Neben den Schwächen des Cthulhu-Systems, die ich ebenfalls durchaus sehe (vor allem die Fokussierung auf die wenigen immer wieder wichtigen Skills), gefällt mir das System aber vor allem dadurch, dass es nicht stört. Ich bin ein Freund von Systemen, über die man nicht lange nachdenken muss, damit sie den Spielfluss nicht hemmen und die Story nicht abwürgen. Ich finde wenig im RPG schlimmer, als wenn jemand ständig irgendwo in den Regeln irgendwelche Dinge nachschlagen muss, um etwa ja richtig zu spielen.
Da finde ich ein wenig "Spielleiterwillkür" und schnelle, flexible Entscheidungen deutlich angenehmer, wenn der Spielleiter jemand ist, der den Spielspaß der Gruppe ein wenig im Blick hat.
Zu Kampagnen in Cthulhu - ich habe nun auch schon eine Meeeenge Kampagnen in Cthulhu hinter mir und wir haben das üblicherweise so gestaltet:
- Ich als GM habe die heftigen Folgen in Kampagnen immer ein wenig abgemildert. Da durfte ein Charakter nach ein wenig dramatischer Erzählung auch noch einmal mehr ausweichen oder noch einmal mehr einen Glückswurf machen, etc., um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, aus einer Situation doch noch irgendwie wieder rauszukommen. Die Charaktere mögen "Normalos" sein, aber warum sollten sie nicht zumindest das Schicksal auf Ihrer Seite haben, dass ihnen die eine oder andere Chance mehr bietet?
So haben wir zum Beispiel Berge des Wahnsinns mit einer Gruppe gespielt, die bis zum Ende vollständig überlebt hat und auch nicht wahnsinnig war (die Auswirkungen des Wahnsinns müssen dann eben entsprechend angepasst werden, so dass die Charaktere noch irgendwie spielbar bleiben). Was dann natürlich im Showdown passiert ist, ist nochmal eine andere Frage - da ist, wie bei einer Serie in den letzten Folgen der letzten Staffel alles möglich, was dem Finale auch nochmal zu einem besonderen Spannungsbogen verhilft.
In anderen Kampagnen, wo das einfacher möglich war (z.B. Nyarlathotep, Orientexpress), haben wir von Beginn an vorgesorgt, indem wir nicht nur einen Charakter, sondern mehrere erschaffen haben (zumindest konzeptionell), die miteinander in Verbindung standen. So hatten die Charaktere immer Freunde / Verwandte / Ehemänner und -frauen, mit denen sie regelmäßig geschrieben / telegrafiert oder auch mal telefoniert haben, so dass diese grundinformiert waren und zudem dann einen Grund hatten, sich aufzumachen und den Platz des vorhergehenden Charakters einzunehmen. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass man Ersatz hatte, es hat auch manchmal für coole Momente gesorgt, wenn z.B. einer der Charaktere mit seinem Ehemann telefoniert, dem man aber plötzlich auf die Schliche gekommen ist und bei dem nach kurzen Kampfgeräuschen dann die Verbindung abbricht - da das Ganze dann Plotverbindung hatte, konnte noch mehr persönlicher Druck auf die Charaktere aufgebaut werden und sie waren noch involvierter als vorher.
Aber auch mit diesen "Rettungsankercharakteren" habe ich immer versucht, Charakterausscheiden zu einer absoluten Ausnahme zu machen (die dann aber umso dramatischer war). Wie bei James Bond mussten dann eben sinnvolle NSCs eingeführt werden, denen sich die Charaktere idealerweise ein wenig verbunden fühlen, die dann den Opfertod sterben können... Dieses Vorgehen ist dann zwar nicht mehr ganz so kompromisslos Cthuloid, hat aber der Stimmung in unseren Gruppen keinen Abbruch getan.
Wir hatten aber auch schon Kampagnen, die aus einer Aneinanderreihung von mehreren Abenteuern mit den gleichen Charakteren bestanden, die aber ein gemeinsames Grund-Setting hatten. Zum Beispiel hatten wir eine Ruhrpott-Runde, die immer wieder in die wildesten (ortsnahen) Abenteuer geraten sind. Das coole dabei war, dass man auch das Umfeld voll ausgestalten und mit einbauen kann (ein Charakter hatte einen Buchladen, einer hatte schwerhörige Vermieter, die (nichtsahnende) Frau eines Dritten hat immer Schnittchen für alle gemacht, wenn man mal wieder einen "Ausflug" geplant hat und der in der Runde vorhandene Polizeikommissar war immer froh, wenn er Ausreden dafür finden konnte, externe Spezialisten hinzuzuziehen, mit denen man wenigstens WIRKLICH darüber sprechen konnte, was da eigentlich abgeht. Diese Settings waren eigentlich echt die besten und bei diesen Settings hatten wir tatsächlich keine Tode / Wahnsinnige. Wir spielen dann lieber etwas "weichgespülter" in den Kampagnen, als dass man sich mit den Charakteren nicht mehr identifizieren kann.
Ich hatte aber auch einmal eine Carnivale-Gruppe, für die ich mir eine Carnivale-Truppe ausgedacht hatte (inspiriert von der Carnivale-Serie). Das Grundabenteuer bestand daraus, wie alle Charaktere zum Carnivale stoßen (das war direkt schon ein geheimnissvolles, episches Ereignis, was viele Fragen offen ließ). Das Setting lebte vom Kennenlernen der (nicht ganze einfachen und teils auch undurchsichtigen / zwielichtigen) Carnivale-Truppe und seinem (sich nie direkt blicken lassenden und nur aus seinem Wagen über seine rechte Hand Anweisungen erteilenden) Direktor.
Damit ließen sich dann immer wieder Ortswechsel ermöglichen, die zu Einzelabenteuern führten, die entweder rein extern oder mit Verwicklungen der Carnivale-NSC sein konnten. Zudem hatte ich einen diffusen Plan für einen übergreifenden Plot, der aber leider, weil die Gruppe sich irgendwann leider auflöste (Jobs in anderen Städten, etc.), nie zur Vollendung geführt werden konnte.
Bei One-Shots ist das natürlich dann wieder eine ganz andere Nummer, weshalb ich sie auch supergerne spiele und leite. Da kann dann wirklich alles
passieren (weshalb ich One-Shots mit vorgefertigten Charakteren fast am besten finde, weil diese dann trotz ihrer Kurzlebigkeit nicht "blass" bleiben, sondern einen klaren Hintergrund haben). - Höhepunkte in der Richtung sind immer wieder "Der Sänger von Dhole"(!), aber auch "Tempus Fugit" oder auch "Abwärts" und andere. Epischer Höhepunkt der One-Shots war allerdings ein selbst ausgedachtes Abenteuer für einen langen Nachmittag mit zwei Spielgruppen mit je vier Personen und zwei Spielleitern gleichzeitig (Die Koordination war nicht ganz einfach, aber das Erlebnis war zweimal extrem cool - die Unterlagen habe ich auch noch, allerdings ist das nicht so notiert, dass andere außer mir mit meiner Frau das leiten könnten!).
Als Spielleiter mag ich ein Grundgerüst eines Plots, lasse mir aber Freiheiten und bleibe manchmal durchaus ambivalent, bis ich mich entscheiden MUSS. z.B. könnte der Schatten hinter dem Fenster zunächst noch alles mögliche sein, Hauptsache, er ist unheimlich und dubios und lockt die Charaktere in fiese Situationen - je nach Situation, wenn die Charaktere dann ins Haus eindringen, könnte er sich dann als das fiese Monster oder auch die unschuldige alte Dame herausstellen - manchmal entscheide ich das tatsächlich erst, wenn ein SC die Türe öffnet. Dabei versuche ich natürlich in meinen zuvor getroffenen Andeutungen konsistent zu bleiben, so dass es auch stimmig bleibt. Wenn die SCs erst lauschen und Monstergeräusche hören, dann steht da nicht plötzlich die alte Dame im Zimmer (es sei denn sie WÄRE das Monster ;).
Ich finde es vor allem wichtig, dass immer die Bedrohung über allem liegt, dass die Charaktere auch sterben KÖNNTEN UND die Spieler nie wissen, was schon festgelegt und was improvisiert ist - außerdem versuche ich, die Spieler möglichst wenig zu railroaden - wenn sie halt nicht in die alte Kirche gehen, wo das plotrelevante Artefakt wartet, dann taucht es eben entweder woanders auf (weil ein NSC es sich geschnappt und weggebracht hat) oder es gibt ggf. noch eine andere Möglichkeit, den Plot zu lösen (oder man lässt die Spieler das eben bis zuletzt glauben und am Ende geht dann in einer epischen Szene plötzlich das Gegenritual überraschend schief - auch das kann bei der richtigen Dramaturgie ja ggf. sinnvoll sein).
Ich finde nichts schlimmer als einen Spielleiter, der sagt "Es ist doch nicht MEINE Aufgabe, die Spieler auf den Plot zu stoßen - wenn sie halt nicht in der Ecke des Hauses unter der dritten Bodendiele suchen, dann müssen sie eben noch 15 Verborgenes Erkennen Würfe machen oder der Plot geht halt nicht weiter" (diese Aussage habe ich tatsächlich schon so gehabt und das Spielen unter dem Spielleiter hat in solchen Situationen, wenn nicht alles nach Plan lief, nicht so wirklich immer Spaß gemacht) - ich würde ja auch kein Buch lesen, wo der Plot nicht irgendwie mal weitergeht. Ich finde meine Aufgabe als Spielleiter ist, den Plot möglichst so anzupassen, dass die Spieler den Weg entweder auf möglichst "natürliche" Weise "finden" oder der Plot sich dann eben ein wenig zurechtbiegt, damit er interessant und spannend wird und bleibt. Ich finde es, wie gesagt, vor allem wichtig, dass die Spieler solche Dinge nicht merken und somit immer die Illusion bleibt, dass man es selbst geschafft / versaut hat, was ja auch oft genug wirklich der Fall ist )