Für Taktik brauche ich Handlungsoptionen, damit man sich über die nächsten Schritte bzw. die entstehende Situation auf dem Brett Gedanken machen kann - und nicht nur einen auf den ersten Blick klar vorteilhaften Zug wählt. Taktik ist für mich nicht gleichzusetzen mit Rechenleistung im Kopf - zB weil ich die Verwaltung von vier Charakteren oder die Regelkonformität zu 1.583 Regeln sicherstellen muss.
Das sehe ich auch so und ich hoffe, dass wir uns dahingehend alle einig sind, wenn wir über taktische Tiefe sprechen.
Was macht denn nen D2 oder nen ATO taktischer als nen S&S (auf Ebene der Handlungsoptionen)?
Für ATO habe ich ja schon Beispiele genannt. S&S hat hingegen einige klare Defizite, angefangen bei der simplifizierten Positionierung durch die Areas, über fehlende Freiheitsgrade beim Push (Richtung wird durch Spielregel vorgegeben) bis hin zu den Cooldowns, die im Vergleich zur Ausdauerabwegung bei D2 oder Middara den Spielraum der Fähigkeitsnutzungen verkleinern.
Bei D2 meine ich die Grundvariante mit menschlichem Overlord, wo schon die Wahl der offenen Monstergruppen ein taktisch-strategisches Element darstellt und wo durch das kleinteiligere und komplexere Movementsystem in Kombination mit Trapkarten und mit per Aktion verschließbaren Türen durchaus so einiges an taktischem Spielraum gegeben ist. Zu Doktorandenzeiten hatte ich mich mit einem sehr ehrgeizigen Kommilitonen in dem Spiel immer gebattled, das dann von der Denkleistung und -dauer eher an eine Schachpartie als an einen Dungeon Crawler erinnert hat und das nicht aufgrund komplexer Regeln, die es zu beachten galt, sondern durch Optimierungsabwegungen im vorhanden Optionsspielraum.
S&S hatten wir hingegen relativ schnell runtergespielt, da die KI mit den offenen Informationen halt sehr berechenbar ist und der Spielraum an sinnvollen Optionen vergleichsweise klein war (zumindest beim IS Zyklus).
Die offenen Infos bei S&S und GD vs. verdeckten Karten bei ATO/KDM/Gloomhaven sind aber denke ich auch ein möglicher Punkt, warum Spieler nach erstem Eindruck den Taktikspielraum bei ATO und Co. unterschätzen.
Wenn ich gar keinen Plan habe, was mein Gegner macht, ist die Situation natürlich anders, als wenn ich die ganzen offenen Infos zum AI-Verhalten habe und damit ein Puzzle lösen muss. Sobald ich aber ein paar Mal gegen meinen Gegner bei ATO kämpfe, kenne ich auch die typischen Bewegungsmuster des selbigen und mit der Zeit auch die untypischen. Und dann entsteht nämlich auch der gleiche Tabletalk, der bei GD vielleicht schon in der ersten Partie entstehen würde ("typischerweise greift X immer farthest Target infront in Range an, also sollten wir den Tank als letztes aktivieren und genau dort platzieren, damit der Gegner beim Move keine Crashs mit anderen Titans verursacht. Evtl. kommt aber auch Karte Y, wo er auf den closest Titan geht, also stellen wir als Plan B den angeschlagenen Titan mit Priority Token sicherheitshalber auf mittlere Distanz hinter den Gegner und platzieren einen Offtank benachbart" usw.).