Ein Spiel der Herbstneuheiten zog meine Aufmerksamkeit auf sich, und so landete Gutenberg vom polnischen Verlag Granna - Erstlings-Werk zweier mir unbekannter Autoren - in den Vorweihnachtseinkäufen und jetzt auf dem Spieltisch. Da es keinen eigenen Thread zum Spiel gibt, mach ich damit einen auf und versteck das nicht im Wochenbericht.
Jeder Spieler ist Besitzer einer kleinen Druckwerkstatt in Zeiten des neu aufkommenden Gewerbes und bemüht sich um lukrative Aufträge. Diese kommen in Form zweier Arten Karten daher, die kombiniert werden. Während ein Teil die Pflicht in Form von zwei bis fünf zu druckenden Typen beschreibt (und bei Erledigung Geld einbringt), gibt die andere Karte zwei optionale Teilaufgaben vor, die - wenn mit erledigt - die auch hier so begehrten Siegpunkte mit sich bringen. Während man Typen jederzeit für schnöden Mammon erwerben kann (nur werden sie immer teurer), müssen für die optionalen Dekorationen Tintenvorräte verbraucht oder spezielle Fertigkeiten vorgewiesen werden. Mit zwei Aufträgen, drei Typen und 10 Gulden Grundausstattung gehen wir an den Start.
Eine Beschaffungsrunde für Aufträge, Tinten, Fertigkeiten, Zahnräder (dazu gleich mehr) und kleinen Extras bzw. punkteträchtige Gunst eines Patrons wird von jedem Spieler mit Aktionssteinen hinter einem Sichtschirm geheim und gleichzeitig geplant. Zwar bekommt jeder überall was ab, wenn er sich nur mit wenigstens einem Aktionsstein darum bewirbt, aber mehr Steine bedeutet frühere Auswahl. Bei Gleichstand hat der erste Spieler reihum ab Startspieler den Vorteil - zum recht gefälligen Ausgleich hat reihum jeder Spieler immer einen Aktionsstein mehr zur Planung verfügbar als sein rechter Nachbar.
Sind wir so nun in Besitz der richtigen Betriebsmittel zur Erfüllung unserer Aufträge gekommen, können wir diese zeitgleich erfüllen und die versprochenen Boni kassieren. Geld wird früh in Typen reinvestiert, später aber auch gerne gebunkert, sind doch auch drei Gulden am Ende einen Siegpunkt wert.
Bis zu drei Zahnräder können wir ineinander verzahnt in unserer kleinen Druckerei montieren. Jedes Rad teilt sich in drei Sektoren, aber nur einer davon ist jeweils aktiv und zu Rundenbeginn wird das erste Rad (und so alle anderen auch) einen Sektor weitergedreht, so dass sich die Möglichkeiten ändern, aber auch ein wenig planen lassen. Einmal pro Runde kann man den aktiven Bonus jeden Zahnrades nutzen. Da winken Tauschmöglichkeiten von Betriebsmitteln oder Extra-SP bei Erledigung von Aufträgen mit gewissen Eigenschaften. Wer hier zur rechten Zeit die Chancen nutzt, kann um den Sieg mitspielen - ohnedem wird es vermutlich nichts damit.
Nach sechs Spielrunden ist es auch schon vorbei. Nun gibt es noch SP für die oberen Stufen der vier verschiedenen Fertigkeiten, je 8 SP pro unterstützenden Patron und SP für das Restgeld.
Unser Probespiel zu zweit machte durchweg Spaß und endete sehr knapp mit 100:99 SP. Das Thema ist sowohl materiell - mit den hübschen Holztypen und einer gefälligen Grafik - als auch spielmechanisch hinreichend gut abgebildet (Euro-Skeptiker werden wie immer anderer Meinung sein, sollen sie...). Tinten verbrauchen sich und müssen stets abgegeben werden, Typen und Fertigkeiten kann man wiederholt einsetzen und bringen so den gewünschten Engine-Effekt mit, der das Spiel über die Dauer trägt. Die Spannung bleibt dabei konstant durch die Konkurrenz der Spieler erhalten. Klar könnte man mit den ausliegenden Ressourcen wunderbar planen, hätte man stets allein den ersten Zugriff - aber genau das geht eben nicht! Wie ärgerlich, wenn man mit drei oder vier Aktionssteinen mal an einer Stelle was "klar machen" wollte und sich herausstellt, dass das gar nicht nötig war und man nun auf den anderen Baustellen unnötig oft das Nachsehen hat. Gönnen Können war gestern, das ist hier ein ganz schlechter Ratgeber auf dem Weg zum Spielsieg.
Zwar steht "Expert" auf der Spielschachtel, Gutenberg ist nach meinen Maßstäben aber ein reines Kennerspiel. Es hat schnell erklärte Mechanismen und ist recht eingängig, der Aufforderungscharakter ist dank der Gestaltung hoch. Wer stimmige Kennerspiele wie Flügelschlag oder Viticulture schätzt, sollte sich das Spiel mal anschauen.
Kleiner Hinweis: zum Spiel gehören sechs kleine Faltschachteln für das Material, die ich in meinem Spiel durch ein praktischeres selbst gebautes Insert ersetzt habe - das ist also nicht Standard in diesem Spiel.