Beiträge von MetalPirate im Thema „[2019] Merchants Cove (Final Frontier Games)“

    Ich finde ja spannend, dass ich mir anhören muss, ich könne Spiele gar nicht lieben, die ich vor Veröffentlichung mehrfach gespielt habe, weil man das von noch nicht veröffentlichten Spielen ja so nicht sagen könne,

    Beziehst du dich da auf mich? :/ Dann hätte ich gerne einen Beleg dafür...


    Ich denke, dass man grundsätzlich immer eine Meinung zu einem Spiel haben kann, egal ob nur allererste Informationsfetzen wie Autor und Verlag bekannt sind oder ob man das Spiel schon 100 mal gespielt hat. Der Unterschied liegt einzig und allein in der immer weiter abnehmenden Unsicherheit, die explizit oder implizit an jede Meinungsäußerung drangeklebt ist. Manchmal muss man auch genau und exakt lesen. Ein "ich erwarte einen Spieleindruck X" ist etwas fundamental anderes als "der Spieleindruck ist X".


    Wenn ich nach einem Anspielen eines Spieles meinen Regel-Ersteindruck revidieren muss, dann habe ich überhaupt kein Problem damit, auch öffentlich einzugestehen, dass meine erste Einschätzung falsch war. Wer jedoch im Laufe seines Lebens schon hunderte Spiele gespielt und tausende Regeln gelesen hat, der kann IMHO auch durch Regellesen schon recht gut einschätzen, was einen erwartet und wird öfter richtig als falsch liegen. Gerade bei Kickstartern kommt man um diese Aufgabe der eigenen Einschätzung basierend auf Regellektüre auch gar nicht drum herum, wenn man nicht blind irgendwelchen Influencern vertrauen will.

    Aber das sind einfach unterschiedliche Geschäftsmodelle für eine unterschiedliche Kundschaft.

    Richtig. Meine Beobachtung -- und ein bisschen auch Hoffnung :) -- ist aber, dass in einem übersättigten Markt die Luft für die Massen von "Bling-Bling-Produzenten" schneller dünner wird als für die Verlage und Autoren, die mehr Wert auf gründliche Arbeit und Playtesting (und eine sich damit geschaffene Reputation für gute Spiele) legen. Sieht man ja auch bei den von dir genannten CMON, deren letzte KS-Kampagne (nämlich Trudvang) nicht ganz so gelaufen ist, wie sie sich das vermutlich erhofft hatten.


    Wer über eine längere Zeit Kickstarter-Spiele unterstützt hat, der wird sich früher oder später fragen, ob die vielen spielerisch mäßigen Grafik-Blender, die null- bis zweimal gespielt im Regal verstauben, wirklich ihr Geld wert waren.

    Aber die Spiele werden doch extra für wenige Partien entwickelt, weil kaum jemand mehr Spiele öfters als 1-3 mal spielt. Anhaltender Spielspaß und Balancing sind kaum mehr durch die Kundschaft nachgefragt. [...]

    Das würde ich so nicht unterschreiben. Der Fokus auf Bling-Bling und angesagte Moden (wie hier Asymmetrie) mag eine Zeit lang für Verlage und Autoren gut gehen, aber bei der aktuellen Marktübersättigung garantiert nur echte Zufriedenheit mit früheren Werken eine sichere Basis für zukünftige Verkäufe. Dafür muss man ja nur mal schauen, was ein Name wie Alexander Pfister bei #Maracaibo oder Daniele Tascini (hier "nur" als Co-Autor) bei #Trismegistus oder das Troyes-Autoren-Trio Dujardin/Georges/Orban bei #BlackAngel bewirkt. Diese drei Spiele sind nicht wegen Bling-Bling ganz oben in den Essen-Vorfreude-Rankings.

    Ich habe mir jetzt die Regeln angeschaut und bin nicht dabei. Das Spieldesign finde ich .... merkwürdig. Jeder spielt sein eigenes, in unterschiedlicher Art zufallsabhängiges Mini-Spiel, bei dem jeweils 4x2 Endprodukte entstehen und 4 vierschiedene Wertungen freigeschaltet werden können. Diese Endprodukte und Wertungen wirken für alle Spieler gleichartig. Nur darüber, welche Endprodukte und Wertungen wie "wertvoll" werden, findet Interaktion statt.


    Ich würde dabei gar nicht mal sagen, dass zu wenig Interaktion da wäre. Mein Problem ist eher, dass diese Interaktion eintönig und unspannend ist. Wenn zwei Spieler zusammen große blaue Waren und rote Wertungen attraktiv machen, dann müssen die anderen mehr oder weniger folgen. Da ist wenig spannendes dabei. Viel interessanter ist doch, wenn das Beschreiten eines strategischen Weges diesen für Mitspieler unattraktiver macht, etwa durch Wettstreit um gleiche Ressourcen, so dass eben unterschiedliche Wege verfolgt werden müssen und man Mitspielern auch Steine in den Weg legen kann. Das sehe ich hier relativ wenig.


    (Erwähnenswerte Ausnahme: man könnte ein Boot zum für den Mitspieler "falschen" Anlegeplatz steuern, aber wenn einem selbst das nichts nutzt, ist das nur ein verschwendeter Zug. Weil es für jedes Boot nur zwei mögliche Ziele gibt und der Zeitpunkt der Bootsbefüllungen nur wenig steuerbar ist, denn Aktionen kosten 1 oder 2 Zeiteinheiten, ist da nur wenig zielgerichtete Interaktion möglich, deutlich weniger als etwa bei #Imhotep, wo etwas Ähnliches sehr viel besser umgesetzt ist.)


    Zu meinem mäßig Regel-Eindruck trägt auch ganz maßgeblich bei, dass die Mini-Spiele eines jeden Spielers meiner Meinung nach kaum für mehr als zwei oder drei Spiele taugen, dann dürfte es schon langweilig werden. Zugegeben: wenn man 4 oder (mit Erweiterung) 6 Mini-Spiele kennenlernen möchte und jedes zweimal spielt, dann ist man auch bei ~10 Spielen und dann hätte sich nach meiner Betrachtungsweise ein Spiel auch schon "gerechnet"; die meisten Spiele spiele ich weniger. Aber trotzdem, ich glaube nicht, dass man wirklich 10x relativ repetitives Zeugs spielen möchte, zumal man ja auch als Mitspieler schon sieht, was bei den jeweiligen Player Boards wie gut funktioniert hat.


    Insgesamt ist Merchants Cove meiner Meinung nach nichts, was eine dauerhafte Chance hätte, in meinem gut bestückten Spieleregal sich gegen die starke Konkurrenz zu behaupten. Für einmal ausprobieren und dann weg damit ist mir #MerchantsCove dann erstens zu regellastig und zweitens zu teuer.

    Im Bereich der asymmetrischen Spiele bin ich mit Gaia Project bestens versorgt. Für alles Neues aus dieser Ecke falle ich zumindest als Frühkäufer und damit auch KS-Backer raus. Asymmetrie braucht so viel Playtesting, dass das nur die besten Autoren und Verlage wirklich hinkriegen.