Mittlerweile habe ich im 2. Cycle knapp über die Hälfte der möglichen Reisetage hinter mich gebracht und dadurch auch meine hundertste Spielstunde in ATO geknackt. Somit ist es das dritte Spiel in meiner Sammlung (neben KDM und Gloomhaven), welches diesen Meilenstein erreicht und im Gegensatz zu den anderen beiden Titeln, habe ich dieses Mal alles solo gespielt. Zwischenzeitlich musste ich aus Zeitgründen knapp 6 Wochen Pause machen, ansonsten spiele ich weiterhin viel ATO und möchte spoilerfrei meine Erfahrungen bis zur Mitte des 2. Cycles teilen. Insgesamt gefällt mir zweite Zyklus nach wie vor besser als der erste Zyklus, aber es ziehen auch schon einige dunkle Gewitterwolken am Horizont auf.
Positiv
Story und Atmosphäre
Nach wie vor der Knaller. Ich finde den Nietzschan als Gegenspieler hervorragend, die Begegnungen mit sind super schön zu lesen, es fließen immer wieder Überraschungen ein und generell entwickele ich so eine Art Angstfreude ihm das nächste Mal wieder gegenüber zu stehen. Der Nietzschan passt auch so perfekt in diese Spielwelt hinein und alles ist miteinander engmaschig sinnvoll verzahnt und wird großartig beschrieben. Gefällt mir außerordentlich gut, vor allem weil die kleinen Nebengeschichten wie Arsch auf Eimer in diese kriegerische Spielwelt passen.
Kämpfe
Meine Kämpfe sind spannender als im ersten Zyklus. Bei den letzten beiden Primordial Kämpfen hatte ich Zustände, wie ich mir sie im Vorfeld vorgestellt hatte. Bei drei meiner Helden waren die Rage und Danger Werte am Anschlag, ich konnte alle zusätzlichen coolen Fähigkeiten benutzen, es gab Chain Breaks am laufenden Band und generell waren die Kämpfe auf Messers Schneide. Richtig, richtig cool garniert mit einigen epischen Momenten.
Gegner
Ich hatte in meinem letzten Beitrag ja schon erwähnt, dass ich die neuen Primordials deutlich besser finde als die vom 1. Cycle. Daran hat sich auch nichts geändert. Beide gefallen mir weiterhin gut bzw. sehr gut. Die Entwicklungen der Monster geht auch völlig in Ordnung.
Awakening
Ich hatte endlich mein erstes Awakening. Und dann sogar in zwei Kämpfen hintereinander. Wie cool ist das denn bitte? Das macht richtig viel Laune sich einen aktuell passenden Gott auszusuchen, eins, zwei mächtige Angriffe zu fahren und einfach zu hoffen, dass zeitlich alles gut ausgeht. Ich bitte um noch einige Awakenings mehr in der laufenden Kampagne.
Hintergrundgeschichten der Argonauten
Fand ich schon beim ersten Zyklus toll, auch hier sind die kurzen, aber dafür prägnanten Mnemos Karten schön zu lesen und ich freue mich immer, wenn ich mal wieder einen Abschnitt freigeschaltet habe. Generell finde ich das textliche Niveau ausgesprochen hoch. Durch die Bank weg.
Wiederspielwert
Ich sehe den Wiederspielwert mittlerweile als relativ groß an. Es gibt sehr viele Statusabfragen, die je nach Ausgangslage womöglich deutlich andere Auswirkungen haben und ich habe schon einige Entscheidungen getroffen, die mir tatsächlich relativ schwer fielen und ich nachträglich auch damit etwas hadere. Die Geschichte würde ich insofern gerne noch einmal erleben und dann einen anderen Weg einschlagen. Generell finde ich wirklich beeindruckend, wie sehr sich die Autoren bemüht haben und wie umfangreich und mit Liebe zum Detail die Story bzw. Welt ausgestaltet wurden.
App
Die Scribe App hat sich als sehr guter und nützlicher Helfer erwiesen. Mittlerweile tracke ich so gut wie gar nichts mehr auf dem Papier. Gerade für das Craften von Gear, die Übersicht über die Technologiekarten und den Diplomatietrack nutze ich die App sehr, sehr gerne und diese ist hier tatsächlich eine Zeitersparnis. Volle Empfehlung meinerseits.
Negativ
Crits
Ich mag die ganze Critmechanik einfach nicht. Die fand ich anfangs schon doof und jetzt knapp 100 Stunden später gefällt mir das weiterhin nicht. Problematisch sind die Crits deshalb, weil einiges an coolem und vor allem ungewöhnlichen Gear hinter den Crit Locations versteckt ist und man dieses Gear eventuell gar nicht zu sehen bekommt.
Gear
Ich bin ein großer Fan von Aufleveln und Craften von Gear. Letzteres finde ich bei ATO oft nicht befriedigend. Die Primordials haben meist bestimmte gefährliche Traits, die durch das Craften von Kontergear abgemildert werden können. Dieses Gear herzustellen ist oft ein Nobrainer. Insgesamt würde ich aber gerne mehr verschiedene Kombinationen von Gegenständen und Waffen ausprobieren, was sich aber oft nicht lohnt, da bestimmtes Kontergear einfach viel zu wichtig sind und mitgenommen werden muss. Ich fühle mich also in meinen Möglichkeiten unnötigerweise eingeschränkt.
Hermesian Persuer
Was ein nerviger Typ. “Killjoy” ist eine Attacke, bei der ich schon beim ersten Kampf mit dem Kopf geschüttelt habe. Neulich hatte ich 8 Angriffe hintereinander, in denen ich jedes Mal zu schlecht gewürfelt habe und das AT Feld nicht durchdringen konnte. Das hat dann wiederum immer eine Fail Reaction nach sich gezogen und mindestens 3 mal davon kam “Killjoy”. Da wirste halt für schlecht würfeln knallhart bestraft. Ich habe jetzt eine Hausregel eingeführt, dass nicht aktives Gear von ihm geklaut wird, sondern Gear von der Argo. Das ist für mich schlimm genug. Scheiß Gegner.
Aufgeblähte Regeln
Die alte Leier. Regeln, die überall in verschiedenen Heften, auf diversen Karten und in Sheets verstreut sind. Nervt immer noch. Dazu gibt es einige Sachen wie bzw. Overbreak oder Fire, die für mich tatsächlich auch einfach überflüssig sind. Prinzipiell hätte für meinen Geschmack die Regeln auch ausführlicher erklärt werden müssen.
Umbau / Unterbrechung des Spielflows
Ebenso nichts neues. Der Umbau zwischen Reisephase auf der Karte und der Kampfphase hat schon immer etwas genervt, war für mich aber meist verkraftbar. Generell stört mich allerdings schon, dass ich für einen neuen Kampf insgesamt 11 Kartenstapel (3 mal AI, 3 mal HL, 4 mal Wound, 1 mal Kratos) mischen muss. Dann kommt noch der Aufbau des Terrains hinzu plus Special Rules usw. Ein eigener Tisch für die Reisephase wär wohl ganz cool, das würde mir einiges ersparen. Mir sind es auch insgesamt einige Kämpfe zu viel, vielleicht skippe ich in Zukunft auch jeden zweiten Kampf, ansonsten wird man durch den notwendigen Umbau auch immer wieder herausgerissen.
Konkreter Fall beim Spielumbau
Nur zur Verdeutlichung meine letzte Spielsession: Ich erreiche einen bestimmten Triggerpunkt, was das Abhandeln der Story Karte nach sich zieht. Dieser Meilenstein zieht einen längeren Texteintrag im Cycle 2 Buch nach sich. Den lese ich sehr gerne durch, sauge die Atmosphäre auf und muss letztendlich mehrere Entscheidungen treffen. Diese sind abhängig von verschiedenen Statusabfragen (Angekreuzte Kästchen, Diplomatie, Besatzung usw.), die ich alle einzeln nachschauen muss. Nachdem ich den für mich richtigen Absatz gefunden habe, geht es mit einem neuen Text, neuen Entscheidungen und neuen Statusabfragen weiter. So geht das noch ein weiteres Mal - aber gut die Story ist ja cool, spielmechanisch habe ich allerdings wenig zu melden und aufgrund der vielen Statusabfragen, muss ich immer sehr genau aufpassen, damit ich ja die richtige Passage weiterlese. Letztendlich folgt ein Kampf gegen den Nietzschan. Map wird abgebaut, Kampf wird aufgebaut: Argo Abilities, Gear und Titanen ausgewählt, Terrain herausgesucht, Regelbuch zwecks Aufbau konsultiert, 11 Kartendecks gemischt, Traits des Nietzschan durchgeschaut und dann erst überlege ich mir meine Taktik. Insgesamt greife ich dann genau drei Mal an und habe beim dritten Angriff schon den notwendigen Zustand erreicht und den Kampf gewonnen. Okay. Ein weiterer Storyabsatz folgt (Story ist nach wie vor sehr, sehr cool) mit Statusabfragen folgt und dann erfolgt storybedingt ein weiterer umfangreicher Spielumbau. An der Stelle habe ich gut 2 Stunden mit ATO verbracht und davon waren ca. 15 Minuten wirklich gespielt. Der Rest war lesen (kein Problem damit), Statusabfragen checken (schon etwas nervig), Spieltisch umbauen (gähn) und alles vor- und nachbereiten (sehr nervig). Danach habe ich auch abgebrochen, weil ich einfach nicht noch mit mehr Verwaltungsaufwand belästigt werden wollte. Den umfangreichen Umbau des Spielmaterials habe ich also auf die nächste Spielsession verschoben. Lust darauf habe ich aber keine.
Unelegant
Letztendlich ist ATO einfach sackkompliziert, unnötig aufgebläht und nicht auf das Wesentliche reduziert. Und darin unterscheidet es sich auch von einem KDM, welches (zumindest in meiner Erinnerung) deutlich eleganter zu spielen und zu verwalten war.
Fazit
Gerade hadere ich etwas mit ATO. So gerne ich den 2. Zyklus auch mag, so toll die Story/Atmosphäre auch ist, so gut die Kämpfe auch sind - es wird alles mühselig in Form von Verwaltungsaufwand und Umbaumaßnahmen arbeitsmäßig erkauft. Für mich stellt sich letztendlich die Frage, ob das Spiel es wert ist, so viel Zeit und Arbeit reinzustecken? Und diese Frage kann ich abschließend noch nicht beantworten.
Letztendlich werde ich den zweiten Zyklus zu Ende spielen, danach dürften auch die Miniaturen von der Gambler’s Chest von KDM größtenteils zusammengebaut sein und ich möchte KDM mit der Erweiterung gerne ausprobieren, inwiefern das vom Verwaltungsaufwand her anzieht und wie sich das im Vergleich zu ATO anfühlt. Prinzipiell ist schon der Elefant im Raum, ob ich wirklich beide Spiele benötige.
Den dritten bis fünften Zyklus von ATO würde ich schon noch gerne spielen, vor allem weil mich die Story wirklich gepackt hat und gerade der 4. und 5. Zyklus settingtechnisch extrem reizvoll klingt. Vielleicht muss ich dann wirklich mit einem zweiten Tisch und vor allem mit Hausregeln arbeiten, damit ich besser mit dem Verwaltungsaufwand klar komme. Stand jetzt bin ich froh, dass ich Kingdoms Forlorn nicht unterstützt habe und ich ziehe auch in Betracht, meinen Pledge von Twelve Sins of Herakles zurückzuziehen. Insgesamt ist ATO schon ein sehr zeitintensiver Brocken und eigentlich sehe ich mich gerade nicht, insgesamt 9 Zyklen zu spielen und die schon durchgespielten Zyklen mit anderen Gegnern zu wiederholen.
Derzeit rutscht ATO bei mir auf eine 8,5 bei BGG runter.