Beiträge von AllThatJazz im Thema „Lauwarme Noten: Brauchen wir mehr Verrisse?“

    Meines Erachtens ist die Forderung nach ausgewogenen, tendenziell freundlichen Rezensionen wenig zielführend.


    Wie schon 100x gesagt wurde: Unsere (Spiele)geschmäcker sind sehr verschieden. Es gibt immer irgendwen, der ein Spiel superduper toll findet genauso wie andere vom gleichen Titel Migräne bekommen. Diese Spreizung bedeutet: Wenn ein Rezensent versucht, "objektiv" zu schreiben, dann kann er in 95% alle Fälle nur eine Note zwischen 6 und 8 zücken.


    Was habe ich als Leser dann vor mir? EIne Bewertung, die irrelevant ist, weil sie eine Art Mittelwertsabbildung darstellt. Und dazu einen langweiligen Text, der diesen Mittelwert reflektiert. Nee, dann lieber ein Schreiber, der klar sagt "Finde *ich* klasse, weil ..." oder "Werde *ich* nie wieder spielen, weil ...".

    Danke, danke, danke ... Das was ich als "Mut zur Subjektivität" forderte!

    Man merkt schon vereinzelt wieder nur destruktive Kommentare. Wie schade. Das Thema find ich sehr wichtig.


    Auch die Anmerkungen von Ich hasse Erweiterungen fand ich interessant.


    Mein Wunsch von oben zum Mut zu Subjektivität (eigene Bewertung!) und zur Individualität (kein Shitstorm bei Kritik!) bleibt ... auch als Wunsch für 2017.



    Gerade das Anerkennen eines individuellen Geschmackes ist oft sowohl bei Lesern als auch bei Verlagen/Autoren im Netz ein Problem. Wer etwas kritisiert oder wirklich sagt: "Sorry, das war überhaupt nichts für meinen Geschmack." läuft sofort Gefahr als unmöglicher Mensch abgestempelt zu werden, der die tolle Arbeit von Autoren/Verlagen etc missachtet. Oder es wird vorgeworfen, derjenige, habe a) das Spiel nicht verstanden, b) es nicht 47,358 Mal gespielt oder sei eben c) gar nicht qualifiziert das zu beurteilen. Am besten dann noch ein wütender (unsouveräner) Post des Autors oder Verlags.

    Wobei ich das alles nur für lesbare, begründete Kritiken meine. Schlichte Verrisse ohne Inhalt sind selbstverständlich genauso nutzlos, wie Kritiken "irgendjemand wird's gefallen".



    Vielleicht hilft es dem Bewerter ja, wenn er sich ruhig einfach mal traut zu sagen: "für meinen Geschmack", "finde ich", "kam mir so vor", "meines Erachtens" ...

    Da gibt es dann auch kein Gegenargument. Sondern derjenige schildert, was für IHN gut oder schlecht war.



    Viele Grüße!

    Da wurde unter anderem von jemandem hier aus dem Forum gefordert, dass auch das Erlebnis der Mitspieler mit in eine Bewertung einzufließen hätte. Neben Transparenz (wer hat wie oft welches Spiel gespielt, Rundenanzahl ...


    Schließt sich meines Erachtens nicht aus mit meinem Wunsch nach dem Mut zur Subjektivität. Im Gegenteil. Sogar interessant, wenn ich vielleicht lese, dass in einer Proberunde die Meinungen unterschiedlich waren und Punkte unterschiedlich empfunden wurden. Gehört für mich sogar ein bisschen zu einer guten Kritik dazu, dass ich sage, wo es andere Meinungen gibt und warum ich die nicht teile. Und es weckt vielleicht noch mehr Interesse.


    Auch die Angabe, ob es allein 1-2 Partien waren oder ob jemand das Spiel schon 4 oder 5 mal durchgespielt hat, oder es gar zu seinen Dauerbrennern gehört, finde ich für mich interessant.


    Natürlich ist daraus niemand gezwungen, es so zu machen, ...

    Gute Frage und gutes Thema.


    Vielleicht einzig das Wort "Verriss" etwas irreführend. Denn als destruktive Kritik war es ja auch im Ausgangspost wohl gar nicht gemeint.


    Erstes Problem: Der Shitstorm.

    Erinnere mich als vor kurzem jemand, eine sehr begründete und m.E. überhaupt nicht destruktive Kritik an Terraforming Mars formulierte, weil ihn das Spiel nicht überzeugt hatte. Irgendwann - nach vielen Internetseiten - schlug jemand inhaltlich vor, dass er doch einfach sagen soll, dass er das Spiel ab jetzt immer wieder spiele, sich schwer geirrt habe und in Zukunft den Mund halte.

    Ein solcher Shitstorm ist nach Kritik erheblich wahrscheinlicher als nach Lob.


    Das zweite scheint mir gerade bei der heutigen Menge an Spielen, müssten doch eigentlich - egal, welchen Geschmack man hat - viele Spiele (oder sogar die meisten) dabei sein, die einem nicht gefallen. Aber hier kommt das zweite Problem: Der Spielekritiker hält sich heute oft für eine objektive Geschmacks-Gerichtsbarkeit. Der Mechanismus funktioniert, Spaß machts nicht, also 6-7 von 10 Punkten. Irgendjemand wird's schließlich Spaß machen. Interessiert mich das? Nein, eigentlich will ich von einem Buchkritiker nicht hören, dass man die Worte lesen kann also 3/4 der Punkte. Von einem Musikkritiker nicht, dass der CD-Player die CD abspielt, also 7 von 10 Punkten ...

    Kritik von einem Kunst- oder Unterhaltungswerk, ist doch immer überwiegend subjektiv. Dem einen gefällt Beethoven, dem anderen Modern Talking. Es gibt Gründe, warum wem was gefällt oder warum er dies oder jenes besser findet, aber kein objektives Richtig oder Falsch.

    Warum also nicht mal den Mut haben und einfach sagen, aus diesen und jenen Gründen traf das überhaupt nicht meinen Geschmack. Und das sind dann keine 7 von 10 Punkten.


    Fazit also:

    Mut zur (begründeten) Subjektivität und zum eigenen Geschmack (also kein destruktiver Verriss!),

    und Kampf dem Shitstorm.


    Im Schnitt werden die Noten dann vielleicht immer noch im Mittelfeld liegen, vielleicht etwas schlechter, aber im Einzelnen, wird's viiiiiiiiiiiel interessanter.


    Danke für das Thema, denn wir brauchen für 2018 mal wieder gute Vorsätze und neue Ansätze!!!!