Beiträge von ravn im Thema „Spiele "richtig" spielen!“

    Anscheinend sehe ich das Thema weitergespannt als Du - einfach zwei verschiedene Perspektiven.


    Für mich hängt eine "unthematische Spielweise" mit dem jeweiligen Spiel zusammen. So sehe ich die Mechaniken von Stone Age eng mit dem Thema verknüpft - wir sammeln Rohstoffe, vermehren und ernähren uns, bauen Hütten und so weiter. Die Hungerstrategie ignoriert das, sieht das Spiel nur als Ansammlung von Mechaniken, die man irgendwie optimieren muss, um Siegpunkte zu machen. Damit wird so eine Spielweise für mich "unthematisch" und nimmt dem Spiel sozusagen den Zuckerguss des thematischen Mantels, sofern man sich da nicht selbst einen neuen Mantel zurechtdenkt ("Jetzt hungern wir alle mal, um ... ... ... tja, um zu zeigen, dass ... egal, hauptsache Siegpunkte!")


    Bei "6 nimmt" ist die "unthematische Spielweise" eines Spiels ohne echtes Thema dann darin für mich begründet, dass ich das "Thema des Spiels" für mich als "Im Geiste/Sinne des Spiels" sehe und da ist es schlicht blöd, wenn man Karten zufällig spielt anstatt die gezielt auszuwählen. Auch hier beraubt man das Spiel um seine Möglichkeiten und reduziert es für sich - hier dann um die Mechanik des Auswählens.


    These zur Diskussion gestellt: Bei einem guten Spieldesign (Mechanik und Thema im Einklang) kann man nicht gegen das Thema spielen. Wenn das Thema aber nur draufgepappt ist und nicht mehr als eine Sahnehaube, noch nicht einmal ein Zuckerguss, der das komplette Spiel umhüllt, dann kann man es auch auf einer rein mechanischen Ebene spielen und damit das Thema ignorieren, wobei man in Details oder speziellen Fällen dann auch mal gegen das Thema spielt.


    Und ja, ich spiele - sofern das möglich ist und nicht dem Spielprinzip zuwider läuft - lieber thematisch und habe "im Thema des Spiels" meinen zusätzlichen Spass. Wenn das Spiel das aber nicht erlaubt und eher mechanische Optimierungen fördert und belohnt, dann nehme ich das hin, finde es aber schade, dass es das Potential der "thematischen Ebene" verschenkt.


    Gibt es denn für Dich ein "unthematisches" Spielen? Also ein Spielen den Regeln entsprechend, aber nicht so, wie es "gedacht" ist, das Spiel zu spielen??

    Die Hungerstrategie bei "Stone Age" finde ich persönlich blöd. Ok, die funktioniert unter gewissen Rahmenbedingungen, aber nutzt meiner Meinung nach Lücken im ursprünglichen Spieldesign aus und fühlt sich für mich deshalb "falsch" an. Wenn ich als Stammesanführer meine Untertanen bewusst hungern lasse, obwohl es ausreichend Nahrung gibt, dann kann man sich das schon irgendwie so thematisch hinbiegen ("Der grosse Ubunga sagt, dass wir nur durch Fasten unsere wahre Stärke zeigen werden..."), dass es passt. Ich hätte so einen Stammesanführer aber längst in die nächste Wüste geschickt und deshalb fühlt es sich für mich falsch an, so zu spielen.


    Ebenso kann man bei "6 nimmt" auch zufällig seine auszuspielende Karte auswählen und das demonstrativ-plakativ vorführen, aber fernab des einmaligen Aha-Effektes macht es für mich die Spielpartie kaputt. Eben weil so ein Verhalten signalisiert, dass man eigentlich das Spiel nicht spielen will und sich noch nicht einmal für die Mitspieler bemüht, eine Partie vernünftig zu Ende zu bringen, zudem den Gewinner damit abwertet.


    Bei "Achipelago" kann man in der semi-kooperativen Version das Spiel ganz bewusst für alle Spieler an die Wand fahren. Eben nur, weil man das Spiel vorzeitig für alle beenden möchte, es einem selbst keinen Spass macht oder man seine Siegchancen nicht sieht oder längst verspielt hat. Das Spieldesign lässt das ausdrücklich zu. Schwierig, mit so einer Situation umzugehen, besonders wenn eben unterschiedliche Erwartungshaltungen aufeinander prallen und sich der Einzelne darauf zurückziehen kann "das Spiel erlaubt mir das und Ihr habt nicht ausreichend gegengesteuert, also mache ich das auch". Deshalb finde ich das Spiel in der Variante besser, die Einsatz für die Gemeinschaft belohnt und es dann an der Spielrunde liegt, ob die einen einzelnen Gegenspieler aufwiegen kann. Grenzt dann eher an ein soziales Experiment, das man aber mögen muss in seiner Metaebene.

    Ich gehe als Mitspieler einfach davon aus, dass alle anderen das Spiel im Rahmen des Regelwerkes spielen und nicht zum eigenen Vorteil herumfuddeln. Klar können Regelfehler immer mal passieren, wie da mal ein Kartentext falsch gedeutet oder eine Einmalfunktion übersehen und schon spielt man nicht mehr regelgerecht. Passiert mir auch (erst letztens wieder bei Wettlauf nach El Dorado, aber erst später bemerkt, mein zweiter Spielsieg gilt also nicht!). Wenn das direkt auffällt, einfach ansprechen und gemeinsam kurz besprechen, wie man das korrigieren kann und gut ist.


    Daneben gibt es dann noch Spiele, die viel Spielraum für die Ausführung des eigenen Spielzuges lassen. So gibt zum Beispiel "Tempel des Schreckens" nicht haarklein vor, was und wie und für und gegen wen man seinen Spielzug kommentieren und seine Überlegungen äussern darf und sollte. Da liegt es dann an der Spielrunde, wie sich das entwickelt. Zu mundfaul wird das Spiel für mich schnell langweilig, aber zu ausufernd wird auf Dauer ebenso penetrant nervig, weil zu langatmig für den gebotenen Spielreiz. Das pendelt sich aber alles im Laufe einer Partie ein und wenn man merkt, dass so ein Spiel dann aufgrund der überwiegenden Spielweise der Mitspieler einem selbst nicht gefällt, kann man das ansprechen und lieber keine Revanche vorschlagen.


    Am Ende sollte jeder eine gut empfundene Zeit verbracht haben. Da das aber auch arg unterschiedlich empfunden wird mit ganz unterschiedlichen Erwartungshaltungen von "ich brauche Zeit für meinen Spielzug, damit mir ein Spiel gefällt" über "ich mag aber nicht auf Mitspielerzüge warten" bis "eigentlich ist mir das Spiel egal, bin nur wegen der Geselligkeit hier" und mehr einhergeht, sollte man eben immer sehen, dass man da in der Gruppe einen gemeinsamen Nenner findet, mit dem alle zufrieden sein können. Entweder spielt sich das ein oder man muss es vorwurfsfrei ansprechen. Ein "richtig" oder "falsch" sehe ich deshalb da nicht.