Die Geschichte von ATO wird durchaus mechanisch erzählt. Das geht in Cycle 1 (es macht einen großen Unterschied, wie du dich zu den Faktionen stellst, und das hat auch inhaltlich durchaus Gewicht), in Cycle 2 schlägt es dann richtig wuchtig durch, der effektivste Part der Story hat mit zwei Resourcen zu tun und ist primär mechanisch bedingt.
Jeder Cycle hat eine ganze Reihe von Mechaniken, die Story erzählen und das Thema unterstützen. Die Despairmechanik zum Beispiel ist thematisch sehr reichhaltig und sorgt auch dafür, dass man das Storythema im Spielverlauf wirklich spürt.
Ja, klar, man muss lange Texte nicht mögen. Und dann würde ich ATO einfach meiden, ganz klar. Aber diese Spiele funktionieren durchaus auch in einer Gruppe mit 4 Spielern, bei uns freuen sich alle jedes Mal auf die nächste Session, und im Discord haben wir jedes Mal Diskussionen, wie es denn weitergehen wird, was es mit gewissen Mysterien auf sich hat, wie wir uns zukünftig verhalten sollen, usw. Wir hatten da auch zusammen eine Art verstecktes Puzzle in Cycle 1 geknackt.
Das fühlt sich quasi an wie eine TV-Serie mit Cliffhangern, über die man zusammen diskutiert, an - nur, dass sich die Story eben nach uns richtet. Ich würde dir also nicht zustimmen, dass sich "Das Brettspiel" in eine """falsche""" Richtung entwickelt. Die Spiele mit dicken Storybüchern sind eine winzige Minderheit, nicht die Entwicklung des Brettspiels. Wenn ich in den lokalen Brettspielladen gehe, habe ich vielleicht 10 Spiele mit Storybüchern zur Auswahl - und 300+ ohne.
Ich würde übrigens sagen, dass der Wegfall von langen Texttafeln in Videospielen *der* Grund für die derzeitig abgrundtief schlechten RPGs im Videospielbereich ist. Wenn ich mir da Planescape Torment ansehe und dann den Murks, der heutzutage als RPG verkauft wird, dann weiß ich, was mir lieber ist, und das sind die langen Texttafeln. Da kann einfach mehr gemacht werden. Das RPG hat als Genre unglaublich viel verloren, seitdem alles mit Voice acting passen muss. Plötzlich gibt es keine richtigen Entscheidungen mehr, nur noch "Ja", "Ja, aber sarkastisch", "Nein, aber dann doch ja" und "Ja, aber als Serienmörder", weil die Recordings in den Kosten explodieren, wenn man echte Entscheidungsbäume ala Planescape Torment hätte.
Alles anzeigen
Das klingt wirklich gut. Ich bin auch nicht sicher, ob das für alle RPGs gilt und ob die Texttafeln der Grund dafür sind.
Shooter sind stellenweise heute auch nicht mehr das, was sie mal waren (Sätze alter Männer) ;), was nicht an Texttafeln liegt.
Wir hatten gestern übrigens auch unsere erste Testpartie. 8 Stunden - Tutorial plus dann Start in Cycle 1 und Kampf gegen den Labyrinthaurus.
Am Ende Fazit des Mitspielers:
1.) Bardsung war spannender.
2.) Es ist schon bezeichnend, dass das einzige Memorable-Element, das Emotionen am Tisch weckte, das mehrfache Ziehen von Obol-Karten war und ich jedes Mal nicht gestorben bin.
Das Kampftutorial war recht flüssig, wenngleich da auch schon Fragen aufkamen, die direkt nachgeschlagen werden mussten, weil die Tutorialregeln die nicht abdecken (Bewegung bei Spielfeldrandüberschreitungen).
Das Storytutorial zieht leider sehr viel Zeit und verkommt natürlich doppelt, durch Fluff und Regeln zur Dauerleseveranstaltung. Da wird das Verhältnis sicher nach hinten raus besser, aber so war das schon echt ein Abturner.
Dazu kommt aber auch die wirklich schlechte Ökonomie am Spieltisch - Karten mischen, Karten raussuchen, Abkreuzen, Keywords nachschlagen und die Details, wann welche Karten gemischt, abgelegt wird etc. Da wir ungern einfach weiterspielen, schlugen wir also alles nach und wirklich jedes Detail, was den Spielfluss enorm bremste (Crush bei Durchziehen/Landen; Knockback durch Terrain etc.). Bei einigen Dingen frage ich mich dann auch - wozu? Trägt das wirklich zu einer Verbesserung des Spielgefühls bei? (Ist die Wahrscheinlichkeitsveränderung der Obol-Karten zum Beispiel durch das Hinzufügen von Karten so gewinnbringend oder hätte es auch einfach eine Würfeltabelle getan? ) Beim Labyrinthaurus wird dann das Platzieren von Tiles ja auch nicht gerade ökonomischer (rote Linien = Obstacles; grüne Linien verbinden Tiles - wie funktionieren Obstacles für einzelne Effekte? Industructable ist es nicht....). Mit welcher Auswirkung? Gute Frage.
Das Kampfsystem ist nach wie vor problematisch und lebt eben davon, dass man durch Crafting und Erforschen von Technologien besser wird - taktisch einen Kampf zu gewinnen, bei dem die Waffen für das Verwunden nicht taugen, ist schlicht nicht drin - man kann durch GUTES Taktieren keine Wendung herbei führen. 4D10er mit 9+ zu blocken geht halt schlecht. Klar, Crafting und Erforschungen verändern das und sorgen durch Dinge wie Armor etc dafür, dass sich die Wahrscheinlichkeiten ändern. Aber ist das spannend? An der Feldtaktik ändert sich da leider nix dran. Das beschleicht mich leider auch hier.
Die Texte fand ich ebenfalls wieder mal literarisch nicht gerade rasend. Mag Geschmackssache sein, aber so cool ich die Welt finde - die Story konnte mich noch nicht packen.
Und so hinterlässt mich der erste Spieleabend wieder recht frustriert zurück - ich lese die vielen positiven Berichte hier und würde mich freuen, wenn mich das auch so packen könnte. Und mein Mitspieler teilt mir mit, dass er "froh ist, dass er nächste Woche auf eine Beerdigung muss", damit er hier nicht weiter mitspielen muss.
Und ich kann es voll verstehen - denn auch die Kampfdynamik ist recht zäh. Die Bosse sind zum Beispiel nicht so stark unterschiedlich, wie die wilden Cartoonviecher eines Townsfolk Tussle. Klar, ist das Spiel simpler in allen Belangen - aber macht das ATO taktisch tief? Zudem kürzt ein TT viele Dinge einfach ab - ja, das Ressourcenmanagement und Crafting (dessen Reiz ich ja durchaus sehe - es bringt mir nur persönlich nichts) spart es sich - aber dafür ist die Progression viel schneller - ich ballere 4 Bosse n 5 Stunden weg und habe eine extrem starke Progression)
Wie gesagt - macht das ATO taktisch tief? Sehe ich aufgrund der Basismechanik gerade nicht so und ich muss mich wieder zwingen, weiterzuspielen, obwohl es die ersten 8 Stunden kaum bis gar nicht unterhalten hat. Das war bei KDM besser - da hat der erste Abend noch unterhalten.
Wenn manche schon die Ökonomie von Arkham Horror 2 oder Sword & Sorcery beklagen - Leute, das ist echt wieder ein neues Level hier. Wie so oft: Eine App würde ATO echt gut tun.
Im Anhang auch mal die Fotos, warum auch die Profile der Bosse nicht so gut sind bei ATO wie TT. Natürlich spoeisen Signature und Routine Cards da noch etwas ein und das Sheet selbst, aber es braucht eben alles Extraregeln stellenweise, wo TT zeigt, wie viel einfacher mehr Profil zu erzeugen ist - und am Ende passiert auf der Stage in TT deutlich mehr Absurdes und Dynamisches. Und das liegt (auch) an der Gestaltung der KI Decks.