In den letzten zwei Tagen Spirit Island (Grundspiel ohne Erweiterung) in zwei unterschiedlichen Spielrunden entspannt erstgespielt. Einmal zu dritt und dann zu viert. Das Regelwerk ist zum Glück sehr gradlinig und schnell verinnerlicht. Nur bei den Build und Explore Aktionen musste ich immer wieder nachschauen, wo da gebaut und sich ausgebreitet wird. Da fehlt mir noch die Verinnerlichung der Details, zumal die Übersichtskarten irgendwie leicht missverständlich klingen und die Aktionen im Regelheft einfacher beschrieben sind. An diesem "Source" stosse ich mich ein wenig. Muss ich mir nochmal genauer anschauen, um diese letzte Hürde zu überwinden.
Das Fazit "Hoher Suchtfaktor: Man möchte einfach alles ausprobieren, mehrfach und in verschiedenen Konstellationen" von @Toadstool kann ich so 100% unterschreiben. Das Spiel baut einen perfekten Spannungsbogen auf, erst scheint es unschaffbar, dann schöpft man Hoffnung, bis es dann auf Messers Schneide steht. So geschehen in meiner Viererpartie. Wir hatten alles perfekt für die kommenden zwei Runden vorbereitet, die Invasoren gut dezimiert, für ordentlich Furcht gesorgt, es wäre weder gebaut noch angegriffen worden und die paar neuen Explorer hätten wir in ebenso den Griff bekommen. Dann gab es eine von uns allen übersehene Kaskade von Zerstörungsmarkern, die wir nicht verhindern konnten und plötzlich war die Partie verloren. Ganz knapp und deshalb umso spannender. Die Dreierpartie einen Tag vorab war hingegen ein schneller Niedergang, in wenigen Runden waren die Zerstörungsmaker alle auf dem Spielfeld eingesetzt und wir schliesslich geschlagen.
Was bei dem Spiel hilft, wenn einer in der Runde es mindestens ein Mal schon gespielt hat. So war die Dreier-Erstpartie ein völliges Stochern im Nebel der Möglichkeiten. Zu viel probiert, zu wenig koordiniert, wenig fokusiert, aber typisch für eine Erstrunde. Eben weil sich Spirit Island so anders spielt - erfrischend neu, zwar nicht kompliziert, aber durchaus komplex im Zusammenspiel. Mit der Erfahrung aus meiner Erstpartie konnte ich dann in der Folgepartie in Viererrunde ein wenig auf potentielle Gefahren aufmerksam machen.
Allerdings und das ist gut so, hat das Spiel kein Alphaspieler-Problem wie so viele anderen kooperativen Spiele. Als Einzelner kann man schlicht nicht den gesamtem Überblick behalten, was die Mitspieler alles machen können und eventuell besser agieren könnten. Da ist Vertrauen nötig, dass die Mitspieler mindestens so engagiert wie man selbst spielen. Zurücklehnen kann und darf sich niemand, weil jeder jeden unterstützen sollte, damit die Summe der Einzelaktionen sinnvoll werden kann. Klar wird man besonders in seiner Erstpartie weitaus entfernt von optimal spielen, was völlig ok ist. Da aber der Schwierigkeitsgrad auf der einfachsten Stufe mit vorgegeben neuen Karten und ohne Zerstörte-Land-Karte und mit den vier einfachsten Geister-Charakteren abläuft, verzeiht das Spiel auch eine nicht ganz optimale Spielweise. Etwas, was man sich auf höheren Schwierigkeitsgraden eventuell dann nicht mehr leisten kann. Herausfordernd bleibt es trotzdem - zwei Niederlagen in zwei Partien sprechen für sich.
Am schwierigsten empfand ich, abzuschätzen, wie man diese Push & Gather-Aktionen sinnvoll nutzen kann. Weil die zeigen meist keine direkte Auswirkung, sondern sind eher vorbereitende Aktionen, um Zerstörung zu vermeiden oder selbst zum Gegenschlag an dann besser geeigneter Stelle ausholen zu können. Was man damit alles machen kann, wird man aber erst durch Spielpraxis lernen. In meinen zwei Partien habe ich bisher dieses Steinmonster und das Feuer aus Schatten als Charaktere kennengelernt. Die spielten sich extrem unterschiedlich. Einmal komplett defensiv mit Potential durch spätere Karten, auch mal ordentlich austeilen zu können. Und der andere Charakter konnte ordentlich Furcht verbreiten, damit schneller dafür sorgen, dass die Siegbedingung einfacher wird und die Furchtkarten ihr Potential unter den Eindringlingen entfalten. Mit nachgezogenen Power-Karten konnte ich dann auch zerstören und später sogar Feinde in Freunde umwandeln.
Somit brenne ich auf Folgepartien, die anderen Einstieger-Charaktere kennenzulernen, aber mehr noch, die beiden mir inzwischen ein wenig bekannten Charaktere wesentlich zielgerichteter spielen zu können, weil ich selbst erlebt habe, was damit alles möglich ist und wo einige Stolperfallen vermieden werden können. Für mich ist Spirit Island aktuell das beste kooperative Spiel in meiner Sammlung. Allerdings eines, was sich klar an Vielspieler mit Hang zum Teamspiel richtet. Sicher kein Spiel für jede Runde, aber wer generell kooperativ mag, die Herausforderung sucht und komplexere Taktik-Puzzle mit ganz viel Thema sucht, der wird hier fündig. Ein absolutes Ausnahmespiel für mich - eine glatte 10 auf der BGG-Notenskala. Mit Erweiterung und Promokarten zudem mehr als ausreichend Material für unzählige abwechslungsreiche Partien. Besser als Pandemie, auch weil es das Alphaspieler-Problem nicht hat. Die einzige Frage, die bleibt: Wann kann ich es erneut spielen? Gerne auch mal solo oder nur zu zweit. Bin gespannt.
Cu / Ralf
PS: Meine persönliche Messlatte für SPIEL 2017 Neuheiten liegt damit so hoch wie nie. Warum ein Spiel kaufen, wenn es gegen The 7th Continent oder Spirit Island nicht ankommt, die eigene zur Verfügung stehende Spielzeit aber der alles limitierende Faktor ist? Essen könnte diesmal für mich arg preiswert werden, denn "nur gute" Neuheiten brauche ich inzwischen nicht mehr. Herausragend ist der neue Maßstab geworden. Arges Luxusproblem bei gut 1200 Messe-Neuheiten.