Alle Bewertungen zum Eintrag „Get on Board: New York & London“

    Als ich die Anleitung von „Get on Board“ las, fühlte ich mich sofort an „Remember our Trip“ erinnert. Erst später merkte ich, dass mit Saashi der gleiche Designer hinter beiden Werken steckt. Zum ersten war die Anleitung nicht wirklich verständlich für mich. Nach dem Lesen hatte ich keine Ahnung, wie das Spiel funktionieren sollte. Es dauerte dann auch bei BGA noch drei Partien, ehe ich den Zusammenhang zwischen gelegten Strecken und Punktesystem verstanden hatte. Dabei ist „Get On Board“ gar nicht kompliziert. Aber die Anleitung machte es für mich vom Aufbau her schwieriger als gedacht. Die vielen Regelfragen auf BoardGameGeek sprechen da auch nicht unbedingt für die Redaktion bei Iello, die das Spiel ins Englische und Deutsche übertragen hat. Als Zweites kam mir der minimalistische Grafikstil bekannt vor. Und das, obwohl der Originalillustrator Takako Takarai (der auch die meisten anderen Spiele von Saashi illustriert hat) sich gar nicht mehr dafür verantwortlich zeichnet. „Get on Board“ ist nämlich eine Reimplementierung des 2018 erschienenen Titels „Let's make a Bus Route“. Iello hat das Spiel zum einen grafisch überarbeitet und aus dem reinen Flip'n'Write-Spiel eine erweiterte Version mit Holzstäbchen gemacht, was ich für eine gute, weil übersichtlichere Entscheidung halte. Diese Holzstäbchen für die Strecke wiederum haben mich – auch thematisch – an „On the Underground: London/Berlin“ erinnert. Der dritte Punkt ist der Minimalismus bei den Aktionen jede Runde. Bei „Remember Our Trip“ wurden auch nur Runde für Runde Karten aufgedeckt, die vorgaben, wie ich die Plättchen auf mein Tableau legen muss. In „Get on Board“ werden ebenfalls nur zwölf Karten aufgedeckt, die vorgeben, wie ich meine Strecke bauen kann. Das ist das ganze Spiel und dieser Minimalismus macht den Reiz für mich aus.


    Die Spielmechanik funktioniert nämlich sehr gut. Karte ziehen, Strecken auf den gemeinsamen Plan legen, auf dem eigenen Tableau ankreuzen, was ich erreicht habe. Das versteht jeder. Wo es komplizierter wird, ist dann die Wertung – vor allem bei den Touristen und den Angestellten. Die kreuze ich zwar auch nur an, aber sobald ich eine Sehenswürdigkeit oder ein Büro erreiche, gibt es eine Zwischenwertung. Das bringt Punkte und im Falle der Angestellten sogar weitere Passagiere. Thematisch passt das sehr gut, dass ich erst Passagiere einlade und diese an einem Ort rauslasse. Und je mehr ich eingesammelt habe, desto mehr Punkte erhalte ich. Durch die anderen Punktemechanismen wie Studenten (werden multipliziert mit den angefahrenen Universitäten) oder Rentner (geben einfach immer mehr Punkte) und vor allem durch die persönlichen und öffentlichen Ziele ist diese Planung der Route echt kniffelig und spannend. Das heißt aber auch, dass am Ende einer Partie ein Punktesalat ansteht. Acht Werte müssen addiert werden, wobei sich diese acht teilweise wieder aus zwei bis vier anderen Werten zusammensetzen. Das trainiert das Kopfrechnen. Etwas Sorge hatte ich vor der Spielerelimination, weil sie ein gutes Spiel kaputt machen kann, wenn man zuschauen muss. Die Sorge war aber unbegründet, denn wenn man normal spielt, findet man – zur Not mit Minuspunkten – einen Ausweg. Um das Ausscheiden zu testen, musste ich mich online schon absichtlich einbauen. Was mir gefallen hat, ist, dass jede Spielerin mit einer anderen Streckenverteilung spielt. Die Anzahl ist bei allen Spielerinnen zwar gleich, aber eine Spielerin muss bei einer 1 ein U mit drei Strecken fahren, eine andere darf nur eine Strecke legen. Auf die Art fühlt sich das Spiel bei allen Spielerinnen am Tisch etwas unterschiedlich an. Und am Ende haben doch alle die gleichen Strecken legen können, nur eben in einer anderen Reihenfolge.


    Unsicher bin ich noch etwas, wie groß der Entscheidungsraum für einen Spielsieg ist. Bisher war meine Strategie nämlich recht simpel: Verbinde auf alle Fälle die persönlichen Zielorte, erfülle dabei die öffentlichen Ziele und alles andere ergibt sich von selbst. Sprich, wenn ich auf dem Weg viele Studenten eingesammelt habe, fahre ich natürlich auch Universitäten an. Und wenn eher Touristen Platz in meinem Bus nehmen, sammel ich möglichst viele auf, ehe ich an einer Sehenswürdigkeit Halt mache. Wenn möglich halte ich am Zugende auch noch an einer Ampel, um eine extra Strecke zu legen. Aber nach einigen Partien merkte ich, dass es sich doch immer anders anfühlt. Neben den Zielen kann ich mich auf vier Bereiche konzentrieren: Rentner, Studenten und Universitäten, Touristen und Sehenswürdigkeiten oder Angestellte und Bürogebäude. Sicherlich nehme ich aufgrund der Busroute von allem etwas mit, aber ich kann mich auch sehr gezielt auf ein oder zwei dieser Aspekte konzentrieren. Und damit ergibt sich doch eine gewisse Varianz. Diese wird – wenn auch nur minimal – durch die variablen Anteile verstärkt: Der Startpunkt wird zufällig aus zwei von zwölf gewählt, die zwei öffentlichen und das persönliche Ziel ist zufällig und die zwölf Streckenbaukarten kommen in einer anderen Reihenfolge.


    Sicherlich ist „Get on Board“ ein eher abstraktes Pick-up-and-Deliver-Spiel. Ich sammel etwas ein, um es an andere Stelle abzuliefern und erhalte dann je nach Menge Siegpunkte und einen Bonus. Grafisch und spielmechanisch wurde das Ganze aber so gut umgesetzt, dass ich bei der Routenplanung schon denke: „Okay, ich fahre jetzt durch den Stau dort drüben, sammel den Touristen und die zwei Angestellten ein. Und im nächsten Zug erreiche ich das Bürogebäude (und erhalte dann 14 Punkte).“ Wenn dieser Plan dann auch noch aufgeht, weil die Karten richtig gezogen werden und ich keinen Umweg fahren muss, ist das ein schönes Gefühl. Dass thematisch vorgegeben wird, welche Strecke ich als Nächstes fahren muss, ist natürlich etwas seltsam, aber darüber kann ich ohne Probleme hinwegsehen. In Summe fühlt sich „Get on Board“ für mich sehr thematisch an.


    Die Spielzeit ist dabei auch erfreulich kurz. Zu zweit ist das Spiel in 15-20 Minuten vorbei und skaliert entsprechend für bis zu fünf Spielerinnen. Wartezeit gibt es dabei auch kaum. Das Schöne ist nämlich, dass die aktuelle Startspielerin eine neue Karte aufdeckt und alle bereits sehen, welche Strecke sie damit bauen müssen. Ich konnte als zweiter Spieler fast immer sofort meine ein bis drei Streckenabschnitte bauen, ohne noch groß überlegen zu müssen. Die negative Implikation daraus ist aber auch, dass es mir fast egal ist, was meine Mitspielerinnen machen. Es gibt zwar eine Interaktion, aber die ist eher subtil. Zum einen will ich natürlich zuerst die öffentlichen Ziele erreichen, weil ich so 10 statt 6 Punkte erhalte. Und natürlich möchte ich auch nicht auf den Strecken der Mitspielerinnen fahren, weil das Minuspunkte bringt. Sonst gibt es nichts, was wir uns wegnehmen könnten und so fällt die Interaktion eher gering aus. Da ist direkt schade, dass es keinen Solomodus gibt, wenn das Spiel zu einem Großteil sowieso solitär abläuft.


    Am ehesten vergleichbar ist „Get on Board“ (neben den oben erwähnten „On the Underground“ wegen des Themas und der gelegten Strecken und „Remember our Trip“ wegen des Spielablaufs) aufgrund des Themas noch mit „Next Station: London“, das ich erst letzten Monat kennenlernen durfte. Durch die gemeinsame Stadtkarte, auf der wir unsere Strecken bauen, spielt sich „Get on Board“ dann im direkten Vergleich doch nicht mehr so solitär wie gedacht. Am ähnlichsten zu einem anderen Flip'n'Write-Spiel finde ich es aber zu „Welcome to“. Auch hier werden Karten aufgedeckt, wir suchen uns etwas (auch anderes) davon aus, zeichnen Hausnummern auf unseren Plänen ein und die größte Interaktion besteht beim Wettlauf um die öffentlichen Ziele. Und auch bei „Welcome to“ wird am Spielende ein Punktesalat aus zwölf Wertungen zusammengerechnet. In Summe gefällt mir „Welcome to“ aufgrund seiner etwas eingängigeren Regeln aber etwas besser.


    Sicherlich ist „Get on Board“ kein episches Spiel, aber für zwischendurch reicht mir die Spieltiefe vollkommen aus und hat mich auch mehrfach in Zwei- und Dreipersonenpartien gut unterhalten. Was ich leider noch nicht testen konnte, ist die London-Karte, da diese erst mit vier und fünf Spielerinnen zum Einsatz kommt und dementsprechend etwas größer ist. Mir hat das Spiel jedenfalls sehr gut gefallen und hätte ich „Welcome to“ nicht, wäre „Get on Board“ vermutlich das Flip'n'Write-Spiel meiner Wahl.