Als ebenfalls großer Fan vieler zutiefst unterschiedlicher SciFi- als auch Fantasyzyklen (von Philip Jose Farmer und Stanislaw Lem bis Anthony Ryan und Brandon Sanderson) habe ich „Wheel of Time“ erstmals gelesen, als gerade der vierte Band in den USA erschienen war, ASoIaF folgte kurze Zeit später.
Bei beiden Serien war ich echt enttäuscht, was aus den Büchern gemacht wurde und welche Logiklöcher sich in den Serien auftaten - bei Martin ging das wenigstens erst ab der Staffel los, als keine vollständige Romanvorlage mehr verfügbar war, bei Jordan bereits in der ersten Folge… 😢
Ich starte mal ein neues Thema, weil ich wirklich daran interessiert bin, die Kritikpunkte detaillierter zu verstehen und ich den Serien-Thread nicht mit andauernden Diskussionen zuspammen möchte. Ich möchte hier im Thread keine Spoiler setzen - ich gehe davon aus, dass Ihr mindestens die 1. Staffel gesehen, vielleicht auch ein paar der Bücher gelesen habt, wenn Ihr hier lest.
Meine Bitte: Konkretisiere doch bitte Deine Kritikpunkte. Wo siehst Du Logiklöcher schon in Folge 1, wo eine schwache Buch-Serie-Übersetzung?
Meine Perspektive bislang: Nahezu alle inhaltlichen Kritikpunkte lassen sich aus meiner Sicht auf unvermeidliche Zwänge in der Adaption zurückführen, die jeden Showrunner gleichermaßen zum Finden von Antworten zwingen.
1. Sieben Hauptfiguren in Staffel 1 statt nur eine Perspektive in Buch 1 (bis auf den relativ kurzen Abschnitt mit Perrin und Egwene bei Wölfen und Tinkers mittendrin). Im Buch nimmt man weitestgehend nur das wahr, was Rand erlebt; die anderen Figuren sind über weite Strecken abwesend oder inaktiv (Mat im Dolch-Düsterkoma verbringt weite Teile des Buches damit, sich stumm und finster durch die Gegend zu schleppen; im Finale stehen Mat, Perrin, Egwene und Nynaeve faktisch unbeteiligt herum, während sich alles nur auf Rand fokussiert). Das wäre für eine Serie undenkbar, hier müssen Rand, Mat, Perrin, Egwene, Nynaeve, Moraine und Lan gleichermaßen zu Geltung kommen und etwas zu tun haben, damit man sich für sie interessiert. Daraus folgt zwingend, dass Dinge gezeigt werden müssen, die im Buch allenfalls erwähnt werden oder gar nicht in der Form stattfinden. Daher ist bspw. notwendig, den Troll-Angriff aufs Dorf zu zeigen.
2. Zwang zur Kompression und Verdichtung. Mit großem Glück kann eine Serie heute mit 8 Staffeln à ca. 8 Folgen rechnen. Das sind also in etwa 64 Stunden für die Umsetzung von über 12.000 Seiten Vorlagenmaterial. Also knapp 200 Seiten pro Folge. Das ist immens viel und kann nur funktionieren, wenn bestimmte Dinge vereinfacht und verdichtet werden. D.h. bestimmte Handlungsstränge werden dran glauben müssen, und es gibt auch nicht wirklich Raum für komplexe Erklärungen. Also mehr als 3 ta'varen, da das einfacher erklärt ist als Egwene umständlich eine (schwache) Motivation der ungestillten Abenteuerlust mitgeben zu müssen, um ihr Aufbrechen zusammen mit den anderen zu initiieren. Eine traumatische Erfahrung für Perrin mit seiner Axt, weil damit binnen weniger Sekunden dauerhaft sein zwiespältiges Verhältnis zur Waffe klar wird und zugleich alle künftigen Schwierigkeiten mit Faile aus seiner Perspektive fundiert werden. Aginor und Balthamel erfordern umfangreiche Erklärungen für wenig handlungstechnischen Mehrwert. Staffel 2 kombiniert Handlungsstränge der Bücher 2 und 3. Und so weiter.
3. Kosten. Insbesondere bezogen auf das Location Design. Buch 1 ist faktisch ein Road Trip, von einer Stadt zur anderen, in jeder passiert ein bisschen was. Hier jeweils das Geld in die Hand zu nehmen für das Designen von Städten (auch wenn große Teile davon dann nur am Rechner entstehen) und Sets, die niemals oder erst 6 Staffeln später nochmal zum Einsatz kommen können, lässt das Geld dann an anderer Stelle fehlen. Auch hier ein rein praktisches Problem.
4. Bindung des Recurring Cast. Ebenfalls aus einer Kostenperspektive entsteht die Thematik, dass es für eine Serie schwierig ist, frühzeitig jemanden zu casten, der dann aber erst 2 Jahre später dauerhaft auftaucht und zwischenzeitlich nicht gebraucht wird. Denn das heißt, für die Zwischenzeit entweder die Person bezahlen, ohne dass sie zum Einsatz kommt, oder aber riskieren, dass er oder sie in anderen Projekten gebunden ist, wenn die Figur dann wieder auftaucht. Insofern aus praktischen Gründen voll nachvollziehbar, Elayne auf Staffel 2 zu verschieben.
5. Vermeidung von Kopien. Ein Element wie den grünen Mann (Tree Friend) kann man nach den Herr der Ringe-Filmen aus meiner Sicht nicht mehr guten Gewissens in Film oder Serie auftauchen lassen, da er als reines Derivat wahrgenommen würde.
Vielleicht lassen sich noch weitere unvermeidliche Einflussfaktoren finden. Im Rahmen dieser Faktoren lassen sich die konkreten Entscheidungen dann absolut hinterfragen. Da bin ich auch nicht mit allem glücklich - Moraine und Siuan als "Pillow Friends" hätte es für mich nicht gebraucht, um zu zeigen, wie sie sich vertrauen. Und der Fokus auf den Warder Strepin und wie er nach dem Tod seiner Aes Sedai der Verzweiflung anheim fällt war für mich unnötig umfangreich, um die Beziehung zwischen Lan und Moraine zu untermauern. Aber in der Gesamtperspektive sind für mich sehr viel mehr richtige Entscheidungen getroffen worden. Daher bin ich eben gespannt auf die konkreten Kritikpunkte.