Ist es wirklich so, dass man mit Aufbauzeiten zwischen 15 und 50 Minuten vor dem Spiel rechnen muss? Und dann mit einer Spielzeit von 5 bis 6 Stunden in der Erstpartie, sofern man nicht vorab schon nach 2 Stunden verliert? Alles natürlich abhängig von der Denktiefe und Diskussionsfreude der Mitspieler oder dem eigenen Spieltempo und Optimierungsergeiz in einer Solorunde. Und wie vetraut man mit dem Spielmaterial beim Aufbau ist.
Der Vorteil der 44 Seiten Regelwerk ist, dass du dir direkt ein Bild vom Aufwand des Aufbaus machen kannst. Ein Video, in dem dir die Regeln erklärt werden anhand eines bereits aufgebauten Spiels, vermittelt dir das logischerweise nicht. Die Aufbauzeit, die du angegeben hast, bietet natürlich eine extreme Zeitspanne. In der ersten Partie würde ich da an deiner Stelle definitiv die Zeit einplanen, da der Aufbau, der auf acht Seiten beschrieben ist, ersteinmal verinnerlicht werden muss. Da wirst du dann auch weit über 15 Minuten landen und eher, um in deinem Rahmen zu bleiben, zwischen 25-40 Minuten liegen. In Folgepartien wirst du eher im Zeitfenster 15-30 Minuten liegen, mit dem Insert eines Drittherstellers - auf das ich bereits warte - eher im Bereich von 15-20 Minuten. Viel weiter runter wirst du es nicht drücken können, da es einfach eine Menge Material gibt und sich der Aufbau durch die verschiedenen Szenarien nochmal ändert oder andere Gebäude und Ressourcen hinzukommen.
Die Spieldauer variiert stark, das ist korrekt. Das ist schlicht der Tatsache geschuldet, da es durch das Wetter, deine Entscheidungen bezüglich der Gesetze, der Dämmerungskarten oder Disputkarten und anderer Aspekte Unwägbarkeiten gibt, die deiner Kolonie je nach aktuellem Zustand mehr oder weniger schaden. Frostpunk ist ein Mangelspiel, genau wie die digitale Vorlage. Es fehlt immer an einem Ende, da man am anderen gerade ein anderes Problem lösen musste, dass im Zweifel schwerwiegender war als acht hungrige Bürger:innen. So gibt es je nach eigener Entscheidung andere Auswirkungen, die sich auch auf die Spielzeit niederschlagen können. Im Mittel würde ich die Spielzeit aber eher bei 3-4 Stunden verorten. Je nach Anzahl der Mitspieler und dem Willen über anstehende Entscheidungen zu diskutieren, kann sich das natürlich auch noch nach oben oder unten ändern. Bei viel Pech und schlechten Entscheidungen kann das Spiel auch deutlich eher zu Ende sein. Daraus lernt man aber und zieht seine Motivation.
Der Rundenablauf selbst ist sehr stringent. Nach ein paar Tagen im Spiel - was Spielrunden entspricht - bist du damit vertraut. Zeit benötigt es die Auswirkungen der Events oder mögliche Entscheidungen abzuschätzen. Manche Bereiche bleiben neu und unvorhersehbar, während du beispielsweise nach ein paar Partien die Gesetze, mit denen du startest, kennst. Das heißt aber nicht, dass es nicht viel zu bedenken gibt. Frostpunk ist ein Spiel mit vielen Leisten und Tableaus, die zwar gut verzahnt sind, aber eben auch stets beachtet werden wollen. Es gibt einfach viel zu bedenken, jedoch ist das Spiel genau deswegen ein so tolles Erlebnis, da zwar einiges Zufall ist, aber es daher diese dramatische Situation und die Schwere der Entscheidungen umso besser einfängt.
Ben2 Die Regeln sind gut verständlich geschrieben und strukturiert. Natürlich ist es viel Inhalt und ich hatte den Vorteil, dass ich das Spiel online schon mit einem Frosted Redaktuer gespielt hatte, aber in den Regeln werden die Abläufe gut besprochen, sodass ich immer dachte: "So hatte ich es auch noch im Kopf". Alles wird sich kaum jemand merken können nach einmaligem Lesen, dafür gibt es zu viele Details, aber im Falle einer Frage schnell den passenden Ausschnitt zu finden, der mir auch die Antwort auf meine Frage bietet, das zeichnet eine gut aufgebaute Anleitung aus. So habe ich selbst beim Lesen immer mal wieder zu vorherigen Bereiche geblättert und das Verständnis nochmals gefestigt. Nicht, dass ich zwingend Fragen hatte, aber mich bestärkt das oft darin, dass ich am Ende alles korrekt verinnerlicht habe. Die von dir gewählte Ikonographie, für die es ja hier und da Kritik gab (obwohl davon viele Kritiker wahrscheinlich weder die Regeln gelesen noch das Spiel gespielt hatten), empfinde ich ebenfalls als in sich logisch und passend.
Frostpunk ist kein Spiel, das ich abends spontan auf den Tisch bringe, da ich noch 60 Minuten Zeit habe. Diese Art Spiel möchte es aber auch nicht sein. Vielmehr ist das Spiel eine emotionale Simulation des Themas, in dem die persönlichen Entscheidungen deutlich mehr Auswirkung haben als fünf Siegpunkte mehr oder weniger am Ende in anderen Spielen. Dementsprechend sollte man sich dafür die Zeit nehmen. Selbst wenn der Aufbau dann 40 Minuten dauert und man nach weiteren sechs Stunden und vielen Entscheidungen oder Diskussionen vom Tisch aufsteht, dann wirst du an vieles denken, aber nicht an die 400 Minuten, die du am Tisch gesessen hast.