nicht nur komplex, sondern kompliziert und ich merk das Thema nicht

In „Lisboa“ bauen wir Lissabon nach einem Erdbeben mit Tsunami und Feuer im Jahr 1755 wieder auf. Hierfür habe ich Personenkarten in den Farben Grün, Blau und Rot und Gegenstandskarten auf der Hand. Eine Personenkarte kann ich an mein Spielertableau anlegen und erhalte deren Einmalbonus. Eine Gegenstandskarte kann ich ebenfalls an mein Tableau anlegen, erhalte dafür Geld und einen dauerhaften Bonus. Danach kann ich entweder Waren (Gold, Bücher, Stoffe, Werkzeuge) an ein Schiff bei mir oder einer Mitspielerin verkaufen oder ich handel mit bis zu zwei Adligen. Der Handel ist nichts anderes als eine Aktionswahl aus sechs Aktionen, die ich mit einer bestimmten Warenart bezahlen muss. Alternativ zum Anlegen an meinem Tableau kann ich die Personenkarte zentral ausspielen, um mit einem der drei Adeligen (ebenfalls in den Farben Grün, Blau und Rot) in Kontakt zu treten. Auch hier dient das wieder nur der Aktionswahl. Dabei darf ich eine der Basisaktionen kostenlos (also ohne extra Ware) ausführen. Zusätzlich erhalte ich Zugriff auf Sonderaktionen, die ich sonst nicht direkt ausführen kann. Dieser Personenwahl können meine Mitspielerinnen folgen, wenn sie ein entsprechendes Gunstplättchen abgeben. Ich kann auch eine Gegenstandskarte zentral ablegen und erhalte den abgebildeten Einmalbonus. Der Karte kann niemand folgen. Danach ziehe ich eine Karte von vier Stapeln nach (Personenkarten in Grün, Blau und Rot oder Gegenstandskarten) und die nächste Spielerin ist dran.


In Summe gibt es also neun mögliche Aktionen. Da der Hauptteil des Spiels der Bau von öffentlichen und Produktionsgebäuden ist, zielt vieles darauf ab. So kann ich mit zwei Aktionen Beamte in die Amtsstube schicken oder mir einen Plan für ein öffentliches Gebäude besorgen, welches ich durch eine andere Aktion dann bauen kann. Oder ich baue ein normales Gebäude, welches Geld kostet und Siegpunkte bringt. Ich kann auch Schiffe bauen (im Spiel zu zweit gibt es maximal vier), über welche ich oder meine Mitspielerinnen Waren verkaufen können. Mittels der Produktionsaktion produzieren alle meine Produktionsgebäude Waren, dafür fällt der Warenwert aber auf dem Markt, was den Verkaufspreis senkt. Oder ich bewege den Kardinal auf dem Kirchentableau, welches mir dauerhafte Bonusplättchen bringt, die ich später dann auch gegen Siegpunkte und Einfluss eintauschen kann. Eine der wichtigsten Aktionen scheint aber das Nehmen von Zielkarten zu sein, denn diese bringen einen Großteil der Punkte (zumindest in unserer Partie).


Und so spielen wir, bis drei der vier Stapel leer sind oder zwei Spalten mit Trümmermarkern auf einem Spielertableau voll ist. Dann gibt es eine kleine Zwischenwertung und wir starten die zweite Epoche mit leicht anderen Personen- und Gegenstandskarten zur Auswahl. Sind dann wieder drei der vier Stapel leer sind oder vier Spalten mit Trümmermarkern voll, endet das Spiel. Es gibt noch einmal Punkte für eigene Schiffe, für volle Spalten an Trümmermarkern, für die Mehrheit bei jedem der vier Produktionsgebäuden (Gold, Bücher, Stoffe, Werkzeuge), für die eigenen Beamten in den öffentlichen Gebäuden, für Gunstmarker und schlussendlich für die eigenen Zielkarten.


Wer die Anleitung von „Lisboa“ liest, sieht an jeder Ecke das Thema. Zu fast jedem Absatz gibt es eine Erklärung, wie die Aktion oder das Material sich thematisch in den Aufbau Lissabons nach 1755 einfügt. Im Spiel habe ich vom Thema leider wenig gemerkt. Die Trümmermarker sind für mich nur bunte Würfel. Dass Beige für Erdbeben, Blau für Tsunami und Rot für Feuer steht, ist mir herzlichst egal, wenn ich nur ein Set vervollständigen will, weil ich dadurch mehr Karten an mein Tableau anlegen darf. Dass die drei Adligen auf dem Spielplan reale Personen sind, ist mir egal, ich schaue nur auf die Aktionen und spiele entsprechend eine grüne, blaue oder rote Personenkarte. Für mich war das alles nur abstrakt ohne historischen Hintergrund, für den ich mich aber auch nicht im Spiel interessiere (im Nachgang lese ich gerne etwas dazu). Im Gegenteil wirkte das eine oder andere thematische Detail störend. So bezahlen wir im Spiel nicht mit Geld, sondern mit Réis. Das ist historisch und thematisch korrekt, es klingt im Deutschen aber seltsam, wenn ich für ein Gebäude „15 Reis“ bezahlen muss. Das wirkte dann unfreiwillig komisch. Genauso wie das Sammeln von Perücken, weil niemand das Wort „Siegpunkte“ in den Mund nehmen wollte. Dass ich aber am Spielende 123 Perücken im Schrank stehen habe, lässt mich das Spiel nicht ernst nehmen.


Die Illustration von Ian O'Toole ist immer eine Diskussion wert. So gibt es einige Spiele, bei denen ich seinen Stil mag. „Lisboa“ zählt definitiv nicht dazu. Ich finde den Spielplan viel zu trist und langweilig, gleichzeitig aber wieder komplett überladen und unübersichtlich. Hätte ich das Spiel und den Autor nicht gekannt, hätte ich den BGG-Link innerhalb von fünf Sekunden wieder geschlossen. Und auch die Symbolik fand ich alles andere als eingängig. Bis zum Spielende konnte ich mir nicht merken, wofür die „Krone“ stehen soll. Jedes einzelne Kirchenplättchen mussten wir nachschlagen, weil sich aus den abgebildeten Symbolen keines erschloss. Da solche komplexen Spiele bei uns selten auf den Tisch kommen (einmal pro Jahr), bedeutet das auch, dass nach einem Jahr die Regeln und Symbolik erneut erlernt werden muss.


Vermutlich liegt das aber auch einfach an der Fülle an Symbolen, Mechaniken und Aktionen im Spiel. Mir war das einfach zu viel von allem. Zwei Arten von Karten, eine Art in drei Ausprägungen, drei Möglichkeiten, was ich mit denen mache, je nach Wahl dann entweder die Auswahl von zwei aus sechs Aktionen oder zwei aus drei. Und dann Aktionen, die mehrfach aufeinander aufbauen, ehe ich den Kern des Spiels erreiche: den Bau eines simplen Gebäudes. Dazu noch ein Markt und einen Kirchenrundgang und Zielkarten und sicherlich noch mehr, das ich vergessen habe. Im Gegensatz zu „Vinhos“, bei dem ich sofort im ersten Zug wusste, was ich zu tun hatte und in welche Richtung ich mich entwickeln möchte, ist „Lisboa“ nicht intuitiv. Es erschließt sich vermutlich erst nach zwei oder drei Partien, wie die genauen Zusammenhänge sind. Dazu wird es aber nicht kommen, weil ich fast jede Minute des Spiels gehofft habe, dass es gleich vorbei sein wird. Das war dann auch einfach mein Spielziel: Ich wollte möglichst schnell Trümmermarker sammeln, damit es vorbei ist. Dass mir das den Spielsieg bescherte, war dann ein lustiger Nebeneffekt, der das Spiel aber nicht besser macht.


Wenn ich etwas Positives an „Lisboa“ finden will, ist es vermutlich, dass es nicht langweilig ist. Oder zumindest nicht wegen der Wartezeit auf andere Spielerinnen. Oft bin ich selbst in Gedanken. Und je nach ausgespielter Karte kann ich sogar noch folgen, worauf ich das ein oder andere Mal sogar spekuliert habe. Das hat tatsächlich Spaß gemacht. Ansonsten ist die Spielerinteraktion sehr gering. Aktionen können sich die Spielerinnen nicht wirklich wegnehmen, manches wird verteuert (Einfluss) oder verbilligt (Warenproduktion) oder es wird ein Plättchen weggenommen, was ich gerne gehabt hätte. Oft gibt es aber genug Alternativen, um einen anderen Weg zum eigenen Ziel zu finden. Die absolute Spielzeit von zwei Stunden und die gefühlte von drei spricht wiederum in meinen Augen nicht für das Spiel.

In Erinnerung geblieben sind mir ansonsten zwei Dinge: Zum einen, dass bei der Produktion die jeweilige Ware weniger wert wird. Das fand ich zumindest sehr interessant und im Mehrpersonenspiel lässt sich das sicherlich auch nutzen, um das Monopol eines Mitspielers weniger wert sein zu lassen. Es ist aber auch etwas unrealistisch, dass die Produktion von vier Büchern den gleichen Markteinfluss hat wie die Produktion eines einzelnen Buches. Und der Marktwert steigt auch nicht wieder, was mir ebenfalls komisch vorkam. Der zweite positive Aspekt war der Gebäudebau. Das Zusammenspiel von öffentlichen Gebäuden und Produktionsgebäuden, die je nach Konstellation Siegpunkte abwerfen, hat mir gut gefallen, weil es sich so schön ergänzte. Der Mechanismus erinnert mich stark an „Tekhenu“, welches als Teilaspekt ähnlich funktioniert. Vermutlich stehe ich mit der Meinung auch nicht allein da, denn genau der Gebäudebau mit seinen Wertungen wurde mit „Mercado de Lisboa“ von Julián Pombo extrahiert. Das hatten wir letztes Jahr gespielt und blieb aufgrund seiner Belanglosigkeit und unserer Langweile aber nicht in guter Erinnerung.


Mein Fazit: „Lisboa“, nein danke. Das Spiel ist viel zu komplex für mich und in meinen Augen unnötig kompliziert. Das Thema finde ich nicht wieder und die Illustration sagt mir absolut nicht so. Mir fällt kein Grund, wieso ich es noch einmal spielen wollen würde. (4,5)