Kraftwagen: Das bessere Glen More

  • Am Sonntag der Ratinger Spieletage hatte ich die Chance, das neue Werk von Matthias Cramer spielen zu können. Kraftwagen ist ein gehobenes Familienspiel für 2 bis 4 Autobauer, die für knapp 90 Minuten die indirekte Interaktion mit etlichen konfrontativen Elementen suchen. Gutes Kennerspiel-Niveau und damit in einer ganz anderen Liga im Vergleich zu Automobile oder gar Kanban. Stattdessen ein mittelkomplexes Erlebnis mit genau der richtigen Denktiefe, ohne zu verkopft oder gar kompliziert zu werden.


    Für mich persönlich ist es das bessere Glen More. Einmal weil es mich thematisch mehr anspricht und zudem seine Mechanismen auf den Punkt bringt. Da glänzt kein unnötiger Chrome, da gibt es keine umständlich zu verstehenden Sonderplättchen. Zum anderen, weil es sich besser präsentiert, schon alleine weil es nicht auf Kleinstgrösse geschrumpft wurde wie eben Glen More. Gemeinsam mit Glen More hat es den Aktionsmechanismus: Wer hinten dran liegt, ist am Zug und hat die freie Auswahl an den vor ihm liegenden Aktionen. Allerdings muss er mit seiner nächsten Aktion so lange warten, bis er wieder von allen Mitspielern überholt wurde. So entsteht ein ständiges Abwägen, wie viele Aktionssteine man wirklich überspringen soll, um eine vermeintlich stärkere oder passendere Aktion (teils auch mit mehreren Aktionen pro Aktionsstein) zu machen, aber zeitgleich längere Zeit nicht zum Zuge zu kommen.


    Dabei dreht sich alles um die Anfangstage des Automobilbaus in Deutschland und Europa. Wir sind Autobauer, wobei so ein Bolide vereinfacht aus einer Karosserie und einem Motor besteht. Durch Forschungs-Aktionen können wir potentiell bessere Motoren und ebenso bessere Karosserien bauen. Diese Motoren und Karosserien müssen wir dann aber auch erstmal bauen, was weitere Aktionen kostet und zudem Platz in unserer Werkhalle wegnimmt. Da so eine Forschung nicht von alleine geht, braucht es Personal und das können wir über eine andere Aktion unserem Vorrat eingliedern. Wer sich auf diverse Aktionen konzentriert, kann Bonus-Siegpuntplättchen abräumen. So wird der erste Motorenbauer der Stufe X (hallo Erinnerungslücke!) belohnt oder eben der, wer zuerst drei Ingenieure über Forschungsaktionen angeheuert hat.


    Die eingelagerten Karosserien und Motoren können am Ende der eigenen Aktion in den Verkaufsraum gestellt werden. Dazu braucht es dann wieder Personal und man bestimmt den Verkaufspreis. Mehr Personal bedeutet mehr Prestige beim Verkauf und ein höherer Preis schlägt sich direkt in mehr Siegpunkte nieder. Könnte so einfach sein das Autobauer-Leben. Ist es aber nicht, weil zwar sechs Autos in dem gemeinsamen Verkaufsraum Platz finden, dem gegenüber aber nur vier Käufer stehen. Zwei Autos werden also unverkauft verschrottet werden.


    Welche Autor verkauft werden, bestimmen die Vorlieben der Verkäufer. Da gibt es welche, die nur auf die besten Motoren schauen, anderen hingegen wieder auf die beste Karosserie, auf den niedrigsten Preis oder den grössten Prestige. Und welche in der aktuellen Runde ins Spiel kommen, das bestimmen wir Spieler selbst, eben durch Käufer-Aktionen. Da nützt einem das beste Prestige-Auto nichts im Verkaufsraum, wenn es keinen passenden Käufer dazu gibt und dafür werden die lieben Mitspieler schon sorgen. Da Gleichstände zudem über den niedrigeren Verkaufspreis entschieden werden, sollte man auch bei der Verkaufspreis-Entscheidung nicht zu gierig werden, sofern man Konkurrent auf dem selben Niveau fürchtet. Wer hingegen mehr forscht und besser wird, kann nicht zeitgleich Autos bauen und ausstellen.


    Nebenbei kann man Rennen fahren und so Siegpunkte einfahren. Dazu gibt es auch eine Aktion und wie weit man auf der Rennstrecke voranschreiten darf, entscheidet sich durch den eigenen Rennmotor. Wer den nicht zeitig aufrüstet, tuckert nur sehr langsam und schafft eventuell sogar nicht einmal eine oder weitere Runden, die Bonuspunkte versprechen. Da man fortschrittliche Motoren allerdings erst erforschen und dann bauen muss und die eigentlich auch für den Verkauf benötigt, haben wir einen lupenreinen Interessenskonflikt und verschiedene strategische Möglichkeiten, in direkter Konkurrenz zu den Mitspielern, seine Siegpunkte einzufahren.


    Schön finde ich, dass wir selbst das Rundenende im Griff haben. Insgesamt werden drei Runden gespielt und eine davon ist zu Ende, wenn entweder alle sechs Automobilplätze des gemeinsamen Verkaufsraumes gefüllt sind oder alle vier Verkäufer plus x weitere Verkäuferaktionen gewählt wurden. Da kann man mächtig aufs Tempo drücken, während die Mitspieler eher langfristige Aufbau-Forschungspläne verfolgen und man selbst den Verkaufsraum mit minderwertigen Boliden flutet. Das richtige Timing zu finden und den Mitspielern keine Aktions-Geschenke zu machen, ist eine Herausforderung für sich. Denn eine optimale Aktion scheint nur die zu sein, die einem selbst nützt, aber ebenso die Möglichkeiten der Mitspieler minimiert mit mir in direkter Konkurrenz zu treten - sei es um Bonusplättchen, um Platz im Verkaufsraum, bei passenden Käufern oder auf der Rennstrecke.


    Unsere Dreierpartie war zügig gespielt, da kaum Warte-Denk-Pausen entstehen und es baute sich ein enormer Spannungsbogen auf, wer es wie noch schaffen wird, seine Mitspieler zu übertrumpfen oder auszustechen. Kraftwagen kann man dabei schön konfrontativ und fernab lieb und nett spielen, wobei es zum Glück keine Aktionen gibt, die nur den MItspielern schaden, sondern in erster Linie denkt man dabei an sich. Königsmacher-Effekte habe ich keine gesehen und niemand musste sich "opfern", nur um die Anderen auszubremsen.


    Mir hat Kraftwagen so gut gefallen, dass ich es mir gleich direkt bei Spielworxx vorbestellen werde - die verlangten 35 Euro inklusive Versand empfinde ich mehr als angemessen für das Gebotene. Wer sich für das Thema begeistern kann und zudem ein zugängliches wie indirekt-interaktives Konkurrenz-Spiel auf Kennerspiel-Niveau sucht, sollte ebenfalls zuschlagen. Kraftwagen ist allerdings kein zweites Kanban und auch nicht auf dem Denktiefen-Niveau von Arkwright in der Waterframe-Version - und genau das ist auch gut so. Ich freue mich auf kommende Partien, wenn es dann in x Wochen ausgeliefert wird.


    Cu / Ralf


    PS: Ich hätte diesen Beitrag auch als PEEP auf spielbox online stellen können, habe ich aber nicht, ganz bewusst nicht.

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  • Nicht hauen: TL;DR - nur überflogen.


    Die Erwähnung von Glen More im Titel hat mich aufmerksam gemacht. Leider sagt mir das Thema vom neuen Spiel überhaupt nicht zu, im Gegensatz zu Glen More. Außerdem ist mir der Preis für einen Blindkauf zu teuer. Aber wenn ich das mal gespielt sehe, dann werde ich mir das mal dank dieser Info interessiert ansehen, danke für den Bericht.

  • Absolut kein Problem damit. Blindkauf empfehle ich nur denjenigen, die vorab keine Möglichkeit haben, das Spiel zu spielen und zudem von sich wissen, dass sie selbst genau auf meiner Wellenlänge der Brettspielvorlieben dieses Genres liegen - hallo Ingo! Bei dem geringsten Zweifel, ob Thema oder Preis oder Mechanismen, rate ich dringendst zum Testspiel. Eben weil das hier nur meine ganz subjektive Meinung ist und völlig von Euren Spielrunden-Erfahrungen abweichen kann.


    Pantheon und Russian Railroads finde ich beispielsweise super, kenne aber auch einige bzw genau einen, die/der mit den Spielen so garnix anfangen können, obwohl wir ansonsten ziemliche deckungsgleiche Spielergeschmäcker haben.


    Das letzte Mal, dass ich von einem Spiel so überzeugt war nach nur einer Partie, war Viticulture in der Deluxe-Version und diese Meinung hat sich nach x Partien weiterhin bestätigt. Für Arkwright konnte ich mich ebenso begeistern, auch weiterhin.

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  • Die Aussage "das bessere Glen More" verstehe ich nicht. Meiner Ansicht nach kann man die Spiele nicht vergleichen, nur weil sie einen ähnlichen Antriebsmotor haben (um mal thematisch zu argumentieren). Das, was mit diesem Motor gesteuert wird (und auch wie) ist ein komplett anderes Spiel... Wenn auch ein richtig Gutes...

  • Bezieht sich eher darauf, dass Uli und Matthias meinten, dass er an Kraftwagen noch vor Glen More gearbeitet hat und somit der Grundmechanismus in Glen More zweitverwendet wurde, obwohl das dann sehr viel eher veröffentlicht wurde. Und genau diese Einbindung des Grundmechanismus gefällt mir persönlich in Kraftwagen weitaus besser - von mir verkürzt dargestellt als "das bessere Glen More", weil man den Mechanismus eben von Glen More kennt und darauf gut aufbauen kann, wie anders und besser Kraftwagen ist.


    Viel zu lange Erklärung, oder? Und somit eine eher schwache Headline von mir.

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  • Ist ja auch ne schmissige These... Da kann man gleich diskutieren. :)


    Für mich hinkt das trotzdem. Ja, der Aktionsmechnismus ähnelt dem Plättchen-Verteilungsmechanismus aus Glen More. Klare Sache. Aber, wie gesagt, der Rest des Spiels ist komplett anders.


    Das führt eben auf eine falsche Fährte. Und Kraftwagen braucht sich hinter Glen More ja auch nicht verstecken.


    Freue mich schon sehr auf das fertige Kraftwagen. Als Proto hab ich es ja in vielen Entwicklungsstadien gespielt. Freue mich auf die tollen Illus!

  • Ich mag den Mechanismus nicht besonders. Lignum hat den ja auch, aber mit der Weiterentwicklung, dass auch wenn man von weiter vorne was nimmt, man im Uhrzeigersinn spielt und somit nicht mit Zwangsspielpause bestraft wird. Wir haben Glen Moore damals mal zu 5. gespielt und es war leider ein schlechtes Erlebnis. Ich kann mir vorstellen, dass es zu dritt etwas besser ist. Ich glaube, dass es nicht zufällig ist, dass Patchwork diesen Mechanismus verwendet aber ein reines 2er Spiel ist.

  • Mal etwas Historie, um den Erfindern dieser Mechanismen die notwendige Ehre zu erweisen: Bei #Lignum wird ganz klassisch reihum im Uhrzeigersinn gespielt und dabei auf einer Strecke vorwärts gezogen. Beliebig weit, aber immer nur vorwärts. Sowas ist mir das erste mal bei #Egizia vom italienischen Autorenteam Acchittocca (2009, HiG) begegnet. In neuerer Zeit auch mehrfach aufgegriffen, a.u. von Francis Drake.


    Das wirklich innovative "es zieht immer der, der am weitesten hinten steht, ggf. auch mehrfach hintereinander", also unter völliger Aufgabe des abwechselnden Ziehens im Uhrzeigersinn, hat auch nicht Matthias Cramer mit #GlenMore (2010, Alea) erfunden, das hat er bei Peter Prinz geklaut, in dessen Jenseits von Theben #JenseitsVonTheben (2007, Queen; EDIT: Vorläufer davon 2004 im Eigenverlag) es mir zuerst begegnet ist.


    Wer ältere Verwendungen dieser Mechanismen kennt, möge sich melden...

    Einmal editiert, zuletzt von MetalPirate () aus folgendem Grund: Hinweis von @Kermeur bei BGG gecheckt und eingearbeitet

  • Ich fand den Glen More - Mechanismus (wenn wir mal davon sprechen) am Besten umgesetzt in "Die Werft". Aber das war sehr kopflastig, und wohl nicht jedermanns Geschmack. Mit Glen More und Werft hab ich aber genug Spiele damit - und beides solche, die mir vom Thema her wesentlich eher liegen.


    Schaue ich mir das Thema von Kraftwagen an, dann muss ich sagen, dass mir sowohl Kanban als auch Automobile interessanter erscheinen. Diese beiden besitze ich, von Kraftwagen kenne ich aber bisher nur die Regel. Vom Anspruch her aber interessiert es mich schon eher nicht, und weder Thema noch generelle Mechanismen-Kombination sind etwas, das mich bei dem Spiel vom Hocker haut...


    Neuland (2004) verwendete bereits die Mechanik des "Wer hinten liegt, ist so lange dran, bis ein anderer hinten liegt", jedoch ohne Plättchen-Nahme o.Ä.

    Wer Smilies nutzt, um Ironie zu verdeutlichen, nimmt Anderen den Spaß, sich zu irren.

    Über den Narr wird nur so lange gelacht, bis man selbst Ziel seiner Zunge wird!

    :jester:

  • Meines Wissens nach hat diesen (ziemlich guten) Mechanismus Peter Prinz mit Jenseits von Theben entwickelt, welches 2004 erschien (und danach nochmals als Neuauflage bei Queen Games 2007).


    Am Besten gefällt mir der Mechanismus bei Tinners Trail.

  • Das wirklich innovative "es zieht immer der, der am weitesten hinten steht, ggf. auch mehrfach hintereinander", also unter völliger Aufgabe des abwechselnden Ziehens im Uhrzeigersinn, hat auch nicht Matthias Cramer mit #GlenMore (2010, Alea) erfunden, das hat er bei Peter Prinz geklaut, in dessen Jenseits von Theben #JenseitsVonTheben (2007, Queen) es mir zuerst begegnet ist.

    Unabhängig davon in welchem Spiel ein Mechanismus das erste Mal verwendet wurde (vgl. @Dumons letzten Satz), sollte man mit dieser Wortwahl sehr vorsichtig sein, wenn man keine entsprechenden Belege hat. Selbst wenn Jahre zwischen den Veröffentlichungen liegen, heißt das nicht notwendigerweise, dass der Autor des später veröffentlichten Spiels Ideen oder Mechanismen vom älteren Spiel "geklaut" hat.

  • Martin Wallace, schreibt explizit, dass er den Machanismus bei Prinz "abgekupfert" hat.

    Martin Wallace? Meintest du Matthias Cramer? Dann bitte direkt entsprechende Quellen angeben.

  • Statt klauen empfehlen sich allgemein Worte wie wiederverwendet, aufgegriffen, verfeinert, neu belebt, ...


    Beethoven hat doch auch nicht bei Haydn geklaut.

    Gruß aus dem Münsterland
    Herbert

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  • Martin Wallace? Meintest du Matthias Cramer? Dann bitte direkt entsprechende Quellen angeben.

    Ich bezog mich auf meinen Kommentar, zu Spielen die diesen Mechanismus verwenden, wo ich Tinners Trail genannt habe, welches bekanntermaßen von Martin Wallace ist, der auf der vorletzten Seite der Anleitung obiges schreibt.

  • Quelle: Game Designer Interview: Matthias Cramer « MeepleTown


    Frage: What other games and designers influence you? What current games impress you?


    Antwort Matthias Cramer: Like many other game designers I take a closer look at the BoardGameGeek top 100 games, because there are also a lot of games that I like to play. Many of these games are not only interesting because of their mechanics; they are also interesting because of the way and the intensity of how these mechanics are implemented. I also like games where the mechanics strongly support the aspect of storytelling.
    The games of Tobias Stapelfeld (Neuland, Space Dealer) and Peter Prinz (Thebes) especially had an impact on my work, because they deal with time as a gaming resource in different ways. Glen More has a relation to these games and I am still researching in that area.



    Ich habe von Cramer: Glen More, Helvetia, Lancaster (mit Erweiterungen) und Rokoko. Für mich ist er der Meister des BGG-Top-200-Mechanismen-MashUps. Alles gute Spiele, aber null-komma-null innovativ, sondern nur gut zusammengeklaut. Gut geklaut ist zwar besser als schlecht erfunden, aber durch den begrenzten Platz in meinem Spieleschrank versuche ich, in Zukunft mehr Wert auf Originalität und die wirklich besonderen Spiele zu legen. Das schafft Cramer IMHO eher selten und deshalb unterliegt bei mir "Kraftwagen" trotz des guten Berichts von Ravn zunächst mal einer gewissen Matthias-Cramer-Skepsis.

  • @MetalPirate Danke für die Mühe :) Das Zitat zeigt wunderbar, wie Recht @Herbert doch hat. "had an impact on my work" und "Glen More has a relation to these games" tiptoe-n ja geradezu herrlich um den von dir verwendeten Ausdruck herum ;)


    Um noch Martin Wallace's Zitat im Original nachzuliefern: "The other mechanism I’ve ‘nicked’ is the time system, which I took from Peter Prinz’s Jenseits von Theben." Das deutsche "abgekupfert" passte wohl zu gut zum Thema ;)

    Einmal editiert, zuletzt von yzemaze ()

  • Wenn man's im Zweifelsfall mit etwas suchen belegen kann, darf man's auch so direkt aussprechen, wie's ist. ;)


    Das "geklaut" war vielleicht etwas flapsig daher gesagt, aber immer in dem Sinne gemeint, wie es @Herbert mit seinem "Beethoven hat doch auch nicht bei Haydn geklaut" schön verdeutlicht hat. Immerhin nennt Cramer seine Inspirationsquellen auch beim Namen. Es gibt noch viel mehr Designer, die sich von anderne "inspirieren" lassen, ohne es so klar zu benennen.

  • Wenn man's im Zweifelsfall mit etwas suchen belegen kann, darf man's auch so direkt aussprechen, wie's ist.

    Klar. Aber wenn du weißt, dass es eine entsprechende Quelle gibt, wäre der direkte Verweis darauf oder ein Hinweis auf dein Wissen darum, nicht verkehrt ;)


    Einen deutlich offeneren Umgang mit den Selbstverständlichkeiten der Branche (also u. a. der Inspiration durch "fremde" Werke) würde ich auch begrüßen. Wobei man bei genauerem Hinschauen etliche Beispiele finden wird, bei denen entsprechend respektvoll miteinander umgegangen wurde ("Wir danken Autor X und Verlag Y für die Erlaubnis zur Verwendung des Mechanismus Z aus Spiel A.")

  • Das mag ich eben bei Wallace. Er nennt explizit, welche Mechanismen in inspiriert haben, wie er zum Thema kam und wie er Thema mit Mechanismen verbindet.


    Und englisch "nick" heißt ja unter anderem "klauen", was wir mit "abkupfern" bezeichnen, nur eben nett ausgedrückt.

  • Ich klaue kaufe dem Uli eines ab!

    Gruß aus dem Münsterland
    Herbert

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  • Ich möchte hier noch etwas einfügen, da ich mich mit der Sache ein wenig intensiver beschäftigt habe.


    Grundsätzlich finde ich es nicht schlimm, wenn man Spielemechaniken nimmt und sie "in etwas Eigenes" verwandelt. Ganz im Gegenteil. Es ist doch eine Ehre für den zitierten Erfinder der Mechaniken.


    Ob man das jetzt erwähnen muss oder nicht? Da stehe ich persönlich auf der Seite, dass ich das gerne machen möchte. Ich lasse mich bei anderen Autoren "inspirieren". Und zwar, weil ich das toll finde, was die gemacht haben. Und zwar so toll, dass ich meinen Teil dazu beitragen möchte. Dazu finde ich persönlich, dass die Ehre dem ursprünglichen Erfinder gilt. Trotzdem sollte die Mechanik natürlich so angewendet sein, dass sie in einem neuen Werk stattfindet.


    Aber: Ich finde nicht, dass man das machen muss. Ganz und gar nicht. Ich ziehe einen Vergleich zur Musik, den ich passend finde:


    Nur, weil ich auf Rock-Musik stehe, höre ich ja nicht nur Beatles und Stones. Nur, weil ich Punk mag, hör ich nicht nur die Sex Pistols. Und alle Bands, die danach kamen und auch Rock oder Punk gespielt haben, haben ja nicht geklaut. Sie haben das weitergetragen, was andere geformt haben. Teilweise sogar um ein Vielfaches besser als die Erfinder. Aber so was liegt meist im Auge des Betrachters (oder Hörers). Klar gab es dann auch Bands, die wirklich abgekupfert haben. Und meist sind sie dann auch mit Verachtung gestraft worden, wie es sich gehört.


    Die Bands schreiben aber ja auch nicht alle in ihre Booklets: "Wir haben uns von dem und jenem beeinflussen lassen, hot shit!" In der Musikszene ist es total normal, dass man Musik aufgreift und auch so was macht. In Interviews werden die Bands dann oft nach ihren Einflüssen gefragt und, wenn sie Eier haben, dann antworten sie auch brav. Oft ist es auch dort so, dass Vorbilder hochgelobt werden.


    Spannen wir den Bogen jetzt zurück zu den Spielen. Kein Autor muss sich artig bei seinen Inspirationsquellen bedanken. Solange er nicht dreist das ganze Spiel klaut, sondern ein eigenes Werk schafft. Ich persönlich finde es toll, wenn man es macht und im Fall von La Granja fand ich es toll, dass Spielworxx uns die Chance gab, das in der Anleitung auch so zu erwähnen. Ich bin in der Beziehung von Uwe Rosenberg beeinflusst. Ich hab viel von ihm gelernt und andersherum hat er mir auch viel beigebracht. Uwe macht das seit Agricola, dass er in den "Credits" einen kurzen Text zur Entstehung des Spiels schreibt - z.B. auch, woher er einige seiner Ideen hat - und sich hochachtungsvoll bei jedem einzelnen Testspieler bedankt. Ich war seit dem Erscheinen großer Agricola-Fan und habe Uwe dann bei den Arbeiten an Loyang kennengelernt und so nahm die Sache seinen Lauf. Ich fand das gut, wie Uwe das gemacht hat. Auch bei Martin Wallace war mir so etwas schon aufgefallen. Auch der schreibt am Ende seiner Regeln sogar recht lange Texte zum Spiel, meist gewürzt mit ein paar Spieltipps.


    So war es bei der Arbeit am "Bauernhof-Bauer" für mich völlig normal die Namen aller Tester zu notieren und auch die Autoren und deren Spiele aufzuschreiben, die mich beeinflusst haben.


    Wenn ich jetzt hier also lese, dass man nur noch originelle Spiele spielen wolle, so möchte ich antworten: Klar! Jeder nach seiner Fasson! Aber Originalität macht noch kein gutes Spiel! So manches Spiel mit "inspiriertem" Mechanismus ist weit besser als ein Spiel, in dem die Mechanik zuerst auftauchte. Natürlich ist eine originelle Mechanik auch ein Kriterium für die Bewertung eines Werkes. Aber warum sich beschränken? Es geht doch um gute Spiele! Ich für meinen Teil würde bsw. 10x lieber Tinners Trail oder noch mehr Glen More spielen als Jenseits von Theben. Und ich mag auch letzteres sehr gerne. Aus meiner Sicht sind die weitaus besseren Spiele aber die beiden erstgenannten.


    Und wenn ich lese, dass bestimmte Sachen "geklaut" sind, dann sollte man drüber nachdenken, ob sie nicht liebevoll zitiert sind?


    Und wenn ich lese, dass man (zurecht) begeistert davon ist, dass manche Autoren gern ihre Inspirationsquellen nennen, weil sie ja auch jene ehren wollen, ob der tollen Erfindung, die sie tätigten, dann finde ich es trotzdem befremdlich, wenn zwischen den Zeilen diejenigen, die das nicht machen, fast herabgewürdigt werden.


    So, mein etwas längerer Beitrag. Ich hoffe, ihr könnt damit was anfangen. Ein letztes noch:


    Liebe Verlage: Nehmt euch Platz in euren Regeln (oder Webseiten oder sonstirgendwo) und bedankt euch bei denen, ohne die ihr niemals Spiele auf den Markt bringen könntet: Die Testspieler. Das ist das Allermindeste, was man tun kann...

  • Und wenn ich lese, dass man (zurecht) begeistert davon ist, dass manche Autoren gern ihre Inspirationsquellen nennen, weil sie ja auch jene ehren wollen, ob der tollen Erfindung, die sie tätigten, dann finde ich es trotzdem befremdlich, wenn zwischen den Zeilen diejenigen, die das nicht machen, fast herabgewürdigt werden.


    Na ich hoffe du liest das nicht bei mir raus.


    Ich persönlich lese eben ganz gerne solche Designer Notes in Spielanleitungen, mir fällt aber auch nur Wallace ein der das macht.


    Edit: Odendahl und Keller habe das bei ihrem letzten Werk auch gemacht.

  • Ging es in diesem Thread nicht irgendwann mal einfach nur um das neue Spiel von spielworxx?

    Wer Smilies nutzt, um Ironie zu verdeutlichen, nimmt Anderen den Spaß, sich zu irren.

    Über den Narr wird nur so lange gelacht, bis man selbst Ziel seiner Zunge wird!

    :jester:

  • Ich persönlich lese eben ganz gerne solche Designer Notes in Spielanleitungen, mir fällt aber auch nur Wallace ein der das macht.

    Ich lese auch gerne Designer-Notes, und mir fallen eine Menge ein, die das machen - im CoSim-Bereich ist das seit jeher selbstverständlich.


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.

  • Ich habe die ganze Nebendiskussion (evtl. auslagern?) ja mit der kurzen Historie angezettelt, weil mich die Darstellung etwas gestört hat, dass Matthias Cramer "seinen" Glen More Mechanismus bei Kraftwagen neu aufpoliert habe. Ich finde schon, dass dabei nicht untergehen sollte, dass Peter Prinz diesen zentralen Mechanismus erfunden hat -- und genau das ist bis dahin in diesem Thread komplett untergegangen.



    So manches Spiel mit "inspiriertem" Mechanismus ist weit besser als ein Spiel, in dem die Mechanik zuerst auftauchte.

    Da gebe ich dir 100% recht. Aber meine Erfahrung, egal ob Spieledesign, Musik, oder was auch immer im künstlerischen Bereich, sagt, dass die besten paar Prozent aller Werke auch originell sind. Nach ganz oben kommt man nur mit Kreativität und Originalität, nicht mit Kopieren. Das ist auch mein Eindruck bei Cramer: alle vier Titel, die ich von ihm habe, sind wirklich gut, aber keinen davon würde ich ernsthaft in Erwägung ziehen, wenn mir jemand sagen würde: "deine Spielesammlung verbrennt in 5 Minuten, du hast nur Zeit, 10 Titel zu retten. Bis zum Niveau, das ein Rosenberg, Feld, Gerdts, Chvátil oder andere Designer in ihren guten Momenten erreichen, fehlt bei Cramer eben noch ein Stück.

  • Wir haben den Prototypen von "Kraftwagen" schon vor 2 Jahren in Ratingen getestet und dachten schon, dass es gar nicht mehr veröffentlicht wird.
    Matthias hatte uns seinerzeit auch gesagt, dass diese Spielidee älter ist als die von "Glenmore" und "Lancaster", der Kraftwagen aber bislang irgendwo auf der Strecke geblieben ist. Freut mich das es nun endlich geklappt hat!

  • Ohh, was habe ich da losgetreten :)


    Stimmt, Neuland und Jenseits von Theben (Eigenverlag) sind beide 2004 mit diesem Mechanismus erschienen. Bei Neuland war noch soviel rundherum, da fiel es wohl nicht so auf. Beide sind dann neu aufgelegt worden, JvT sogar bei einem anderen Verlag.


    Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Innovationen aufgfriffen und weiterentwickelt werden. Das ist der Lauf der Wissenschaft. Aber wie ich oben geschrieben habe, ich denke, dass dieser Mechanismus Schwächen hat, insbesondere bei vielen Spielern. Lieber zahle ich mehr Geld für eine wertvolle Sache als ich zahle mit einer Zwangsspielpause.

    Einmal editiert, zuletzt von fred ()

  • Ich frage wegen dieses Zitats von Uli Blennemann:


    "The game simply is not really outstanding with 2 or 5.



    I am working on a 2-player-variant which will be available via the website.



    Uli"


    Dann wird diese Variante wohl in der Anleitung sein.

  • Kraftwagen zu zweit: Nein, diese Variante ist nicht in der Anleitung.


    Matthias hat in kurzer Zeit mit nur sehr wenigen Zusatzregeln ein völlig funktionierendes 2-Personen-Spiel geschaffen, das sich zudem flott spielen lässt.


    Uli

  • Ich bin verwirrt. In der deutschen Regel zu Kraftwagen, als Download auf der spielworxx Webseite verfügbar, finde ich


    Zitat

    Ein Spiel von Matthias Cramer für 2-4 Spieler


    und dann im letzten Absatz:

    Gruß aus dem Münsterland
    Herbert

    ______________________________

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  • Herbert: Ich bezog mich auf den Spielehansel und seinen Bezug zu meinem BGG-Post. Auch in Nürnberg (siehe das Video) nannte ich noch 3-4 Spieler - damals (zum Zeitpunkt des Videos und BGG-Postings) ging ich lediglich von einer "Variante" aus, die recht gut funktioniert.


    Matthias hat jedoch in kürzester Zeit eine vollwertige 2-Personen-Regel gezaubert und mich überzeugt, diese ins Regelheft aufzunehmen. Funktioniert bestens und lässt sich bei 2 erfahrenen Spielern in 50-60 Minuten spielen.


    Uli