Ich muss wohl annehmen, dass alle, die ihr Unverständnis äußern darüber, dass man die Kampagne an sich wegen des Updates in Frage stellt, das sehr gut artikulierte YouTube-Video oben nicht gesehen haben?
Denn hätten sie es, wüssten sie, wie die, die so denken, ticken. Dann kann man natürlich immer noch sagen, dass man das anders hält, aber man sollte verstanden haben, wo der Gedanke herkommt.
Ich weiß nicht einmal, ob es Euch wirklich interessiert oder Ihr nur lautstark die Köpfe schütteln mögt, aber noch einmal als Angebot ein Erklärungsversuch. Und in aller Transparenz: Ich bleibe im Projekt und verzichte wohl einfach auf das Add-On.
1. Wir wissen nicht genau, was Matagot an den Regeln verändert hat. Wir müssen ein Stück weit vertrauen, dass die Produzenten und die Autoren eines so tollen Spiels keinen Unfug machen werden. Liegt nahe, oder? Oder? Hier ist dann schon ein kleines Problem: Wenn ich merke, dass meine Vorstellung von Kemet von deren Vorstellung von Kemet abweicht, dann weicht das Vertrauen mitunter Sorge. Es ist ja nicht nur C'thulu. Aber klar - ist das das Kemet, das denen die ganze Zeit vorgeschwebt hat? Mit C'thulu drinnen? Es wurde ja schon viel geschrieben, aber die Sorge scheint mir ja nicht einmal total unberechtigt: Was, wenn sie als nächstes Godzilla bringen? Ehrlich, dann bin ich raus, auch wenn es wieder nur optional ist. Weil den Machern und mir offenbar völlig unterschiedliche Erzählungen um das Spiel vorschweben und ich mich dann nicht mehr einbezogen, meine Wünsche und Vorstellungen nicht mehr repräsentiert und meine Hoffnungen in die Änderungen nicht mehr berechtigt sehe.
Es ist ja nicht das einzige - tatsächlich haben alle ja schon mit den Köpfen geschüttelt, als inmitten dieser farbenfrohen Gestaltung schwarz/weiß-Illustrationen kamen. Was sind das für Leute, die denken, dass den Käufern das gefällt? Was für Business-Entscheidungen treffen sie? Welche Entscheidungen haben sie schon getroffen, die das Design betreffen, über die wir noch nicht gesprochen haben, von denen wir noch nichts wissen? Ich muss vertrauen, dass das schon im Großen und Ganzen passt - aber immer, wenn ich etwas Größeres mitbekomme, schüttele ich den Kopf. Das kann dann kein Vertrauen bewirken.
2. Kickstarter ist für viele kein reiner Shop mit zeitlich begrenzten Angeboten, sondern ein bisschen auch ein Erlebnis, das man mitkauft. Man sieht etwas entstehen, liest Updates, wird mitgenommen, stimmt über Entscheidungen mit ab, äußert seine Meinung, ist Teil der Community, schaut morgens immer, ob es etwas Neues gibt, wird überrascht, freut sich, überlegt hin und her ob des Pledgelevels oder Erweiterungen. Wenn Ihr das anders seht: Gerne, kann ich verstehen. Aber es lässt sich nicht ignorieren, dass Kickstarter für viele echten Eventcharakter hat. Nicht umsonst hat CMON nicht mehr den alten Erfolg (lassen modernen Eventcharakter vermissen) und hat Awaken Realms häufig echten Enthusiasmus um seine Spiele (wissen, wie die Leute einbezogen werden wollen). Vielbenutztes Wort, das hier Sinn macht: Immersion. Ich möchte drinnen sein im Projekt und dieses gute Gefühl haben, das mich die genaue Höhe meines Pledgebetrags dann auch vergessen lässt. Dazu gehören dann auch Updates und dazu gehört, dass mir in schöner Regelmäßigkeit ein klein bisschen der Bauch gepinselt wird. Das können Wohlfühlgeschichten sein, Designer Diaries, Umfragen, Rätsel, aber natürlich auch Materialupgrades (hat Kemet gut gemacht: Double-layered Playerboards), Erweiterungen inklusive oder extra, alternatives Artwork. Auf diese Weise ebbt mein Enthusiasmus, der explizit irrational ist, der gar nicht rational sein will, der einfach Spaß macht, mir ein gutes Gefühl gibt, nie ab. Wenn ich dann abrupt stehen bleiben muss, weil etwas so gar nicht reinpasst, dann nimmt mich das raus. Dann schaue ich plötzlich, wie viel der Spaß eigentlich noch mal kostet. Habe ich nicht das alte Grundspiel? Brauche ich wirklich das neue? Warum war ich eigentlich so begeistert, nüchtern betrachtet macht meine Kaufentscheidung gar nicht so unbedingt Sinn.
Ich nehme hier ausdrücklich die Frage aus, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Kemet nicht dennoch gut ist (ich meine schon). Mir geht es hier um das euphorisch in den Hintergrund gedrängte Gehirn, das sich ob der Störung wieder Deutungshoheit erringt.
3. Es ist nicht einmal irrational, nicht enttäuscht werden zu wollen und sich im Zuge einer Enttäuschung abzuwenden. "Übertreib mal nicht, ruhig atmen, es ist nur ein Spiel" wird mir souverän von der Seite zugehaucht und wie alles, was zugleich einfach und cool klingt, möchte ich selbst schon fast mit Daumen werfen ob eines so lässigen Kommentars. Allein, es stimmt leider einfach nicht. Schuld daran ist Matagot: Wenn mir seit Tagen gesagt wird, dass da eine große Überraschung, ein tolles Update, etwas ganz Großartiges auf mich wartet, und es wird sogar ein Datum mit Uhrzeit in zwei Zeitzonen gesetzt für die Verkündung und ich warte und bin vorfreudig - dann habe ich investiert. Aber kein Geld, sondern Erwartungen und Emotionen. Herzblut, kann man sagen. Das liegt jetzt auf dem Tisch, das können wir nicht mehr ändern. Wie wenn Mutti eine richtig schöne Überraschungsnachspeise angekündigt hat. Jetzt sag mir mal einer von Euch, wer da nicht enttäuscht gewesen wäre, wenn Mutti dann ungesüßte Götterspeise (oder was auch immer Ihr persönlich eklig findet), lieblos hingeklatscht von Euch gepackt hat. "Don't like it, don't it eat, easy as that!" Ehrlich, warum muss man da enttäuscht sein? Zwingt Euch doch keiner, es zu essen. Nachspeise braucht man nicht, das Hauptgericht genügt doch völlig. Ist nur optional, kein Grund für irgendeine Klage.
Ich hoffe, es wird trotz des schiefen Vergleichs deutlich, warum es so einfach nicht ist. Viele hatten ob der Größe der Ankündigung auf wenigstens Elemente aus dem geliebten Seth, vielleicht sogar die ganze Erweiterung als optionaler Kauf gerechnet. Und dann ist es 1. "nur" eine neue Gottheit - vielleicht noch ok, aber bisschen wenig ob der Größe der Ankündigung - und 2. etwas, das viele als thematisch völlig unpassend empfinden. Selbstverständlich ist man enttäuscht.
Ich habe gesagt, der Vergleich ist schief: Bei Mutti hat man ja schon gegessen, bei Kickstarter bestellt man erst noch. Aber ich kenne nicht wenige, die ein Restaurant nicht besuchen würden, wenn die Nachspeise nicht passt. Insofern doch nicht völlig unpassend.
Wieder viel zu viel Text, aber ich finde, die Diskussion ist bislang irgendwie (bewusst?) oberflächlich verlaufen. Man kann auch wirklich gerne, wie eingangs schon gesagt, ganz anders empfinden. Aber man muss keinen Grabenkampf draus machen: Die, die sich abwenden, spinnen nicht nur einfach oder sind von einem anderen Stern, sie sind wohl nur anders involviert. Und das, finde ich, verdient auch, gehört und akzeptiert zu werden.