Bürger spielt man für Einmaleffekte aus, dann sind sie weg. Ich hadere nicht mit Einzelschicksalen, Figuren wachsen mir nicht ans Herz und ich stelle auch keinen Bezug zu meinen Personen her.
Variabilität der Geschichten
Letztendlich ist das Setting natürlich für die Hintergrundgeschichten maßgeblich. Ich finde prinzipiell, dass Frostpunk aus dem kargen Setting hier viel rausholt und interessante kurze Stories auf den einzelnen Karten präsentiert. Insgesamt erleben die Spielenden in Robinson Crusoe allein schon aufgrund des Settings mMn abwechslungsreichere und vielfältigere Geschichten und das fehlt mir hier etwas.
Hype Hype. Bei Frostpunk bin ich sicher dabei. Mit den Miniaturen. Setting und Artwork gefallen mir sehr gut. Videos vom One-Stop-Coop-Shop überzeugen mich auch. Ein kooperatives Worker-Placement Survival Spiel ähnlich zu Robinson Crusoe und TWOM? Immer her damit. Das kann ich solo, mit meiner Frau und mit meiner Gruppe ohne Probleme spielen. Robinson Crusoe gehört immer noch meinen Lieblingsspielen, TWOM habe ich aufgrund der möglichen vernichtenden Abwärtsspirale irgendwann verkauft. Bis dato mein Kickstarterhighlight 2020.
Das hatte ich während des Kickstarters geschrieben. Nach den 7 gespielten Partien und gut 20 verbrachten Stunden in Frostpunk, kann ich definitiv sagen, dass ich das Spiel großartig finde. Ich würde es allerdings weder mit meiner Frau (Thema doch etwas zu düster, zu komplex, zu lang) noch in meiner Freundesgruppe zu viert (zu komplex, zu lang, Einstiegshürde zu hoch, stelle mir das Spielerlebnis sowieso zu viert nicht so gut vor) spielen. Generell sehe ich für mich Frostpunk als Solotitel, den ich vielleicht mal zu zweit mit einem Freund raushole. Robinson Crusoe gefällt mir im direkten Vergleich dann doch noch besser, da ich das Setting lieber mag und für abwechslungsreicher halte, es deutlich mehr Emotionen und Spannung gibt und vor allem sich deutlich schneller und fluffiger spielt. Gerade als Gruppenerlebnis würde ich immer lieber RC auf den Tisch bringen.
Auf BGG erhält Frostpunk eine 9 von 10 von mir.