Nachdem ich zufällig bemerkt habe, dass es ein Twilight-Inscription-Modul auf dem TTS gibt, habe ich mich heute mal an eine Solo-Partie gewagt, um zu testen, was ich mir da mal bestellt habe.
Hui!
Also, das Spiel gefällt mir außerordentlich gut. Ist es ein Twilight Imperium? Keine Ahnung, ich habe bisher nur Eclipse gespielt. Aber vermutlich lautet die Antwort eher "Nein".
Ist es ein waschechtes und komplexes Fliproll & Write? Absolut! Das Spiel ist tatsächlich eines der epischsten "&-Write"-Spiele, die ich bisher kennengelernt habe, und meine Solopartie dauerte (auch wegen der etwas sperrigen Bedienung) gute 2 Stunden NACH der Regellektüre. Das ist also was Abendfüllendes.
Im Mehrspieler stelle ich mir das Spiel wirklich spannend vor. Sowohl die Rats-Ereignisse als auch die Kriege bieten durchaus Potential für Spannung. Das Interessante dabei, zumindest schätze ich MICH so ein: Selbst wenn einen eine Niederlage im Krieg nicht so juckt, weil sie "nur" einen Minuspunkt bringt, gönnt man seinem Gegner die saftige Belohnung nicht. Motivation durch Missgunst quasi.
Solo fällt dieser Aspekt weg, weil die AI (die auch bei zwei Spielern ins Feld geführt wird) keine Punkte sammelt, sondern die oder den Spieler lediglich behindert - bei Kriegsereignissen verliert man die Belohnung (und bekommt besagten Minuspunkt), bei Rats-Ereignissen liegen ein positives und ein negatives Ergebnis aus. Bietet man mehr Stimmen als die AI (deren Wert noch durch einen Würfelwurf beeinflusst wird, sodass man nicht im Voraus weiß, wie viele Stimmen sie setzt), erhält man eine (teilweise recht deftige!) Strafe. Bietet man mehr Stimmen, gibt es eine dicke Belohnung.
Von diesen Aspekten abgesehen verläuft das Spiel ohnehin eher solitär. (Nachtrag: Es gibt noch ein Wettrennen um die Achievements, die einem mehr Punkte bringen, wenn man sie als erstes erfüllt, auch hier mischt die AI mit.)
Von daher spielt sich Twilight Inscription solo größtenteils wie alle anderen Roll & Writes: Man will so viele Punkte wie möglich machen. Die drei Aspekte, bei denen man mit anderen Spielern konkurriert, werden von der AI, nun, ich sag mal "okay" übernommen. Sie ist super einfach abzuhandeln, am Ende bestimmen aber die Würfel, ob und was die AI aufrüstet, es ist daher rein zufällig, man kann also nur bedingt planen oder gegensteuern.
Trotzdem macht das Spiel mir wirklich einen riesen Spaß. Anfang ist man schier erschlagen, weil man nirgendwo so richtig was machen kann, und man hat ständig das Gefühl, nicht voranzukommen. Im Mittelteil kommt plötzlich Fahrt rein - jetzt wird es wichtiger, zielgerichtet auf konkrete Symbole zu spielen, die man braucht, um bestimmte Fähigkeiten freizuschalten, oder die süßen Extrawürfel, oder einfach genug Stimmen, damit man in den Rats-Events nicht unter die Räder kommt. Und auf einmal merkt man, dass es einem irgendwie überall an etwas fehlt - zu wenig Schlagkraft für den nächsten Krieg, nicht genug Stimmen für den Rat, man braucht noch 4 Systeme und 5 Produktionsgüter, um die hohen Punktebelohnungen freizuschalten, der Gegner hat beim Rennen um die Achievements die Nase vorn, und die eigenen Planeten müssen auch noch entwickelt werden - und dann kommt entweder die völlig falsche Karte, oder man würfelt nur Ressourcen, die man nicht mehr sinnvoll nutzen kann, und muss sich was einfallen lassen.
Im Endspiel, wenn der Kartenstapel (jede Runde wird eine Karte geflippt, die entscheidet, was für ein Event diese Runde stattfindet, insgesamt maximal 25 Karten) viel zu schnell schrumpft, und man merkt, dass man noch viel zu viel tun will, wird plötzlich jede noch so kleine Ressource immens wichtig, und es zeigt sich, ob man gut (genug) geplant hat, denn natürlich weiten sich mit dem Spiel auch die eigenen Möglichkeiten, Abkürzungen, Kettenaktionen und Zugriff auf Ressourcen. Das Gefühl eines anfangs kleinen und dann immer größer und reicher werdenden Imperiums kommt also durchaus rüber.
Fazit: Als Fliproll & Write ist Twilight Inscription ganz großes Kino und ich freue mich auf meine Vorbestellung.
Als "reiner" Solotitel ist das Spiel "okay". Da gibt es vermutlich bessere. Die Spielzeit ist lang, dafür Aufwand und Verwaltung sehr gering, und auch Solo kommt durchaus Spannung auf. Ich weiß halt nicht, über wie viele Partien der Titel solo trägt, denn man merkt ihm an, dass er einfach von der Wurzel an als Mehrspielertitel konzipiert wurde, und das kann am Ende keine AI ersetzen. Und der Titel bietet reichlich Potential für Trashtalk am Tisch, der fehlt dann auch, außer man flucht mit den vermaledeiten Würfeln.
Zwei mögliche Kritikpunkte: Gerade in der zweiten Spielhälfte sehe ich hier einiges an Potential dafür, dass einzelne Spieler wirklich LANGE für ihre Strategy-Events brauchen, einfach, weil so viel geschieht, und eben jedes Kreuz und jeder Strich und jede Ressource mit Bedacht genutzt werden will. Das kann also dauern.
Und gerade in den ersten Partien sind Spielfehler bei größeren Spielgruppen fast unvermeidlich - ich halte es für fast unmöglich, als Spielerklärer hier die Tableaus aller Spieler mit im Auge zu behalten um helfend einzugreifen, wenn jemand einen Fehler macht, dadurch werden die anderen doch spürbar auf sich allein gestellt bleiben, und man macht hier anfangs wirklich schnell mal einen Fehler. (Mein liebster, der mir immer wieder unterlaufen ist: Mir einen der bunten Fokuswürfel in einer Abteilung zusprechen, in der ich ihn noch gar nicht freigeschaltet habe. Und wenn man das erst nach einem dicken Kettenzug merkt, ist das schwer wieder rückgängig zu machen.)
Egal wie: Schönes Spiel, ich freue mich drauf.