Beiträge von ravn im Thema „The Great Wall - Awaken Realms“

    Tipp: Erstmal mit Grundspiel begnügen, denn das Spiel ist schon sehr speziell zwischen Eurogame und Amitrash mit viel direkter negativer Interaktion. Wird nicht jedem zusagen. All-In würde ich nur gehen, wenn ich das Spiel kenne und liebe und nicht genug davon bekomme, so dass ich eine eigene Version besitzen muss. Ich persönlich fand es ok, aber für das, was es im spielerischen Kern will, dann doch zu umständlich kleinteilig. Zudem kann man sich als Erstspieler übel in Sackgassen spielen, während die erfahrenen Mitspieler ihrer Kombos abfeuern und davonziehen. Mitspielen? Ja, wenn es jemand wünscht, zu spielen. Selbst vorschlagen? Eher nein. Erklären? Nö, lieber nicht.

    Jip. Dem Lob für die Erklärung schliesse ich mich an. :thumbsup:


    Wir haben wesentlich kürzer als ihr gespielt. Irgendwas um 3 bis 4 Stunden, wobei wir auch erstmal ins Spiel reinkommen mussten und es dann aber wirklich rund und zügig lief. Fühlte sich wesentlich kürzer an, weil man ja an jeder Mitspieleraktion auch irgendwie beteiligt ist. Aber klar ein Expertenspiel, weil es so viel zu beachten gibt und sich Entscheidungen extrem auswirken. Nix für mal eben zwischendurch, zumindest nicht in einer Erstpartie.

    Gestern Abend dann mal die Chance gehabt, The Great Wall in entspannter 3er-Runde kennenzulernen:


    Gute und durchdachte Erklärung, auch wenn es anfangs nach arg vielen Regeldetails aussah. Hat schon etwas Zeit in Anspruch genommen. Besonders was Abfolge und Reihenfolge und Symbolik anging, musste ich erstmal ins Spiel finden. Eine persönliche Hürde waren dabei für mich die arg kleinen Texte und Symbole auf den Karten, welche die eigene Aktion in der Spielrunde bestimmen und auf den Spezialkarten, die man im Laufe des Spiels verdeckt ziehen konnte. So zwei Pixel unterhalb meiner Wohlfühlgrenze, wie die kleingedruckten Zutaten auf diversen Lebensmitteln. Nix für Leute mit abnehmender Sehstärke jenseits der 45. Werde dann wohl meine Lesebrille, die ich im Alltag bisher nur zum entspannten Bücherlesen brauche, auch zu Spieletreffs einpacken müssen.


    Spielerisch ist The Great Wall durchaus anspruchsvoll. Eben weil ich zu Rundenbeginn mit meiner Aktionskarte bestimme, was ich in der einen von nur sechs Spielrunden machen möchte. Allerdings kenne ich zu dem Zeitpunkt nicht die ausgewählte Aktionskarte der Mitspieler, so dass ich die kaum bis gar nicht (in einer Erstpartie sowieso nicht) in meine Überlegungen einbeziehen kann. Höchstens kann ich das abschätzen und damit ebenso danebenliegen. Zudem unterscheiden sich die Aktionskarten in wichtigen Details und die muss man erstmal im Spielverlauf und Aktion kennenlernen.


    Dazu kommt, dass fernab der klassischen Worker-Placement-Spiele ich nicht zwingend weiss, ob und wann diese Aktion überhaupt ausgeführt wird. Weil einige Felder, besonders alle auf denen man Rohstoffe bekommt, werden erst aktiviert, wenn alle Einsetzpositionen besetzt sind. Habe ich Pech oder schätze meine Mitspieler falsch ein oder spielen die ganz bewusst konfrontativ (was hier völlig ok ist), verschenke ich potentielle Aktionen, weil niemand die Restfelder mit Workern auffüllt. Wenn ich Planbarkeit brauche, hier in The Great Wall finde ich die nur eingeschränkt. Wer vorlegen muss, kann sich übel verkalkulieren, während die später agierenden Mitspieler schon eher die Kontrolle haben, aber eventuell zu spät kommen. Die Spielreihenfolge ist extrem wichtig und wurde mir erst im Laufe der Erstpartie so richtig klar.


    Im Kern ist das Spiel dann aber doch recht einfach. Auf dem Papier. Wir sammeln Rohstoffe, um Truppen aufzustellen oder Befestigungen und Mauern zu bauen, um gegen die anstürmenden Gegnerhorden Siegpunkte oder Bonusrohstoffe zu sammeln. Nur wer sich auf diesen Kern konzentriert, wird keinen Blumentopf gewinnen können - wie selbst erlebt. Am Ende wurde ich vom Sieger überrundet, der die ersten zwei Spielrunden fast vollständig dazu genutzt hatte, seine Siegpunkt-Maschinerie zu optimieren. Der dritte Spieler hatte schon zu Beginn eine gute Kombination, mal nebenbei etliche Siegpunkte einzufahren, ohne an der Verteidigung teilnehmen zu müssen. Ich konnte anfangs noch mithalten, aber ohne ausreichendem Zugang zu Gold, was ich am Anfang verpennt und in Verteidigungstruppen verprasst hatte, fehlten mir die siegpunktereichen Wechselwirkungen zwischen gewähltem Anführer und dazugekauften Beraterkarten.


    Mein Fazit: Interessant anderes Spiel vom Ablauf mit einem unerwarteten Spielfokus, der sich für mich zu sehr auf effektive Kombinationen zwischen Sonderaktionen durch diverse gezogene oder nachgekaufte Karten stützte. Wenn ich dies und das mache, dann bekomme ich dafür Siegpunkte. Also spiele ich darauf hin und verstärke die Ausbeute davon. Darunter liegt der Kern des Spiels, der Bau der grossen Mauer und die Verteidigung, die aber nur den Rahmen für die Siegpunktausbeute-Maximierung bildet. Somit wurde das Thema für mich zu sehr in den Hintergrund gedrängt und die Optimierung stand für mich zu sehr im Vordergrund.


    Viel mehr Eurogame als ein von mir falsch erwartetes Thema-Spiel. Eventuell hat der Verlag, den ich besonders mit Nemesis verbinde, da Erwartungen geweckt, die das Spiel für mich nicht einlösen konnte. Wer aber genau dieses Optimierspiel in thematischer Einkleidung sucht, findet hier ein grundsolides Spiel in diesem Genre. Ich hatte mir aber mehr Atmosphäre und weniger Denk- und Planungstiefe erhofft, aber dafür kann das Spiel nix. Nochmal mitspielen? Ja, jetzt mit dem Wissen, was das Spiel wirklich ist, aber selbst besitzen brauche ich es nicht.