Hallo,
vor einigen Wochen trudelte der Kickstarter vom Spiel "Federation" ein. Eine Kampagne die so unaufgeregt und ruhig lief, wie man es wohl nur selten sieht. Keine Shipping- oder Produktionsprobleme, faire Versandkosten, kein Gejammer über erhöhte Preise o.ä., trotz der Produktion in China. Oktober 2022 war als Lieferdatum angegeben, am 10. September war es dann schon bei mir. Also schon von dieser Seite aus lief alles perfekt.
Das Thema ist zwar relativ banal (nur einer darf sich der "Federation" anschließend und hierfür muss das meiste "Prestige" in unterschiedlichen Bereichen gesammelt werden), stört aber auch nicht. Die Optik ist mit Sicherheit gewöhnungsbedürftig da sehr bunt, aber auch das wird im Laufe des Spiels zur Nebensache, sorgt aber wohl dafür, dass beim Blick auf das Board sich nicht jeder anschließend tiefer mit dem Spiel beschäftigen möchte. Ich möchte auch behaupten dass dies einer der Hauptgründe ist, warum der Kickstarter "nur" knapp 47.000 Euro erwirtschaftet hat mit gerade einmal 732 Backern (und ich hierzu im Forum auch gar keinen Thread gefunden habe).
Nun hatte ich tatsächlich die Chance das Spiel zu testen, wenn auch "nur" in einer 3er Partie. Ich gehe stark davon aus das es mit 4 Spielern noch besser ist. Aber was haben wir hier eigentlich für ein Spiel? Im Grunde ist "Federation" ein Worker Placement Spiel mit Ressourcenmanagement und dem Rennen um Siegpunkte. Der Kniff sind die Worker, welche man auf 2 Arten einsetzen und manipulieren kann und vor allem die hohe Interaktion, die unter anderem durch die unterschiedlichen Wertungen am Ende jeder Runde sowie natürlich am Spielende zustande kommt. Das Herzstück des Spielbretts bildet der sogenannte Senat mit insgesamt 18 Einsatzfeldern in 2 3x3 Rastern (linker und rechter Senatsflügel), von denen in Spielen mit 2 oder 3 Personen einige, wie man das kennt, abgedeckt sind. Nun nutzen wir diese Felder nicht nur, um unsere Aktionen auf den angrenzenden 5 Planeten durchzuführen oder weitere Senatsaktionen zu tätigen, sondern am Ende jeder Runde gibt es auch noch Wertungen in den einzelnen Reihen des Senats. Hinzu kommt noch eine Wertung für jeweils den linken oder den rechten Flügel, welches wiederum in einer anschließend Siegpunktwertung endet.
Unsere 4 Worker sind Scheiben, welche eine Wertigkeit haben (Standardmäßig 1 / 1 / 2 / 3) und diese Wertigkeiten haben Einfluss auf die Punkte in den Reihen sowie der jeweiligen Senatsseite. Ebenso lassen sich die Werte der Worker durch verschiedene Aktionen noch aufwerten, auch hierbei mit besonderen Kniffen. Z.B. verfügt jeder Spieler über einen D6 Würfel, welcher, wenn man ihn denn zum ersten Mal bekommt, über das Spiel immer weiter verbessert werden kann. Diesen Würfel kann man dann 1x pro Runde zusammen mit seinem Worker einsetzen um die Wertigkeit zu erhöhen. Allerdings kann man den Wert des Würfels durch Aktionen auch dann noch anpassen, wenn er schon mit dem Worker gespielt wurde. Was dazu führt das man immer wieder schauen muss und sich bzgl. der Wertung pro Reihe sowie pro Flügel nie zu 100% sicher sein kann. Auch Token, welche man anstelle des Aufdrucks auf die Worker legt, beeinflussen den Wert und auch etwaige Boni die man bekommt.
Wie schon erwähnt haben die Worker-Scheiben eine Vor- und Rückseite. Die Rückseite hat keine Wertigkeit sondern versorgt uns mit Missionen für unser persönliches Spielertablau sowie weiteren Boni. Und es beeinfluss durch die ausgespielte Spalte welches darüber liegende Projekt am Ende des Spiels gewertet wird. Das Spielertablau jedes Spieler verfügt ebenso wie der Senat über Aktionsfelder, diese müssen aber vorher freigeschalten werden. Somit lässt sich pro Runde, zu der eigentlich nur einen Aktion die man ausführen darf, jeweils noch eine Zusatzaktion durchführen. Aber dies ist natürlich wieder an Bedingungen geknüpft. In diesem Fall an vorhandene Raumschiffe, welche zu den Planeten (Einsatzfeldern) auf unserem Spielertablau fliegen um die Aktion zu triggern. Zumindest wenn diese vorher freigeschalten wurden und man auch hinfliegen darf, nämlich dafür "akkreditiert" wurde. Alles hängt zusammen...
Ich denke es ist erkennbar das sich hier unter der optisch etwas abschreckenden Haube ein extrem verzahntes, sehr interaktives und vor allem spaßiges Worker-Placement Spiel befindet, welches meiner Meinung nach seine absolute Berechtigung im Genre hat. In unserer Partie wurde schnell klar, dass man keinesfalls alles tun kann sondern sich auf bestimmte Bereiche beschränken muss. Ebenso ist man oft gezwungen sich anzupassen, wenn der Gegenspieler einem seinen geplanten Zug verbaut oder z.B. mehrere Spieler zusammenarbeiten, um eine bestimmte Wertung am Ende der Runde zu forcieren, weil Sie beide gerade auf dem zu wertenden Planeten weit voranschreiten.
Die Regeln sind nicht kompliziert, die Anleitung ist, vor allem aus der Sicht eines Kickstarterspiels, sehr gut und lässt nur minimale Fragen offen. Die Symbolsprache ist am Anfang, ähnlich wie das Spielbrett, etwas unübersichtlich, nach einigen Zügen wird aber vieles klarer und man erkennt die jeweiligen Verzahnungen und Bedingungen. Das Spiel ist, bis auf die Regeln in Englisch und Französisch sprachneutral. Die Schwierigkeit und auch die Anfälligkeit zur Downtime ergibt sich aus dem Abwägen und Überblicken der Möglichkeiten, welche man in seinem Zug hat, und der Effizienz, diese durchzubringen. Hier kann es durchaus zu Paralyse durch Analyse kommen.
Das Spielmaterial der, durchaus preisintensiven, 75 € Deluxe Version, ist ohne Schwächen und sehr durchdacht. Die Worker sind nicht mehr nur Token sondern kleine Poker-Chips und es gibt viele Holzteile, welche, genau wie die schönen Plastikressourcen, nicht in der Retail Version zu finden sein werden. Hinzu kommen noch ein paar Kickstarter-Exklusive Plättchen. Das Spielboard ist doppelseitig, mit jeweils unterschiedlichen Senats- und Produktionsanordnungen. Double-Layer Boards, welche absolut plan liegen, sind auch dabei. Eine, meiner Meinung nach, sehr gute Regelzusammenfassung von gerade einmal 13 Minuten gibt es auf der Kickstarter Seite.
Ich empfehle jedem, der an anspruchsvollem Worker Placement mit hoher Interaktion Interesse hat, sich das Spiel näher anzuschauen und ggf. in Essen zuzuschlagen.
Viele Grüße, Thomas
. Richtiges Brett, und trotz Punktesalat eskaliert es nicht ganz so wie z.B. 
